α-Synuclein verlässlich in Nasenabstrich nachgewiesen
Mehr als 80 Prozent der PatientInnen mit REM-Schlaf-Verhaltensstörung erkranken im Laufe der Zeit an einem Parkinson Syndrom, Demenz mit Lewy-Körpern oder Multisystematrophie. In einer Studie, die Ambra Stefani an der Universitätsklinik für Neurologie der Medizinischen Universität Innsbruck initiiert hat, wurde nun einen vielversprechenden Nasenabstrich erprobt, der künftig als Biomarker eingesetzt werden könnte. Die Fachjournale Brain und The Lancet Neurology berichteten.
Die meisten Menschen mit einer REM-Schlaf-Verhaltensstörung* (Parasomnie im REM-Schlaf) entwickeln im Laufe der Zeit eine so genannte α-Synucleinopathie, welche zu neurodegenerativen Erkrankungen wie Morbus Parkinson, Demenz mit Lewy-Körpern (DLB) oder der selteneren Multisystematrophie (MSA) führt. Wie groß im Einzelfall die Zeitspanne ab der Diagnose der REM-Schlaf-Verhaltensstörung bis zum Ausbruch der Erkrankung ist – ob es Monate, oder Jahrzehnte dauert -, kann jedoch bisher nicht vorhergesagt werden. WissenschafterInnen wie Ambra Stefani vom Schlaflabor (Leiterin: Birgit Högl) an der Universitätsklinik für Neurologie in Innsbruck (Direktor: Stefan Kiechl) suchen daher fieberhaft nach Biomarkern, die eine solche Prognose erlauben. Denn eine exakte Einschätzung des Krankheitsfortschritts könnte Wege für die Entwicklung von Therapien erschließen, die künftig ein frühzeitiges Eingreifen in den Krankheitsverlauf ermöglichen.
Ein Schritt in diese Richtung ist nun gelungen. Im April 2021 veröffentlichte das Fachjournal Brain eine Forschungsarbeit, die auf Initiative von Ambra Stefani entstanden ist. Darin wurde ein Nasensabstrich als Methode präsentiert, um schonend Hirnnervenzellen zu gewinnen, die danach auf das Vorhandensein von α-Synuclein analysiert werden. Die Studie ist das Ergebnis einer Kollaboration von WissenschafterInnen aus Innsbruck, Barcelona (Spanien) und Verona (Italien) und ist nun auch in einer kürzlich erschienenen Übersichtsarbeit der International RBD-Study-Group im renommierten Fachjournal The Lancet Neurology aufgenommen worden. Darin sind Biomarker aufgelistet, die in Studien bei PatientInnen mit REM-Schlaf-Verhaltensstörung angewandt werden, um deren Risiko für eine α-Synucleinopathie einschätzen zu können, darunter diagnostische, prognostische, solche, die eine Aussage zur Therapieantwort machen und kombinierte Biomarker.
BU: Ambra Stefani vom Schlaflabor an der Uniklinik für Neurologie hat die Studie initiiert und koordiniert.
"Bei der Entwicklung von neurodegenerativen Erkrankungen wie Parkinson, DLB und MSA sammelt sich die pathologische Form des Eiweißes α-Synuclein im Gehirn an. Das führt dazu, dass dort sukzessive die Nervenzellen zugrunde gehen“, erklärt Stefani. Eine pathologische α-Synuclein-Ablagerung könne zwar auch z.B. in Haut, Darm und Liquor festgestellt werden, doch die notwendigen Interventionen, wie Biopsien, um diese Gewebe zu gewinnen, seien für PatientInnen oft belastend bzw. könnten aus unterschiedlichen Gründen, wie eine bestehende Blutverdünnung nicht durchgeführt werden. "Die Untersuchung der Riechschleimhaut am Nasendach ist jedoch bei allen Patienten machbar. Es gibt keine Risiken, keine Kontraindikation und die Probengewinnung dauert nur wenige Minuten. Durch die Rhinoskopie können Tausende Nervenzellen der Riechschleimhaut gewonnen werden. Man könnte sie in Zukunft vielleicht als Screeningmethode einsetzen. Der Nasenabstrich-Test könnte auch dabei helfen, Subgruppen zu identifizieren, deren Krankheit sich in eine bestimmte Richtung entwickelt", erläutert die Forscherin die Vorteile.
Stefani hat die Untersuchungen in Innsbruck koordiniert, an der neben KollegInnen des Schlaflabors auch Joachim Schmutzhard von der Uniklinik für HNO und die Gruppe um die Parkinson-Experten Werner Poewe und Klaus Seppi mitgewirkt haben. Insgesamt sind in Innsbruck und Barcelona von 63 PatientInnen mit REM-Schlaf-Verhaltensstörung, 41 Parkinson-PatientInnen sowie einer Kontrollgruppe mit 59 gesunden ProbandInnen Nasenabstriche abgenommen worden. Die Auswertung mittels RT-QUIC-Analyse, die ursprünglich für die Auffindung von Prionen entwickelt wurde, übernahm das Labor von Gianluigi Zanusso in Verona. 45 Prozent der Tests lieferten ein positives Ergebnis auf α-Synuclein.
BU: Mittels Rhinoskopie können Tausende Nervenzellen aus der Riechschleimhaut gewonnen werden.
Vorerst handelt es sich bei dem Nasenabstrich um einen Test, welcher derzeit nur im Forschungsbereich eingesetzt wird. Denn die Frage, wie die Resultate zu interpretieren sind, bleibt zunächst offen. "Es wird erwartet, dass diese Untersuchung helfen wird, die zeitliche Dynamik der pathologischen α-Synuclein-Aggregation in der Riechschleimhaut weiter zu erklären, sowie deren Assoziation mit Phänokonversion", vermutet Stefani. Es könne aber auch generell bedeuten, dass PatientInnen mit und ohne pathologischem alpha-Synuclein in der Riechschleimhaut sich in unterschiedlichen Stadien der α-Synucleinopathie befinden. Um der Klärung dieser offenen Punkte näherzukommen, ist zeitnah eine Folgestudie geplant.
(2. Nov. 2021, Text: T. Mair, Bilder: AdobeStock, MUI/D. Heidegger, Grafik: Zanusso)
*REM-Schlaf-Verhaltensstörung:
Menschen, die von REM-Schlaf-Verhaltensstörung betroffen sind, haben sehr lebhafte Träume, meist mit negativem Inhalt. Im Gegensatz zu Menschen mit gesundem Traumschlaf sind die Muskeln von Betroffenen im Traum nicht gelähmt, d.h. sie bewegen sich zu den Träumen, schlagen mitunter um sich, was ein beträchtliches Verletzungsrisiko für die PatientInnen und deren PartnerInnen birgt. ExpertInnen schätzen, dass 1 bis 1,5 Prozent der Bevölkerung – den Hauptteil machen Männer ab 50 Jahren aus – von einer REM-Schlaf-Verhaltensstörung betroffen sind. Von einer hohen Dunkelziffer ist auszugehen, zumal für eine exakte Diagnose eine Video-Polysomnografie im Schlaflabor erforderlich ist. Über 80 Prozent der PatientInnen entwickeln im Laufe der Zeit eine α-Synucleinopathie.
Forschungsarbeiten:
Alpha-synuclein seeds in olfactory mucosa of patients with isolated REM sleep behaviour disorder. Brain, 7. Mai 2021, DOI: 10.1093/brain/awab005
Biomarkers of conversion to α-synucleinopathy in isolated rapid-eye-movement sleep behaviour disorder. The Lancet Neurology, 8. August 2021, https://doi.org/10.1016/S1474-4422(21)00176-9
Weitere Links:
MUI Scientist to watch – Ambra Stefani
Schlaflabor an der Uniklinik für Neurologie
Universitätsklinik für Neurologie