Neues Lehr- und Lernformat an der Anatomie
„Acht Stunden in der Woche sich Anatomie vorreden zu lassen, hat noch Niemanden zum Anatomen gemacht.“ Mahnende Worte des Anatomen Josef Hyrtl (1810 – 1894) in der Einleitung des neuen Lehrhandbuchs am Institut für Klinisch-Funktionelle Anatomie an der Medizinischen Universität Innsbruck. Diesen Worten folgend wurde mit dem Wintersemester 2019/20 ein neues Lehr- und Lernformat etabliert, das international eine Vorreiterrolle einnimmt.
„Eine umfassende Kenntnis der Anatomie ist eine unverzichtbare Basis für die klinische Ausbildung“, sagt Helga Fritsch, Direktorin des Instituts für Klinisch-Funktionelle Anatomie. Deshalb hat die Lehre am Institut für Studierende der Humanmedizin einen klaren, dreisemestrigen Aufbau. Neben dem faktischen Lernen der Anatomie sowohl in Theorie als auch Praxis, ist Teil des neuen Konzepts nun auch das Erlernen weiterer Fähigkeiten, wie etwa die Förderung von Teamfähigkeit, das Übernehmen von Verantwortung, Vermittlung von Wissen oder auch ethisches Handeln. „Solche sogenannten Soft Skills sind im späteren Berufsleben als MedizinerIn unerlässlich und sollten so früh wie möglich in den Studienplan eingearbeitet werden. Deshalb haben wir den Sezierkurs im 3. Semester entsprechend geändert“, so Fritsch.
Modernes Lernen, innovatives Lehren
Das neue Lehr- und Lernformat soll eine Lücke zwischen formeller Ausbildung und Berufsfähigkeit schließen. So wird frühzeitig mit dem Auseinandersetzen berufsrelevanter Fähigkeiten begonnen. „Wir orientierten uns dabei an dem Kompetenzrahmen ‚CanMEDS´ für ÄrztInnen, ausgearbeitet vom ‚Fellows of the Royal College of Physicians and Surgeons of Canada‘ und bieten damit den StudentInnen der Medizinischen Universität Innsbruck ein modernes und international einzigartiges Lehrkonzept in den ersten beiden Studienjahren an“, erklären Hannes Stofferin und Romed Hörmann, die beide das neue Format mitentwickelt haben. Das Grundgerüst definiert dabei den „Medical Expert“. D.h. zusätzlich zum medizinischen Wissen und den anatomischen Kenntnissen als Basis, werden sechs bedeutsame Teilrollen, die eine gute Ärztin bzw. ein guter Arzt erfüllen sollte, beschrieben: Communicator, Collaborator, Leader, Health Advocate, Scholar und Professional.
Hannes Stofferin, der federführend in der Erstellung der Lehranleitung war, beschreibt das Konzept: „Um diese sechs definierten Rollen erfolgreich zu erreichen, müssen von Studierenden einzelne ‚Kernkompetenzen‘ erfüllt werden. Ein Modul des Lehrplans konzentriert sich nicht nur auf Erlangen von theoretischem Wissen, sondern auch auf die Erfüllung von sogenannten ‚enabling compentecies‘, die als Vorbereitung zur Erlangung der Kernkompetenzen dienen. Solche Kompetenzen sind etwa das Vermitteln von Wissen, Zusammenarbeit, um gemeinsame Ziele zu erreichen oder auch anderen zu helfen. Es sind eine Reihe von Aufgabenstellungen implementiert, die diese Entwicklung der Studierenden fördern und ermöglichen sollen. Ethische und empathische Komponenten, wie ein respektvoller und korrekter Umgang mit den KörperspenderInnen, finden sich ebenso wieder, wie das Erlernen der faktischen Grundlagen der menschlichen Anatomie.
Aktiv eine positive Lernumgebung schaffen
Wie sich der Sezierkurs dabei neu gestaltet zeigt sich daran, dass die Teamfähigkeit der Studierenden besonders gefördert wird. Insbesondere bei der Präparation muss sich in der Gruppe abgesprochen und gemeinsam gearbeitet werden, um eine erfolgreiche Aufgabenerfüllung zu gewährleisten. Entscheidungen werden im Team gemeinsam getroffen. Studierende gestalten den Sezierkurs aktiv mit und sorgen selber für eine positive Lernumgebung, da die gestellten praktischen Aufgaben teilweise eine gemeinsame Bewertung vorsehen. „Die Studierenden sollen erkennen, wie das Lernen für das gesamte Team zu verbessern ist, indem sie aktiv mitmachen, KollegInnen helfen, aber auch kritisieren und am Ende ihr Können zum Wohle der Gruppe einbringen. Diese Fähigkeiten werden die Studierenden im späteren Berufsleben oft brauchen. Vor allem wenn Interdisziplinarität für die Behandlung von PatientInnen im Vordergrund steht“, weiß Helga Fritsch.
Das erste Semester mit diesem neuen Format konnte positiv abgeschlossen werden. „Wir, sowohl Lehrende als auch Studierende, haben sehr gute Erfahrungen mit diesem neuen Konzept gemacht, wie die Ergebnisse unserer Fragebogenstudie an den Studierenden zeigen“, so Hannes Stofferin.
(Im Bild: Hannes Stofferin, Romed Hörmann, Helga Fritsch)
Links:
Institut für Klinisch Funktionelle Anatomie Innsbruck
(31.02.2020; Text und Foto: D. Bullock)