Drei Diplomarbeiten zu Allgemeinmedizin ausgezeichnet
Patricia Lilli Ploner, Theresa Pöll und Mateusz Zbrzezniak heißen die drei Studierenden der Medizinischen Universität Innsbruck, deren Abschlussarbeiten kürzlich mit dem Diplomarbeitsförderpreis 2021 der Österreichischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (ÖGAM) ausgezeichnet wurden. Damit erfährt auch der an der Medizinischen Universität Innsbruck neu etablierte Schwerpunkt Allgemeinmedizin eine erfreuliche Bestätigung.
Die besten Allgemeinmedizinrelevanten Arbeiten der Medizinischen Universitäten Österreichs werden von der ÖGAM seit 2014 mit dem „Förderpreis für Diplomarbeiten“ ausgezeichnet, um die allgemeinmedizinische Forschung in Österreich entsprechend zu unterstützen. Die festliche Verleihung der Urkunden und die Verlautbarung der Diplomarbeitsförderpreise 2021 im Rahmen des Grazer Kongresses für Allgemeinmedizin fiel pandemiebedingt aus. An der Medizin Uni Innsbruck durften sich aber immerhin drei Studierende über drei von insgesamt fünf Förderpreis freuen. Eingereicht werden dürfen alle allgemeinmedizinisch relevanten Diplomarbeiten der vier staatlichen und zwei privaten medizinischen Universitäten bzw. Fakultäten in Österreich.
Im Lehrangebot des Faches Humanmedizin an der Medizin Uni Innsbruck spielt die Allgemeinmedizin schon immer eine wichtige Rolle und wird nun in besonderem Maße weiter gestärkt. Im Rahmen der neuen Schwerpunktsetzung wird es ab Oktober 2022 ein Erweiterungsstudium im Umfang von 30 ECTS-Punkten geben, um Studierende umfassend auf die Arbeit als AllgemeinmedizinerInnen vorzubereiten. „Allgemeinmedizin ist mehr als eine bunte Mischung der verschiedenen Fachdisziplinen. Sie umfasst ein Gesamtkonzept, in dem Ärztinnen und Ärzte ihre Patientinnen und Patienten in einem sozialen Gefüge oft über lange Zeit betreuen. Alle Aspekte der Medizin und verwandter Disziplinen spielen hier eine Rolle“, unterstreicht Rektor Wolfgang Fleischhacker Stellenwert und Intention des Fachs.
Herbert Bachler, Präsident der Tiroler Gesellschaft für Allgemeinmedizin (TGAM) und Betreuer der Diplomarbeiten betont: „Die Medizinische Universität Innsbruck leistet hier einen wichtigen Beitrag zur Attraktivierung der Allgemeinmedizin. Deshalb bin ich sehr stolz, dass gleich drei entsprechende Diplomarbeiten von Studierenden der Medizinischen Universität Innsbruck ausgezeichnet wurden“.
In den letzten Jahren konnten bereits mehr als 20 Diplomarbeiten aus dem Fach Allgemeinmedizin an der Medizinischen Universität Innsbruck erfolgreich betreut werden. Wie vielseitig und vielschichtig die Allgemeinmedizin ist, bezeugen auch die drei, nun von der ÖGAM prämierten Diplomarbeiten, die im Folgenden kurz vorgestellt werden (in alphabetischer Reihenfolge):
Patricia Lilli Ploner: Polypharmazie bei geriatrischen Klientinnen und Klienten von ambulanten Pflegediensten in Tirol (Betreuer: Alfred Doblinger und Herbert Bachler, Institut für Allgemeinmedizin)
Auf Grundlage einer retrospektiven Querschnittsstudie analysiert diese Diplomarbeit die Medikamentenverordnungen bei Personen ab 65 Jahren, welche von einem ambulanten Pflegedienst in Tirol medizinisch betreut werden. Hintergrund ist der Umstand, dass geriatrische PatientInnen häufiger von Multimorbidität (3 oder mehr chronische Krankheiten) betroffen sind als jüngere Menschen und mehrere chronische Erkrankungen oft mit Polypharmazie (5 und mehr Präparate) vergesellschaftet sind. Dazu wurden Daten einer Stichprobe von 70 Personen mittels Fragebogen, Medikationslisten und Diagnosen ausgewertet. Die wichtigsten Ergebnisse: Bei 97 Prozent bestand eine Polypharmazie, wobei sich eine positive Korrelation zwischen Pflegstufe und Multimedikation feststellen ließ. Lediglich eine geringe Zahl der Betroffenen zeigte keine vermeintlichen Wechselwirkungen, die Autorin konnte zudem ein signifikantes Zusammenspiel zwischen lnteraktions- und Medikamentenanzahl nachweisen.
Theresa Pöll: Der Einfluss der „Stopp Corona"-App auf das Sicherheitsgefühl der Tuxer Bevölkerung (Betreuer: Herbert Bachler)
Diese Diplomarbeit verfolgte mittels Fragebogen (189 ProbandInnen aus Tux nahmen zwischen Mai und Juli 2020 teil) das Ziel, zu erfassen, ob die Stopp-Corona-App das Sicherheitsgefühl der Tuxer Bevölkerung zu Zeiten der COVID-19-Pandemie erhöhte. Die zentralen Erkenntnisse: Unter den neun Prozent der ProbandInnen, die die App installiert hatten, wurde diese als unausgereift wahrgenommen und ihr Nutzen zur Eindämmung der Pandemie angezweifelt, zudem gab es Bedenken bezüglich Datenschutz. Drei Viertel der Befragten sprachen sich gegen eine verpflichtende Installation aus. Auffallend war, dass auch Personen, die keine Erfahrung mit der App besaßen, negativ eingestellt waren. Die Diplomandin führt dies auf anfängliche Funktionsprobleme der App und deren Darstellung in den öffentlichen Medien zurück. 41 Prozent der Teilnehmenden gaben an, diese App niemals installieren zu wollen. Die Stopp-Corona-App hat somit das Sicherheitsgefühl der Tuxer BevöIkerung nicht positiv beeinflusst.
Mateusz Zbrzezniak: Therapieresistente Depressionen – eine Herausforderung in der hausärztlichen Versorgung (Betreuer: Herbert Bachler)
Das komplexe Thema der „therapieresistenten Depression" als Herausforderung in der hausärztlichen Versorgung wird in dieser Diplomarbeit anhand eines Fallbeispiels eines 58-jährigen Patienten abgehandelt, der seit seinem 25. Lebensjahr an depressiven Episoden leidet und seit 2013 in regelmäßiger hausärztlicher sowie psychotherapeutischer Betreuung ist. Der Fokus der Arbeit lag auf der Bedeutung von HausärztInnen in der Behandlung depressiver PatientInnen und damit einhergehender Probleme. Aufgrund der Vielfalt möglicher Symptome und somatischer Komorbiditäten erweist sich die Diagnostik oft als schwierig. Betroffene sprechen oft auf unterschiedliche Therapien gar nicht oder nur partiell an, die Genesung ist häufig langwierig. Um einen Einblick in das Krankheitsbild therapieresistenter Depressionen zu erlangen, ging der Diplomand in Verbindung mit dem vorliegenden Patientenfall auch auf verschiedene Aspekte dieser Erkrankung, leitliniengerechte Diagnostik und Therapien ein.
Auch heuer können noch bis zum 15. September 2022 Allgemeinmedizinisch relevante Diplomarbeiten an den Medizinischen Universitäten für den Förderpreis 2022 eingereicht werden.
(16.02.2022, Text: D. Heidegger, Foto: MUI/Lechner)
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