Alternativen zum Tierversuch: Staatspreis für Doris Wilflingseder
Der Staatspreis zur Förderung von Ersatzmethoden zum Tierversuch 2021 wurde heute an Doris Wilflingseder von der Medizinischen Universität Innsbruck und Peter Ertl von der Technischen Universität Wien verliehen. Die von der Innsbrucker Immunologin und Infektionsbiologin an der Medizinischen Universität Innsbruck gesetzten Initiativen und etablierten Technologien für eine tierversuchsfreie Grundlagenforschung finden nationale wie auch internationale Beachtung.
Grundlagenforschung ohne Tierversuche – das steht für Doris Wilflingseder seit Beginn ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit an erster Stelle. Die Immunologin, die kürzlich zur Universitätsprofessorin für Infektionsbiologie berufen wurde, forscht am Institut für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie der Medizin Uni Innsbruck an der Interaktion von Viren und Pilzen mit Komponenten des Immunsystems. „Ich bin überzeugt, dass uns gute menschliche Zellkulturmodelle und entsprechende neuartige Technologien wie High Content Screening oder single-cell RNA-Sequencing bei der Erforschung menschlicher Krankheitserreger wie HIV-1 oder SARS-CoV-2 oder auch opportunistischer, humanpathogener Pilze wie Aspergillus besser voranbringen als Experimente in Tiermodellen“, betont die Forscherin, die im Labor ausschließlich mit menschlichen in-vitro-Modellen arbeitet und hoch differenzierte humane 3D-Zellkulturmodelle entwickelt, um die ersten Wechselwirkungen verschiedener Krankheitserreger in der Akutphase der Infektion untersuchen zu können.
Immunreaktion im Live-Modus
Vielversprechend ist in diesem Zusammenhang das von ihr etablierte humane 3D-Schleimhautmodell, das auch in der mit dem Staatspreis ausgezeichneten Publikation „C5aR inhibition of nonimmune cells suppresses inflammation and maintains epithelial integrity in SARS-CoV-2–infected primary human airway epithelia“ zum Einsatz kam (weitere Informationen: https://www.i-med.ac.at/pr/presse/2021/23.html) „Dieses in-vitro-System ermöglicht es, detaillierte Interaktionen und Wechselwirkungen unterschiedlicher Erreger mit Molekülen und Enzymen einer intakten, komplexen Schleimhaut quasi im Live-Modus zu studieren“, so Doris Wilflingseder, deren innovatives Modell vor allem in der präklinischen Phase – jenem Abschnitt, in dem Unbedenklichkeit und Toxikologie neuer Wirkstoffe getestet werden – punktet.
Am Standort Innsbruck hat Doris Wilflingseder 2017 zudem den translationalen „MUI animalFree Research Cluster“ initiiert und etabliert. Die richtungsweisende Initiative will die 3R (Replacement-Reduction-Refinement) Expertise der Region Tirol bündeln und die tierversuchsfreie Forschung am Standort intensivieren, um etwa die Testung von potentiellen antimikrobiellen Wirkstoffen mittels modernster Technologien zu erleichtern. Doris Wilflingseder ist außerdem Vizepräsidentin der Gesellschaft zur Förderung von Alternativen Biomodellen (The RepRefRed Society). Als Lehrende an der Medizinischen Universität Innsbruck ist es ihr gelungen, das Thema "Alternativen zum Tierversuch" als Pflicht-Vorlesung in den Lehrplan des Masterstudiums Molekulare Medizin sowie in den PhD Programmen zu etablieren.
Staatspreis zur Förderung von Ersatzmethoden zum Tierversuch
Die Verleihung des Staatspreises zur Förderung von Ersatzmethoden zum Tierversuch an Doris Wilflingseder fand am 13. April 2022 in Wien statt. „Diese Anerkennung ehrt mich sehr und motiviert mich umso mehr, den Weg der Grundlagen- und translationalen Forschung ohne Tierversuche konsequent weiterzugehen, um die Komplexität dieser Modelle zu erhöhen und so den Ersatz bzw. die Reduktion durch gute Alternativen voranzutreiben“, betont Doris Wilflingseder. Wissenschaftsminister Martin Polaschek gratulierte: „Beide Preisträger zeigen mit ihren Arbeiten, wie hervorragende wissenschaftliche Forschung im wichtigen Bereich der Ersatzmethoden zum Tierversuch gelingen kann. Der Preis soll die Forschenden bestärken, ihr Engagement in der Ersatzmethodenforschung auch in Zukunft fortzusetzen, und der Preis soll Aufmerksamkeit generieren, damit sich mehr Forschende dieser Thematik widmen.“
Christine Bandtlow, Vizerektorin für Forschung und Internationales an der Medizin Uni Innsbruck freut sich ebenso: „Wir können in der biomedizinischen Forschung derzeit noch nicht gänzlich auf Tierversuche verzichten. Umso mehr freut es mich, eine Wissenschafterin wie Doris Wilflingseder an der Medizinischen Universität Innsbruck zu haben, die mit ihrem großen Engagement und ihren vielfältigen Initiativen ForscherInnen und Studierende für dieses wichtige Thema sensibilisiert und begeistert.“
Das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung stiftet diesen Staatspreis für hervorragende wissenschaftliche Arbeiten, deren Ergebnisse bzw. Zielsetzung, im Sinne des 3R-Prinzips nach Russel und Burch (1959), die Vermeidung (Replacement) oder Verminderung (Reduction) der Verwendung von Tieren in Tierversuchen oder die Verbesserung (Refinement) der Bedingungen für die Zucht, Unterbringung, Pflege und Verwendung von Tieren in Tierversuchen ist. Der Staatspreis ist mit 10.000 Euro dotiert.
(13.04.2022, Text: D. Heidegger, Bild: BKA/Florian Schrötter)
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