Zwei Arthur Schüller Preise hintereinander an die Neuroradiologie
Die Österreichische Gesellschaft für Neuroradiologie vergibt traditionell im Rahmen ihrer Jahrestagung den Arthur Schüller Preis zur Förderung der Wissenschaft in ihrem Fachbereich. Bei der Veranstaltung in Klagenfurt Ende November 2021 durfte sich von der Medizinischen Universität Innsbruck nicht nur Christoph Birkl über die Auszeichnung freuen, sondern auch Stephanie Mangesius den Preis für das Jahr 2020 entgegennehmen.
In ihrer Studie Novel decision algorithm to discriminate parkinsonism with combined blood and imaging biomarkers beschäftige sich Stephanie Mangesius mit der frühen Differentialdiagnose von Morbus Parkinson (idiopathisches Parkinson Syndrom), Multisystematrophie (MSA) und progressiver supranukleärer Blickparese (PSP) und wählte dafür einen multimodalen Ansatz. Die Fachärztin in Ausbildung an der Universitätsklinik für Neuroradiologie sowie Radiologie (Direktorin: Elke R. Gizewski) kombinierte dafür zwei klinisch durchführbare diagnostische Marker: MR-Planimetrie und Neurofilament Leichtketten (NFL). „Die bildgebende Planimetrie wird dazu eingesetzt, im Hirnstamm die Abnahme des Hirnvolumens zu messen. Sie kann mit hoher diagnostischer Genauigkeit vorhersagen, ob es sich um PSP handelt oder nicht“, erklärt Mangesius. Allerdings ermöglicht die MR-Planimetrie keine Unterscheidung zwischen dem idiopathischem Parkinson Syndrom und MSA. Erhöhte NFL-Werte, die in Liquor oder Serum nachgewiesen werden können, sprechen hingegen für eine Gewebsschädigung im Gehirn, die bei atypischen Parkinsonsyndromen (MSA und PSP) mit vergleichsweise niedriger Lebenserwartung vorliegen.
Aus diesen Erkenntnissen entwickelten Mangesius und ihr Team der Neuroimaging Core Facility, in Kooperation mit der Universitätsklinik für Neurologie (Arbeitsgruppe für Bewegungsstörungen und Neurologisches Forschungslabor für Experimentelle Neurologie) der Medizinischen Universität Innsbruck und der Universität Verona (Department of Neuroscience, Biomedicine and Movement Sciences) einen diagnostischen Pfad: „Indem zwei Routine-mäßig durchgeführte Maßnahmen, nämlich eine Blutabanahme und ein MRT kombiniert werden, wurde hier ein Entscheidungsalgorithmus entwickelt, um alle drei Parkinson Syndrome mit hoher diagnostischer Genauigkeit unterschieden zu können. Der Entscheidungsbaum ist klinisch einfach durchführbar und funktioniert ausgezeichnet. Für die Betroffenen hat es eine enorme Relevanz, dass man frühzeitig vorhersagen kann, mit welchem Krankheitsverlauf sie rechnen müssen“, schildert die Forscherin.
Die Auszeichnung mit dem Arthur Schüller Preis und die damit verbundene Anerkennung empfindet Mangesius als Motivation für alle Beteiligten, neue Projekte zu entwickeln und dabei verschiedene Perspektiven einzubeziehen. Ihr Ziel ist es, vergleichbare Entscheidungsalgorithmen auch für andere neurologische Erkrankungen zu etablieren und neue neuroradiologische Marker zu finden. Derzeit laufe beispielsweise eine Studie für PatientInnen mit Multipler Sklerose in Kooperation mit der hiesigen Neurologie (Arbeitsgruppe für Bewegungsstörungen und Multiple Sklerose) in deren Rahmen ebenfalls mit den Planimetrie- und Volumetrie-Markern gearbeitet werde.
Myelin Water Imaging in der Magnetresonanztomografie wird seit Jahren eingesetzt, um bei neurologischen Erkrankungen, wie zum Beispiel Multipler Sklerose, den Myelingehalt im Gehirn zu messen. Der Physiker Christoph Birkl, Träger des Arthur-Schüller-Preises 2021, stellte in seiner Arbeit Myelin water imaging depends on white matter fiber orientation in the human brain die Methode auf den Prüfstand.
„Wir haben gesehen, dass die räumliche Orientierung der myelinisierten Nervenfasern im Gehirn in Bezug auf das Magnetfeld des Scanners einen Effekt hat“, schildert Birkl. Je nachdem, welchen Winkel die Nervenfasern zu dem Magnetfeld einnehmen, kommt es dem Wissenschafter zufolge zu einer Signalveränderung, die den Eindruck von schwankenden Myelindichten hinterlässt. „Das ist eine Schwäche der Methode. Die Orientierung der Nervenfasern muss beim Myelin Water Imaging berücksichtigt werden, sonst besteht die Gefahr unterschiedlicher Messergebnisse“, sagt Birkl. Herausgefunden hat er dies mithilfe der Kombination von Myelin Water Imaging und Diffusions Tensor Imaging, beides klinische etablierte Methoden. „Es handelt sich um eine grundlagenbasierte MR-Methoden-Arbeit, die hilft, die Feinheiten dessen besser zu verstehen, was wir mit der Magnetresonanztomografie alles messen können.“
Birkl, der an der Universitätsklinik für Neuroradiologie tätig ist, führte seine Studie im Rahmen eines Erwin Schrödinger Stipendiums zusammen mit KollegInnen in Kanada durch. Über den Arthur-Schüller-Preis freut er sich nun besonders, weil damit eine Arbeit aus der Grundlagenforschung Anerkennung gewonnen hat. „In den nächsten Jahren möchte ich auf jeden Fall im Feld der quantitativen Bildgebung von Myelin weitermachen und neue Methoden entwickeln.
(Innsbruck 21.2.2022, Text: T. Mair, Foto: MUI/D. Bullock)
Forschungsarbeiten:
BIRKL, Christoph et al.: Myelin water imaging depends on white matter fiber orientation in the human brain. In: Magn Reson Med. 2021 Apr;85(4):2221-2231. doi: 10.1002/mrm.28543. https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/mrm.28543
MANGESIUS, Stephanie et al.: Novel decision algorithm to discriminate parkinsonism with combined blood and imaging biomarkers. In: Parkinsonism & Related Disorders, Volume 77, 57 – 63. doi: 10.1016/j.parkreldis.2020.05.033 https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/32622301/
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