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Neuer Professor Werner Ruppitsch: Mit Genomik und KI gegen resistente Keime

Innsbruck – Berlin – Wien – Innsbruck: Vor etwas mehr als 30 Jahren startete Werner Ruppitsch seine wissenschaftliche Karriere am Institut für Biochemie in Innsbruck. Nach dem Doktorat in Berlin und vielen Jahren und Erfolgen bei der AGES in Wien kehrt er nun als Professor für Antibiotikaresistenzen und mikrobielle Genomik zurück ans Institut für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie.

Werner Ruppitsch hatte an seinem ersten Arbeitstag, dem 1. April, gerade einmal sein neues Büro am Institut für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie (Direktorin: Cornelia Lass-Flörl) bezogen, da wurde er bereits zu einem Interview für die Tiroler Tageszeitung gebeten. Grund dafür ist sein Forschungsschwerpunkt, ein Thema, das in den kommenden Jahren weltweit große Herausforderungen für Medizin und Gesellschaft birgt. Werner Ruppitsch wurde am 1. April zum Professor für Antibiotikaresistenzen und mikrobielle Genomik an der Medizinischen Universität Innsbruck berufen. Der Umgang mit Antibiotika und die Bedrohung durch resistente Bakterien beschäftigt viele Menschen – zu Recht: „Laut WHO wird sich die Zahl der Todesfälle durch antibiotikaresistente Keime bis 2050 von zehn auf 100 Millionen verzehnfachen“, zitiert Journalistin Silvana Resch den Forscher in dem Artikel, der in der heutigen Ausgabe der Zeitung erschienen ist.

Es begann mit dem Feuerbrand. Seither erlebte Werner Ruppitsch so gut wie alle kleineren und größeren, politisch und medial diskutierten Ausbrüche von bakteriellen Erregern in Lebensmitteln, Umwelt und Krankenhäusern, aus der ersten Reihe mit. Schwierige Bezeichnungen wie Listeria monocytogenes, Legionella pneumophila, Cronobacter sakazakii oder Pseudonomas aeruginosa und Bordetella pertussis gehen ihm leicht über die Lippen. Als der gebürtige Kärntner 2000 zur Agentur für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (AGES) nach Wien kam, hieß die Behörde noch Bundesamt und Forschungszentrum für Landwirtschaft. Er fing damals als Arbeitsgruppenleiter für Molekularbiologie an.

Die Etablierung von Tests für genetisch veränderte Organismen stand an und besagter Ausbruch des Feuerbrands sorgte für politische Reibungen zwischen Österreich und Ungarn. „Das war der Startpunkt für mich. Ich habe mit den damals verfügbaren Methoden begonnen, mich mit Typisierung auseinanderzusetzen und konnte anhand der Isolate aus Ungarn zeigen, dass der Feuerbrand aus den USA gekommen ist und infizierte Pflanzen über Ungarn nach Österreich eingeschleppt wurden und nicht umgekehrt, wie anfangs unterstellt worden war, die kontaminierten Pflanzen aus Österreich ins Nachbarland gelangt sind“, erinnert er sich. Nachdem Ruppitsch als einziger ein Labor hatte, in dem man sequenzieren konnte, holte ihn Franz Allerberger 2005 an die Abteilung für Medizinische Mikrobiologie der AGES. „Die Typisierung, verschiedene Bakterienstämme für die Aufbruchsaufklärung miteinander zu vergleichen, war von da an meine Hauptaufgabe“, schildert der Forscher. Sein Engagement hat aber auch dazu geführt, dass Österreich über eine der größten Genomdatenbanken für Listerien in Europa verfügt und als kleines Land den Vergleich mit größeren nicht zu scheuen braucht. „Wir haben mittlerweile 25.000 Listeriengenome in der Datenbank. Darauf bin ich schon ein bisschen stolz. Wir haben auch als erste ein international gültiges Typisierungsschema beschrieben.“ Dank der einheitlichen Nomenklatur könnten Isolate damit weltweit länderübergreifend verglichen werden.

Nach mehr als 20 Jahren und vielen Erfolgen bei der Bundesagentur kehrt Ruppitsch nun an die Universität zurück. Er möchte sich neben der Diagnostik, die er zuletzt hauptsächlich durchgeführt hat, wieder mehr der Forschung zuwenden. Den Campus kennt er, Innsbruck ist kein Neuland für ihn. Denn nach dem Biologiestudium in Graz hat seine wissenschaftliche Karriere gewissermaßen hier ihren Ausgang genommen. Er spezialisierte sich im zweiten Studienabschnitt in Innsbruck auf Mikrobiologie, Wahlfach Biochemie, schrieb die Diplomarbeit am Institut für Biochemie über die Fanconi-Anämie, eine seltene genetische Erkrankung bei der ausgelöst durch eine Infektion alle Blutzellen zugrunde gehen. Als Manfred Schweiger, der Vorstand des Instituts für Biochemie an der Universität Innsbruck, kurz nach dem Mauerfall einen Ruf an die Freie Universität Berlin erhielt, bot er Ruppitsch 1992 an, das Doktoratsstudium, ebenfalls zu der Erkrankung, bei ihm zu machen. „Nach dem Post-Doc in Berlin stand ich vor der Entscheidung, nach Österreich zurückzukehren oder in die Vereinigten Staaten zu gehen.“ Es wurde Wien.

Zurück in Innsbruck möchte der Vater zweier erwachsener Kinder die molekulare Typisierung von Mikroorganismen auch an der Medizinischen Universität Innsbruck etablieren und weiterentwickeln. „Mit der Genomsequenzierung können wir die Diagnostik verbessern und den Kliniken bessere Informationen zur Verfügung stellen. Wenn bestimmte Keime im Krankenhaus auftreten, könnte man damit gezieltere Maßnahmen als bisher setzen und damit das Risiko der Verbreitung insgesamt reduzieren“, sagt er. Erst vor wenigen Monaten sei es mithilfe der AGES in Oberösterreich gelungen, einen langjährigen Ausbruch von Pseudomonas aeruginosa in einem Krankenhaus aufzuklären und zu beenden. Das Bakterium ruft eine Form der Lungenentzündung hervor und ist vor allem für immungeschwächte Menschen problematisch. „Diese Keime siedeln sich bevorzugt in Feuchtbereichen in den Zimmern, aber z.B. auch in chirurgischen Räumen an. In dem Fall hat es dazu geführt, dass das gesamte Abflusssystem getauscht worden ist, weil sich die Bakterien kurz nach der Desinfektion wieder angesiedelt haben. Das Beispiel zeigt, wie wichtig solche Informationen sind. Sie tragen auch dazu bei, Antibiotika einzusparen, wenn man auf Umwelthygiene schaut und auf Hygienemaßnahmen in Lebensmittelbetrieben und Krankenhäusern setzt. Ich bin ja auch berufen für die Erforschung von Antibiotikaresistenzen“, sagt er.

Der „One Health“-Ansatz spielt dabei eine große Rolle. „Nicht ohne Grund sieht die WHO Antibiotikaresistenzen als eine der großen Herausforderungen der Zukunft. Bis zum Jahr 2050 werden gleich viele Menschen an resistenten Keimen sterben, wie an Tumoren. Das ist eine dramatische Steigerung. Viele Krankheitserreger kommen aus der Umwelt und es geht in erster Linie darum, eine Übersicht zu bekommen, wie resistent Bakterien, die üblicherweise im Oberflächenwasser oder in Böden vorkommen, bereits resistent gegen Antibiotika sind“, sagt er. In zweiter Linie habe es auch damit zu tun, dass die Pharmaindustrie in den letzten Jahrzehnten aus unterschiedlichen Gründen viel zu wenig in die Antibiotikaforschung investierte.  „Im Prinzip testen wir gegen Antibiotika, die wir verwenden. Im Genom sehen wir aber viel mehr, als phänotypisch getestet wird.“ Er sieht großes Potenzial der Künstlichen Intelligenz und Machine Learning Technologien für seine Arbeit. An seine Professur geknüpft ist eine Bioinformatik-Stelle. Mit der Hilfe einer/eines MitarbeiterIn in diesem Bereich sowie der vorhandenen Expertise am Campus möchte er aus Genomdaten vorhersagen, gegen welche Antibiotika bestimmte Keime resistent sind. Das würde Analytikkosten – das Anzüchten der Bakterien auf Agarplatten – und sehr viel Zeit sparen, die für PatientInnen wiederum sehr wertvoll ist.

Werner Ruppitsch ist durch und durch Biologe, auch in der Freizeit sieht er die Welt aus der Biologenbrille: Er erfreut sich an der Fotografie, ist begeisterter Naturgärtner und „Hobbybiologe“, wie er selber sagt. Es interessiere ihn fast jeder Bereich der Biologie, v.a. das Bird Watching. Und auch seine Lebensgefährtin ist Biologin. Sie leitet das Excellence Center für Digitalisierung und Lebensmittelsicherheit an der Universität in Donja Gorica, in Podgorica, der Hauptstadt von Montenegro.

(Innsbruck, 17. April 2025, Text: T. Mair, Foto: MUI/D. Bullock)

Weitere Links:

„Immer mehr Todesopfer befürchtet: Antibiotika-resistente Keime auch in Innsbruck ein Problem“, Tiroler Tageszeitung, 17. April 2025.

Werner Ruppitsch im ExpertInnenverzeichnis der Medizinischen Universität Innsbruck

Institut für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie

 

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