Mol-Med-Studierende zeigen wie: Evolution im Reagenzglas revisited.
Studierende der Molekularen Medizin an der Medizin Uni Innsbruck replizieren RNA mithilfe eines Enzyms, das wiederum nur aus RNA besteht, und zeigen so im Labor, wie sich das Leben vor fast vier Milliarden Jahren entwickelt haben könnte. Ein Experiment, das vor einigen Jahren für weltweites Aufsehen sorgte.
Die Ribonukleinsäure (Englisch: RNA) ist zurzeit in aller Munde. Nicht nur, dass das Covid-19 Virus seine genetische Information auf Ebene der RNA speichert (im Gegensatz zu den meisten Organismen, die dafür die DNA verwenden), sondern auch, dass mittlerweile in der Krebstherapie und zur Immunisierung gegen das Covid-19 Virus RNA Impfstoffe eingesetzt werden. Doch RNA Moleküle können noch viel mehr:
Spalten und zusammenfügen
Nach einer „frühen RNA Welt“ Hypothese (early RNA world hypothesis) waren RNA Moleküle noch vor DNA Molekülen und Proteinen vor ca. 3.8 Mrd Jahren auf der Erde vorhanden. Stanley Miller und Harold Urey konnten an der University of Chicago 1953 in ihrem berühmten „Ursuppenexperiment“ nachweisen, dass sich aus einem Gasgemisch, das der Uratmosphäre sehr ähnlich gewesen sein soll (d.h bestehend aus H2O, H2, CH4 und NH3), mit Hilfe von künstlich induzierten Blitzen die Bestandteile der RNA, sogenannte RNA Basen (Adenin, Guanin, Cytosin und Uracil) bilden konnten. Durch die spontane Polymerisierung von diesen RNA Bausteinen könnten damit auch längere RNA Moleküle entstanden sein. Doch man müsste mehrere Postulate aufstellen um diesen RNA Molekülen nun eine führende Rolle bei der Entstehung von Leben zuzuordnen.
Eine wichtige Funktion von RNA Molekülen müsste nämlich sein, dass sie die katalytische Funktion von Proteinen, die diese heute ausüben, hätten innehaben müssen. Diese Funktion wird in der Tat auch heute noch beobachtet, allerdings sind die heutigen RNA Moleküle, die als RNA Enzyme oder Ribozyme bezeichnet werden, zu relativ wenigen katalytischen Reaktionen in der Lage: eine davon ist, dass RNA autokatalytisch in der Lage ist sich selbst zu spalten und wieder zusammenzufügen, einen Entdeckung die 1989 mit dem Nobelpreis an Sid Altman und Thomas Cech gewürdigt wurde.
Lebensähnliche Eigenschaften
Eine bloße Spaltung von Nukleinsäureketten ist allerdings nicht ausreichend, um diesen Molekülen „lebensähnliche“ Eigenschaften zuzuordnen. Eine Haupteigenschaft von lebenden Organismen ist dabei, dass sie sich vermehren können müssen. Für die RNA müsste das bedeuten, dass RNA Moleküle existieren hätten müssen, die in der Lage gewesen sind sich selbst zu replizieren oder andere Moleküle aus den Einzelbausteinen der RNA zu synthetisieren. Diese Funktion wird heute von Proteinen, sogenannten RNA Polymerasen, übernommen; natürlicherweise existieren heutzutage aber keine RNA Moleküle mehr, welche in der Lage sind als RNA Polymerasen zu fungieren. Doch da kommt die sogenannte in vitro Selektion oder SELEX Methode ins Spiel. Diese Methode wurde ursprünglich von Larry Gold und MitarbeiterInnen von der Universität Colorado Boulder entwickelt: im Reagenzglas konnten damit innerhalb weniger Wochen mittels Mutation, Amplifikation und Selektion (die Merkmale der Evolution) RNA Moleküle isoliert werden, welche in der Lage waren vielfältigste chemische Reaktionen zu katalysieren, welche heute alle von Proteinen übernommen werden.
Replikation der RNA
Für die Darstellung von Leben fehlte eine Reaktion: die Replikation der RNA selbst und dadurch eine Vermehrung von RNA Molekülen als ein Hauptmerkmal des Lebens. Die Arbeitsgruppe von David Bartel vom MIT in Boston war dann aber 2001 zum ersten Mal in der Lage mittels der SELEX Methode eine RNA zu isolieren welche ohne Proteine in der Lage war 11 RNA Bausteine, abhängig von einer RNA Matrize, basengenau zu synthetisieren und damit als RNA Polymerase zu fungieren. Im Jahre 2016 konnte dann die Arbeitsgruppe von Gerald Joyce (The Scripps Research Institute, La Jolla, San Diego, USA) zeigen, dass mittels dieser Methode auch RNA Moleküle isoliert werden konnten, welche nicht nur eine Selbstreplikation katalysieren konnten mit einer Länge der RNA von bis zu 100 RNA Bausteinen, sondern auch in der Lage waren andere katalytische RNAs zu synthetisieren, eine Reaktion die vermutlich das erste Mal vor ca. 3.8 Mrd. Jahren stattgefunden hat und anschließend von Proteinen übernommen wurde.
Fast vier Milliarden Jahre später
Im Zuge des Wahlmoduls Molekulare Medizin: Genetik-Epigenetik-Genomik wurde dieses Experiment im Sommersemester 2020 nun, 3.8 Mrd. Jahre später, wiederholt. Nach Kontaktaufnahme von Alexander Hüttenhofer mit seinem Kollegen aus San Diego, Gerald Joyce, wurde den Molekularen Medizin StudentInnen von David Hornig und Gerald Joyce eine mittels SELEX produzierte RNA Polymerase zur Verfügung gestellt, welche nun verwendet werden konnten um in Abwesenheit von Proteinen, eine weitere katalytisch aktive RNA (eine sogenannte Hammerhead RNA von 50 Nukleotiden Länge) zu synthetisieren. Unter der tatkräftigen Unterstützung von Matthias Erlacher und Melanie Ploner vom Institut für Genomik und RNomik wurde mit diesem sehr anspruchsvollen Experiment damit von den StudentInnen der Molekularen Medizin ein weiterer wichtiger Hinweis für die Richtigkeit einer „early RNA world“ Hypothese über die Entstehung des Lebens erbracht.
Foto: mittels einer RNA basierten RNA Polymerase (+ RNA Polymerase) wurde eine weitere katalytisch aktive RNA im Reagenzglas synthetisiert , ein sogenanntes Hammer-Head Ribozym (weißer Pfeil), das in der Lage ist andere RNA Moleküle zu schneiden.
(26.11.2020; Alexander Hüttenhofer; Fotos: Institut für Genomik und RNomik)
Publikationen zum Thema:
Synthetisieren von RNA Enzymen, beschrieben in „Hornig und Joyce, PNAS 2016; Thijung et al., PNAS 2020“
Horning DP, Joyce GF. Amplification of RNA by an RNA polymerase ribozyme. Proceedings of the National Academy of Sciences. National Academy of Sciences; 2016 Aug 30;113(35):9786–91.
Tjhung KF, Shokhirev MN, Horning DP, Joyce GF. An RNA polymerase ribozyme that synthesizes its own ancestor. Proceedings of the National Academy of Sciences. National Academy of Sciences; 2020 Feb 11;117(6):2906–13.
Links und Infos:
Studium Molekulare Medizin (Bachelor)
Studium Molekulare Medizin (Master)
Institut für Genomik und RNomik