Wichtiger Preis für Genetiker an der Gerichtsmedizin
Die Deutsche Gesellschaft für Rechtsmedizin honoriert alljährlich ForscherInnen, die einen wichtigen wissenschaftlichen Beitrag zur Rechtsmedizin erbringen, mit dem Konrad-Händel-Stiftungspreis. 2021 hat sie Martin Bodner von der Medizinischen Universität Innsbruck für seine Leistungen als Wächter der STRidER-Datenbank auserkoren.
„Unser Ziel sind korrekte Daten. Wir wollen die Qualitätskontrolle mit der größten Verantwortung machen“, sagt Martin Bodner. Denn in der Gerichtsmedizin entscheide das letztlich über Menschenleben. Der Genetiker wacht im Fachbereich Forensische Genomik am Institut für Gerichtliche Medizin (Direktor: Richard Scheithauer) über die Einträge in die renommierte, in Innsbruck verortete DNA-Frequenzdatenbank STRidER (STRs for Identity Referenzdatenbank des Netzwerks der Europäischen Forensischen Institute). Die Deutsche Gesellschaft für Rechtsmedizin (DGRM) würdigte seinen wissenschaftlichen Einsatz nun mit dem angesehenen Konrad-Händel-Stiftungspreis 2021.
Es freut Bodner sehr, dass er genau auf der 100. Jahrestagung der DGRM am 14. September in München für seine wissenschaftliche Arbeit ausgezeichnet wurde. Noch dazu, weil Carl Ipsen, einst Ordinarius am Institut für Gerichtliche Medizin und Rektor der Universität Innsbruck, im Jahr 1904 die DGRM mitbegründete. „Es ist schön, dass wir in Innsbruck schon vor mehr als 100 Jahren ein so herausragendes gerichtsmedizinisches Institut hatten. Der Preis ist ein persönlicher Ansporn und eine tolle Auszeichnung, die die Bedeutung der Zusammenarbeit von Naturwissenschaft und Medizin unterstreicht“, findet der Geehrte. Den Festvortrag hielt er zu „seinem“ Thema: „DNA-Frequenzdatenbanken: von der Populationsgenetik zur forensischen Anwendung".
BU: Martin Bodner mit Margarete Basler, Vorsitzende des Kuratoriums der Konrad-Händel-Stiftung, (c)Rechtsmedizin München
In seiner Funktion als Kurator der STRidER-Datenbank, an deren Aufbau und Etablierung er seit 2016 mitgewirkt hat, kontrolliert Bodner alle eingereichten Datensätze auf deren Korrektheit noch bevor sie aufgenommen werden. Doch korrekt sind leider die wenigsten: „Die Frequenzdaten werden in der Bewertung nahezu jedes gerichtsmedizinischen DNA-Untersuchungsergebnisses gebraucht. Nach den ersten zwei Jahren haben wir uns in einem „STRidER-Report“ das Gesamtbild angeschaut und gesehen, wie erschreckend notwendig die Qualitätskontrolle ist. Von drei einlangenden Datensätzen müssen wir zwei entweder ablehnen, oder die KollegInnen ziehen sie nach unserem ersten Feedback von sich aus zurück“, schildert er. Für manche sei dies frustrierend, der Großteil ist ihm zufolge aber auch dankbar, zumal die Datenüberprüfung kostenlos ist und immer mit einem ausführlichen, erklärenden Schriftverkehr einhergeht. „Der Sinn ist, die Aufmerksamkeit der Forscherinnen und Forscher auf Datenqualität bei Populationsstudien zu legen. Wir zeigen, wo die Fehlerquellen liegen. Denn, wenn man häufige Fehler kennt, kann man sie vermeiden“, erklärt er. Meistens handle es sich um kleinere Ungenauigkeiten, sei es beim Rechnen, Übertragen oder Sammeln der Daten, oder Tippfehler. Im schlimmsten Fall könnten ungenaue oder gar unrichtige Daten die Ergebnisse aber gravierend verfälschen.
In der öffentlichen, für WissenschafterInnen aus aller Welt frei zugänglichen Datenbank STRidER werden Daten zur Bewertung „des wichtigsten forensisch-genetischen Merkmals, des „DNA-Fingerabdrucks“, abgelegt“, so der Forscher. Autosomale STRs (= short tandem repeats in der Kern-DNA) werden u.a. zur Identifizierung von Personen, bei Vaterschaftstests oder ungelösten Straftaten untersucht. Wichtig ist, dass es sich hier um Merkmale handelt, die in verschiedenen Ausprägungen (Allelen) und Häufigkeiten (Frequenzen) vorkommen, aber nicht codierend, also „genetisch stumm“ sind. Das bedeutet, dass dieser „Fingerabdruck“ jeder Person zwar einzigartig ist, aber keine Rückschlüsse auf äußerliche Merkmale, wie z.B. Haar- oder Augenfarbe der betreffenden Individuen zulässt. Die Datensätze in STRidER dienen der statistischen Bewertung von Treffern. „In verschiedenen geografischen Regionen kommen die Varianten von STRs unterschiedlich häufig vor. Naturgemäß haben jene, die selten auftreten, mehr Beweiskraft als häufige“, erläutert der Forscher.
Üblicherweise werden der „genetische Fingerabdruck“ und die mütterlichen (mitochondriale DNA) bzw. väterlichen (Y-chromosomale DNA) Erblinien getrennt betrachtet. „Ich habe vor zehn Jahren begonnen, mir zusätzlich zur mitochondrialen DNA auch autosomale STRs anzuschauen und Methoden zur Qualitätssicherung zu verbinden. Alles, was gerichtliche Relevanz hat, muss korrekt ermittelt und dokumentiert sein. Das gilt in der Genetik und auch in allen anderen Bereichen der Gerichtsmedizin, wie der Morphologie und Toxikologie. Qualitätskontrolle ist einer der wichtigsten Aspekte und einer unserer Forschungsschwerpunkte“, betont Bodner.
Aufgrund der bereits genannten hohen Fehlerquote wachse die STRidER-Datenbank zwar nur langsam, aber sie wächst, und zwar mit qualitativ hochwertigen Daten. Nicht zuletzt auch, weil mittlerweile die HerausgeberInnen des wichtigsten forensisch-genetischen Fachjournals, FSI:Genetics, von den AutorInnen von STR-Populationsstudien eine Bescheinigung verlangen, dass die Daten den STRidER-Anforderungen gerecht werden. Nur damit dürfen die Arbeiten überhaupt erst eingereicht werden. Dasselbe gilt übrigens auch für die von Bodners Arbeitsgruppenleiter Walther Parson aufgebaute EMPOP-Datenbank für mitochondriale DNA, die seit langem weltweit führend ist.
(Innsbruck, 11.10.2021, Text: T. Mair, Bilder: Rechtsmedizin München, Portrait: D. Bullock)
Steckbrief:
Der Tiroler Martin Bodner hat an den Universitäten Innsbruck und Wien Molekular- und Mikrobiologie studiert und ein PhD-Studium in Genetik an der Medizinischen Universität Innsbruck erfolgreich absolviert. Seit 2007 ist er am Institut für Gerichtliche Medizin tätig, inzwischen als Senior Scientist im Fachbereich Forensische Genomik von Walther Parson. 2013 wurde er für eine populationsgenetische Studie über die Besiedelung Südamerikas aus seiner Dissertation mit dem Theodor-Körner-Preis ausgezeichnet. Aktuell ist Bodner unter anderem Mitglied einer Arbeitsgruppe zur Ausarbeitung eines Nomenklatursystems für STR-Sequenzdaten der International Society for Forensic Genetics (ISFG).
Weiterführende Links:
https://www.dgrm.de/die-dgrm/ehrungen Konrad-Händel-Stiftungspreis für Rechtsmedizin
https://strider.online/ STRidER-Datenbank
https://www.isfg.org/Working+Groups/DNA+Commission DNA-Commission der International Society for Forensic Genetics
https://i-med.ac.at/mypoint/news/673080.html MyPoint-Bericht zur Verleihung des Theodor-Körner-Preises an Martin Bodner 2013
https://gerichtsmedizin.at/ Institut für Gerichtliche Medizin Innsbruck