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Gustav Fraedrich „Ich wollte immer ein operatives Fach ausüben.“

Wenn berufene Professorinnen und Professoren der Medizinischen Universität Innsbruck in den Ruhestand treten, hat man schon Einiges, aber längst nicht alles über sie erfahren. Lesen Sie hier, was Sie immer schon von und über Gustav Fraedrich wissen wollten.

Sie waren fast 25 Jahre lang Direktor der Innsbrucker Univ.-Klinik für Gefäßchirurgie. Ihre Klinik feiert heuer auch ihr 25jähriges Jubiläum, wurde mit ihrer Berufung quasi auch gegründet. Wenn Sie sich an ihrer Karriere, die von Gießen über Freiburg nach Innsbruck führte erinnern, was waren besondere Highlights?

Angefangen habe ich ja in der Herz- und Gefäßchirurgie. Dadurch hatte ich die Chance, dass ich in beiden Fächern nach dem Ende meines Studium 1975 die Zeit erlebt habe, in der sich diese wirklich etabliert haben. In der Gefäßchirurgie sind die Operationen immer diffiziler geworden und ab den 90er Jahren haben sich die Gefäßinterventionen mittels Katheter qualitativ und quantitativ etabliert.

Ich habe Glück gehabt, dass ich aus einer Klinik nach Innsbruck gekommen bin, aus Freiburg, in der die interventionelle Radiologie sehr früh etabliert worden war. In Innsbruck habe ich dann mit Prof. Werner Jaschke und seinem Team jemanden vorgefunden, der diese Methode ebenfalls sehr früh hier eingeführt hat. Gemeinsam konnten wir die moderne Gefäßmedizin weiterentwickeln.

Die Innsbrucker Univ.-Klinik für Gefäßchirurgie ist mittlerweile eines der größten Zentren für Gefäßchirurgie im deutschsprachigen Raum. Warum haben Sie sich für dieses Fach entschieden?

Dass ich immer ein operatives Fach ausüben wollte, war schon während des Studiums klar. Ausgebildet wurde ich in der klassischen Chirurgie mit späterer Spezialisierung in Herz-, Thorax und Gefäßchirurgie. Es war dann Schicksal oder Zufall, dass ich den Ruf nach Innsbruck für die Gefäßchirurgie bekommen habe. Allerdings, das muss ich zugeben, habe ich die Gefäßchirurgie als das breitere Fach – man operiert in allen Regionen des Körpers – immer favorisiert.

Wenn Sie an ihre Karriere denken, was war eine der größten Herausforderungen?

Sicherlich die Chefposition. Ich habe die klassische Entwicklung und Karriere gemacht: Im Laufe der Zeit immer mehr und mehr Aufgaben sowie Verantwortungen übernommen und wurde von meinen zwei Vorgesetzten gefördert. Aber der Moment, in dem man Chef geworden ist, das ist nochmal eine ganz andere Situation. Sie können im Team arbeiten und ich habe hier in Innsbruck ein sehr gutes Team gehabt, aber letztendlich sind sie die letzte Instanz von der auch erwartet wird, dass sie bereit ist Entscheidungen zu treffen sowie Verantwortung zu übernehmen.

Wenn Sie an ihre Forschungsarbeiten denken, welche Projekte waren Ihnen am wichtigsten?

Einmal meine Habilitation, die sich mit fremdblutsparenden Maßnahmen in der Herz- und Gefäßchirurgie beschäftigte. Damit habe ich mich nicht nur habilitiert, sondern mir international einen Namen gemacht. Der Fokus lag überwiegend in der klinischen Forschung. In Innsbruck haben wir einen weltweit ausgezeichneten Ruf in den Bereichen der Behandlung von Einengungen der Halsschlager oder der Aneurysmachirurgie. Ich denke diese Arbeiten sind auch ein Grund, warum ich Ehrenmitglied der Amerikanischen Gesellschaft geworden bin und zwischenzeitlich Präsident der Europäischen Gesellschaft war.

Kurz vor ihrer Pensionierung haben Sie noch die Covid-19-Pandemie miterlebt, was hat das für Sie konkret bedeutet? Wie sehen Sie die Infektionen aus Sicht der Gefäßchirurgie?

Prinzipiell ist diese Covid-19-Pandemie aufgrund des Ausmaßes und dem verhältnismäßig geringen Wissenstand erschreckend. Mir persönlich hat es den Übergang in die Pension erleichtert, weil ich gezwungenermaßen die letzten drei Monate nur gebremst Arbeiten konnte. Wir mussten unsere PatientInnenzahlen ja dramatisch reduzieren. Andererseits ist es so, dass Covid-Patientinnen und Patienten auch vermehrt Gefäßprobleme entwickeln, die sich allerdings, so wie es im Moment aussieht, eher im Kleinstgefäßbereich und der Blutgerinnung abspielen, ähnlich wie wir es bei Diabetikern oder PatientInnen mit Gefäßentzündungen kennen. Aus gefäßchirurgischer Sicht gibt es aktuell noch nicht so viel was wir machen können, aber es ist durchaus möglich, dass nach überstandener Covid-Erkrankung die Gefäße geschädigt sind.

Was sind ihre weiteren Pläne für die nächste Zeit?

Ich will die Geschichte der Innsbrucker Gefäßchirurgie aufarbeiten. Fritz Judmaier und Gerhard Flora haben bereits sehr früh -  wir sprechen hier von den 1960er Jahren - die Bedeutung der Gefäßchirurgie erkannt. Flora war neben seiner Bergrettungstätigkeit auch als Gefäßtraumatologe international anerkannt. Darüber hinaus bin ich noch zuständig für die Facharztausbildung in Österreich sowie in einer Organisation zur Qualitätskontrolle für Krankenhäuser tätig. Ich bin auch weiterhin in Forschungsprojekte, wie etwa zur Karotisstenose, involviert, sitze weiter im Steurungsausschüssen von vier randomisierten Studien mit den Daten von mehr als 6.000 PatientInnen. Der Idee einer Privatpraxis, wie es viele meiner KollegInnen machen, möchte ich nicht folgen. Ich bin der Meinung, dass man ein operatives Fach wie die Gefäßchirurgie ganz oder gar nicht betreiben sollte.

Sie sind in Deutschland und Frankreich zur Schule gegangen, haben auch in beiden Ländern studiert, dementsprechend sprechen Sie fließend Französisch. Gibt es immer noch eine besondere Beziehung zur Frankreich?

Eigentlich wenig, ich fahre gerne dorthin auf Urlaub, speziell in die Bretagne. Ich habe auch ein paar französische Kollegen mit denen ich näher befreundet bin. Da ich französisch spreche, ist der Kontakt ein ganz anderer als wenn man sich am Rande einer Konferenz auf Englisch austauscht. Nach so vielen Jahren aber, ich habe an keinem Ort so lange gelebt wie in Innsbruck, ist mein Lebensmittelpunkt hier. Von meinen vier Kindern leben drei hier. Von meinen fünf Enkeln sind vier in Tirol, wir haben ein schönes Haus und die Gegend ist auch nicht so schlecht – da stimmen Sie mir doch zu?

Zur Person:

Gustav Fraedrich wurde 1951 in Heilbronn (D) geboren. Nach dem Medizinstudium begann seine universitäre Laufbahn in Gießen zunächst als Medizinalassistent. Nach seiner Facharztausbildung in Chirurgie und Gefäßchirurgie wechselte Fraedrich 1985 an die Abteilung für Herz- und Gefäßchirurgie des Universitätsklinikums Freiburg. Dort schloss er eine weitere Fachausbildung im Bereich Thorax- und Kardiovaskularchirurgie an und wurde 1990 zum leitenden Oberarzt ernannt. Ein Jahr später habilitierte er sich für Chirurgie, 1996 folgte er dem Ruf nach Innsbruck. Wissenschaftlich kann Prof. Fraedrich auf 260 Originalarbeiten (IF 505,274 seit 2010), 49 Buchbeiträge 190 publizierte Abstracts und rund 490 wissenschaftliche Vorträge verweisen.

Darüber hinaus war Fraedrich schon als Student immer hochschulpolitisch aktiv. Von 2000 bis 2005 war Gustav Fraedrich Vertreter in der kollegialen Führung der Universitätskliniken Innsbruck. Von 2006 bis 2008 fungierte er an der erst 2004 gegründeten Medizinischen Universität Innsbruck als Senatsvorsitzender. Von 2013 bis 2017 war der Gefäßchirurg als Vizerektor für Klinische Angelegenheiten Teil des Rektorats.

(B. Hoffmann-Ammann, 10.08.2020)

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