Abwasseranalytik als Mehrwert für die europäische Drogenpolitik
Die Abwasseranalyse ist ein sich rasch entwickelndes wissenschaftliches Fachgebiet, das die Beobachtung von Trends auf geografischer und zeitlicher Ebene im Bereich des illegalen Drogenkonsums ermöglicht. Seit 2016 ist die Gerichtsmedizin Innsbruck (GMI) Teil eines europaweiten Netzwerkes (Sewage analysis CORe group — Europe (SCORE)), das jährlich die Mengen von illegalen Drogen in den Abwässern europäischer Städte untersucht.
32 Länder, 37 Labore, 89 Städte und das Abwasser von über 50 Millionen Menschen – das sind die Eckdaten, auf denen die Analyse des Drogenkonsums in Europa durch SCORE basiert und in die 2016 erstmals auch Daten von Innsbrucker Abwasser eingeflossen sind. Die Abwasseranalyse auf Spuren verbotener Suchtmittel stellt ein interessantes, ergänzendes Werkzeug für die Überwachung des Drogenmarktes dar. „Damit politische Entscheidungsträger geeignete Maßnahmen für eine nachhaltige Drogenpolitik ausarbeiten und umsetzen können, ist es notwendig, Entwicklungen am Drogenmarkt und Trends im Drogenkonsum darstellen zu können“, erklärt Assoz.Prof. Dr. Herbert Oberacher, der an der GMI (Direktor: o.Univ.-Prof. Dr. Richard Scheithauer) das forensisch-toxikologische Forschungslabor leitet und für die quantitative Bestimmung der vier verbotenen Substanzen Kokain, MDMA, Amphetamin und Methamphetamin in Innsbrucks Abwässern verantwortlich zeichnet.
Seit 2016 ist die Gerichtsmedizin Innsbruck aktives Mitglied der Sewage Analysis CORe group Europe (SCORE). SCORE ist ein Netzwerk europäischer Labore, das sich auf die Quantifizierung von illegalen Drogen im Abwasser spezialisiert hat und dabei mit der Europäischen Beobachtungstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA) kooperiert. Die Vernetzung der Experten wird durch ein COST Projekt (European Cooperation in Science and Technology) gefördert. Dass Innsbruck als erste Stadt Österreichs mit entsprechenden Daten im Bericht für 2016 vertreten war, ist vorrangig der Expertise der Innsbrucker Gerichtsmedizin zuzuschreiben. „Für teilnehmende Labors gelten sehr hohe Qualitätsstandards, die in einem eigenen Ringversuch getestet und jährlich nachweislich geprüft werden“, erklärt der Chemiker Oberacher, dessen Labor die Qualitätskontrollen ohne Probleme gemeistert hat.
Wertvolle Informationsquelle Abwasser
Die qualitative und quantitative Bestimmung von Drogen und Medikamenten gehört zum Kernbereich der forensisch-toxikologischen Analyse. „Grundsätzlich lassen sich Informationen über den illegalen Drogenkonsum einer Gesellschaft aus verschiedenen Quellen ableiten. Uns stehen als interne Quellen die Ergebnisse der chemischen Analyse von humanen Proben, von durch die Polizei beschlagnahmten Suchtgiften, von Substanzen, die Konsumenten im Rahmen des lokalen Drug Checking Programms abgegeben haben, und eben von Abwasser zur Verfügung.“, erläutert Oberacher. Die Abwasseranalytik punktet dabei mit einem hohen Informationsgehalt, der es erlaubt, zeitliche und geografische Unterschiede und Trends im Bereich des illegalen Drogenkonsums zu erkennen. Für den europaweiten Vergleich wurden über einen Zeitraum von einer Woche Wasserproben aus den Kläranlagen von 89 Städten gezogen und analysiert. „ Die Abwasseranalytik ist ein ergänzendes Instrument, um auf Bevölkerungsebene den Konsum illegaler Drogen zu überwachen. Sie liefert jedoch keine Informationen zur Prävalenz und zur Häufigkeit des Konsums, zu den Hauptkonsumentengruppen und zum Reinheitsgrad der Drogen. Zusätzliche Herausforderungen ergeben sich bei der Umrechnung der gemessenen Konzentrationen in konsumierte Mengen aus der Unschärfe der Abschätzung von Einwohnerzahlen, des mangelnden Wissens über Stabilitäten der Substanzen in der Kanalisation und aufgrund der Variabilität der Verstoffwechslung im Körper“, gibt Oberacher zu bedenken. Trotzdem überwiegen die Vorteile, da sich durch kontinuierliches Monitoring des Abwassers einfach, schnell und zeitnah Trends und Entwicklungen am Drogenmarkt erkennen lassen. Die Zusammenfassung und der Vergleich der Daten versprechen schließlich auch ein umfassendes Bild der Drogensituation in Tirol zu liefern. Bislang belegen die für Innsbruck und Umlandgemeinden erhobenen Werte jedenfalls einen unterdurchschnittlichen Drogenkonsum im Vergleich mit anderen europäischen Städten.
Schon im März dieses Jahres startet die nächste Probennahme des SCORE-Netzwerks. „Die neuen Daten und Ergebnisse werden voraussichtlich wieder Ende des Jahres auf der Homepage der europäischen Drogenbehörde inklusive interaktiver Grafiken veröffentlicht werden“, kündigt Oberacher an, der auch in diesem Durchgang Innsbrucks Abwässer auf Drogenspuren untersuchen wird.
(D. Heidegger)
Links:
Institut für Gerichtliche Medizin Innsbruck
https://gerichtsmedizin.at/
EMCDDA
http://www.emcdda.europa.eu/
COST
http://www.cost.eu/
SCORE Netzwerk
http://score-cost.eu/