Patient Reported Outcomes bei PatientInnen mit Myelodysplastischen Syndromen
Die persönliche Krankheitswahrnehmung hat in einer Medizin, die PatientInnen in den Mittelpunkt stellt, wesentlichen Einfluss auf Prognose und Therapieentscheidungen. Im Zuge des EU-Projekts MDS-RIGHT hat eine Gruppe um Reinhard Stauder nun Kriterien definiert, wie Patient Reported Outcomes bei PatientInnen mit Myelodysplastischen Syndromen (MDS) erfasst und in der individualisierten Betreuung und Therapieplanung berücksichtigt werden sollten.
Die Entwicklung und Integration von PatientInnen-berichteten Endpunkten (Patient Reported Outcomes, PROs) ist ein wesentlicher Bestandteil der personalisierten Medizin. Im Rahmen von MDS-RIGHT, einem HORIZON 2020 Projekt der EU-Kommission, hat eine Gruppe von ExpertInnen mit Reinhard Stauder von der Universitätsklinik für Innere Medizin V (Direktor: Dominik Wolf), als Work Package Leader in Kooperation mit Uwe Siebert (UMIT TIROL) erstmals ein Core Outcome Set (COS) für PatientInnen mit Myelodysplastischen Syndromen (MDS) entwickelt und im British Journal of Hematology publiziert. Im September dieses Jahres brachte die Gruppe, die sich aus HämatologInnen aus 17 europäischen Staaten und Israel aus dem EUMDS Registry (Europäisches MDS Register) zusammensetzt, das Projekt mit einer Studie im Fachjournal Blood Advances und einem Bericht an die Europäische Kommission erfolgreich zum Abschluss.
Verschiedene Subtypen von MDS sind gekennzeichnet durch langjährige Verläufe mit deutlichen Einschränkungen der Lebensqualität und der funktionellen Aktivitäten. Für diese PatientInnen braucht es im klinische Alltag und in Studien neue Endpunkte. „Das Gesamtüberleben per se ist kein zufriedenstellender Parameter, weil die Betroffenen zwar oft lange leben, aber an belastender Fatigue und unter Beeinträchtigungen im Alltag und in ihrem sozialen Leben leiden. Ziel der Therapie ist es daher, die gesundheitsbezogene Lebensqualität und die funktionalen Aktivitäten der Patientinnen und Patienten zu stabilisieren und zu verbessern“, erklärt Stauder die Zielsetzung laufender Projekte. „Uns interessiert die Meinung und die Wahrnehmung unserer Patientinnen und Patienten.“ Es wurden deshalb mit Hilfe einer Delphi-Studie PatientInnen mit MDS und MDS-ExpertInnen aus Europa und Israel parallel befragt, um die core PROs für MDS zu definieren. Dabei wurden die gesundheitsbezogene Lebensqualität (HRQoL), die Belastung durch die Gabe von Blutprodukten und die Fähigkeit zu Arbeiten und die Aktivitäten des täglichen Lebens auszuführen, als die wichtigsten PROs identifiziert.
„Nun geht es aktuell darum, PROs und MDS-spezifische Fragebögen zu validieren und die Determinanten für eine Verschlechterung der Lebensqualität zu definieren, um dann möglichst frühzeitig und gezielt intervenieren zu können“, sagt Stauder. Es zeichne sich ab, dass neben Alter, Vorerkrankungen und Transfusionsbedarf auch das Geschlecht eine wichtige Rolle in der Risikobewertung spielt. „Frauen mit MDS nehmen ihre Lebensqualität oft als eingeschränkter wahr als vergleichbare männliche Patienten, was einen typischen Genderaspekt darstellt.“
An der Universitätsklinik für Innere Medizin V arbeitet Stauder mit seinem Team in Kooperation mit Gerhard Rumpold und Bernhard Holzner von der Universitätsklinik für Psychiatrie II und dem Tiroler Unternehmen ESD aktuell in einer Pilotstudie daran, elektronische PROs (ePROs) bei MDS zu implementieren. Die Online-Erhebung von PROs ermöglicht die Erfassung longitudinaler Verläufe und eine engmaschigere Kontrolle, vor allem auch während der Pandemie, ohne dass die Betroffenen regelmäßig persönlich in der Klinik vorstellig werden müssen. Dank automatisierter Rückmeldungen können sie zudem Selbsthilfehinweise erhalten, die bei spezifischen Symptomen und Beschwerden individuelle Hilfestellung bieten können.
Bei MDS handelt es sich um klonale Erkrankungen des Knochenmarks, die durch eine oder mehrere Zytopenien und deren klinische Symptome charakterisiert sind. Es besteht zudem das Risiko des Übergangs in eine akute Leukämie. In der Behandlung stehen supportive Therapien, u.a. mit hämatopoetischen Wachstums- und Differenzierungsfaktoren, die Eisenchelation und die Transfusion von Erythrozyten und Thrombozyten zur Verfügung. Je nach dem jeweiligen Subtyp kommen immunmodulatorische, demethylierende oder zielgerichtete Therapien oder klassische Chemotherapeutika zur Anwendung. Bei jüngeren Betroffenen kann auch eine allogene Stammzelltransplantation in Erwägung gezogen werden. Die Inzidenz liegt bei fünf bis zehn PatientInnen pro 100.000 Einwohner pro Jahr, wobei diese mit zunehmenden Alter stark ansteigt. Stauder zufolge werden in Tirol pro Jahr etwa 40 bis 80 Neudiagnosen gestellt.
(14. Dezember 2021, Text: T. Mair, Bild: AdobeStock)
Wissenschaftliche Arbeiten:
Stojkov I., et al.: Core set of patient reported outcomes for MDS: an EUMDS Delphi study involving patients and hematologists, Blood Adv. 2021 Sep 7: https://doi.org/10.1182/bloodadvances.2021004568
Rochau U, Stojkov I, Conrads-Frank A, Borba HH, Koinig KA, Arvandi M, van Marrewijk C, Garelius H, Germing U, Symeonidis A, Sanz GF, Fenaux P, de Witte T, Efficace F, Siebert U, Stauder R; Development of a core outcome set for myelodysplastic syndromes - a Delphi study from the EUMDS Registry Group, British Journal of Hematology 2020; 191: 405-17; https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/32410281/
Wouters HJCM, Conrads-Frank A, Koinig KA, Smith A, Yu G, de Witte T, Wolffenbuttel BHR, Huls G, Siebert U, Stauder R, van der Klauw MM. The anemia-independent impact of myelodysplastic syndromes on health-related quality of life. Ann Hematol. 2021 Sep 2. doi: 10.1007/s00277-021-04654-1, https://link.springer.com/article/10.1007/s00277-021-04654-1
Weiterführende Links:
MDS-RIGHT
Univ.-Klinik für Innere Medizin V
European Myelodysplastic Syndromes (MDS) Registry