MUI Scientist to watch: Verena Labi
Um herausragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vor den Vorhang zu holen, hat die Medizinische Universität Innsbruck das Programm „MUI Scientist to watch“ etabliert. Damit haben ForscherInnen die Möglichkeit, alle drei Monate ihre jeweils beste Arbeit einzureichen und von einem unabhängigen Komitee bewerten zu lassen. Ein Portrait der erfolgreichen KandidatInnen und die Hintergründe ihrer Forschung lesen Sie in jedem Quartal auf myPoint.
Auch in der letzten Ausschreibungsrunde des Programms MUI Scientist to watch wurden gleich zwei ForscherInnen ausgewählt: Neben Alessandra Fanciulli, die wir bereits vorgestellt haben, konnte die Mikrobiologin und Immunologin Verena Labi die Jury mit einer Forschungsarbeit beeindrucken, in der ihr der erstmalige Nachweis des Zusammenhangs zwischen programmiertem Zelltod und Lungenentwicklung gelungen ist.
„Mal was anderes, was neues sehen“
Als die Oberösterreicherin Verena Labi nach Tirol kam, um an der Universität Innsbruck zu studieren – für die Mikrobiologie entschied sie sich in letzter Sekunde – wollte sie vor allem „mal was anderes, was neues sehen“. „Die Größe von Innsbruck ist ideal. Hier kann man einen guten Ausgleich zwischen Stadt und Natur finden. Obwohl ich das Kulturangebot der Großstadt manchmal vermisse“, erzählt Labi, die deshalb auch gerne an ihre mehrjährigen Forschungsaufenthalte in Boston und Berlin denkt. Nach ihrem PhD-Studium am Institut für Entwicklungsimmunologie (Direktor: Andreas Villunger) war sie mit einem EMBO-Stipendium als PostDoc an die Harvard Medical School in Boston gekommen, wo sie im Labor des renommierten Immunologen Klaus Rajewsky, dem sie dann auch an das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in Berlin folgte, forschte. Dort nahm auch ihre nun im Fachjournal Genes & Development publizierte Forschungsarbeit ihren Anfang.
„Eine Forschungskarriere im medizinischen Bereich war nicht geplant“, sagt die junge Forscherin, die sich im Fach Immunologie habilitiert hat. „Bei Andreas Villunger am damaligen Institut für Pathophysiologie war eine PhD-Stelle frei. Über programmierten Zelltod wusste ich bis dahin noch recht wenig, da mein Studium und meine Masterarbeit technisch-ökologisch orientiert waren. In einem Gespräch konnte mich Andreas aber schnell für die Thematik begeistern. Seitdem weiß ich, es schadet nicht, über den eigenen Tellerrand auch mal hinauszuschauen. Die folgenden Jahre waren eine tolle Zeit, in der ich viele berufliche und private Beziehungen geknüpft habe, die bis heute andauern. Daraus sind auch langjährige wissenschaftliche Kollaborationsprojekte entstanden, zum Beispiel mit meiner damaligen PhD-Kollegin Miriam Erlacher die heute als pädiatrische Onkologin in Freiburg an Knochenmarksversagen und myelodysplastischem Syndrom bei Kindern forscht“, erzählt Labi, die seit fünf Jahren eine eigene Forschungsgruppe am Biozentrum leitet – die Experimentelle Immunologie – und seit 2019 auch stellvertretende Leiterin des Instituts für Entwicklungsimmunologie ist.
Innovatives Mausmodell und MikroRNAs
Bereits seit ihrer Doktorarbeit ist auch BIM – ein Protein, das in Säugetieren in fast allen Zellen des Körpers vorkommt und dort den programmierten Zelltod auslösen kann – immer wieder im Visier von Verena Labi. Auch in der nun hervorgehobenen Publikation spielt es eine Hauptrolle. „Gemeinsam mit KollegInnen des Berliner Teams habe ich erforscht, wie winzige, regulatorische RNA-Abschnitte, sogenannte mikroRNAs, die Menge des BIM Proteins in der Zelle regulieren“, so Labi. MikroRNAs sind kurze Ribonukleinsäure (RNA)-Moleküle, die durch Bindung an eine Vielzahl verschiedener Boten-RNA Moleküle (mRNAs) die Proteinzusammensetzung einer Zelle beeinflussen können. „Um die Wechselwirkungen zwischen einem bestimmten mikroRNA Cluster – genannt miR-17-92 – und der BIM mRNA genauer untersuchen zu können, haben wir in einem extra für diese Fragestellung entwickelten Mausmodell die Bindungen zwischen miR-17-92 und BIM ganz gezielt blockiert. Entgegen der erwarteten Veränderungen im Immunsystem stellten wir jedoch fest, dass die Blockade der Bindungen fatale Auswirkungen auf die embryonale Lungenentwicklung hat, weil dadurch zu viel BIM Protein hergestellt wird, was zu vermehrtem programmierten Zelltod während der Lungenreifung im Embryo führt“, berichtet Verena Labi, für die die Studien am Lungengewebe als Immunologin eine Herausforderung darstellten. Auch hier hat es sich aber ausgezahlt, über den Tellerrand hinauszuschauen. Abwenden von der Immunologie will sie sich aber nicht. „Ein weiteres Steckenpferd ist die klonale Hämatopoese und deren Auswirkungen auf das Immunsystem“, ergänzt die Forscherin.
Mentoring und Lehre
„Auf meinem beruflichen Weg habe ich gelernt, dass man alleine einiges schaffen, aber nur schwer über sich selbst hinauswachsen kann. Ohne die Unterstützung von Familie, Freunden und Mentoren würde es diesen Artikel wohl nicht geben“, erzählt Verena Labi. Daher hat sich die Forscherin besonders zum Ziel gesetzt, ihre eigenen Erfahrungen weiterzugeben und ihre StudentInnen mit dem nötigen Rüstzeug für eine erfolgreiche berufliche Laufbahn auszustatten. „Aber auch ich kann und muss noch einiges dazulernen. Das Thema Öffentlichkeitsarbeit habe ich bisher leider ein bisschen vernachlässigt – da kann ich einiges vom wissenschaftlichen Nachwuchs lernen. Ich habe zum Beispiel Twitter für mich entdeckt, um unsere Forschung sichtbarer zu machen.“ In der verstärkten digitalen Ausrichtung sieht Verena Labi, die eine Laufbahnstelle innehat, auch die Zukunft der Lehre. „Wir sollten die Corona-Krise nutzen. Im März habe ich mit drei Kolleginnen spontan eine online Praktikumswoche im Immunologie-Modul des Molekularmedizin Masterstudienganges konzipiert. Trotz der limitierten Vorbereitungszeit hat die Durchführung des digitalen Lehrkonzeptes gut geklappt“, erzählt Labi, die es als Forscherin mag, Unbekanntes zu erkunden und auch die Erfahrung von Versuch und Irrtum schätzt: „Ich empfinde meine Arbeit als Forschende und Lehrende als großes Privileg. Ich trage Verantwortung, darf gestalten und kreativ sein, und für diese Möglichkeiten bin ich sehr dankbar.“
(26.05.2020, Text: D. Heidegger, Bild: Manuel Haschka)
Links:
Context-specific regulation of cell survival by a miRNA-controlled BIM rheostat. Verena Labi et al.
FWF-Projekt: Molekulare Wirkmechanismen von mikroRNAs
Twitter @LabiLab5
Programm MUI Scientist to watch