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Schalenloses Hühnerei für die Myelom-Forschung

Innsbrucker Wissenschaftler des EU-Projekts OPTATIO züchten menschliche Mini-Tumore auf Ei-Membranen. Damit gelingt ihnen die Entwicklung eines dringend benötigten Testsystems für neue Medikamente gegen Knochenmark-Krebs.

Das Multiple Myelom ist eine immer noch unheilbare Krebserkrankung des Knochenmarks. Bisher fehlte es an geeigneten Testsystemen, um neue Wirkstoff-Kandidaten schnell und in möglichst natürlicher Umgebung zu prüfen. Wissenschaftler des EU-Projekts OPTATIO können diese Lücke nun füllen. Ihnen ist es gelungen, menschliche Miniatur-Myelome in schalenlosen, bebrüteten Hühnereiern wachsen zu lassen und daran neue Wirkstoffe zu testen. Sie konnten kürzlich zeigen, dass Substanzen von marinen Organismen in ihrem Testsystem effektiv gegen das Multiple Myelom wirkten (1). Nun führen sie per Video ihr neues Verfahren in der soeben erschienenen Ausgabe des Journal of Visualized Experiments einem breiteren Publikum vor (2).

Das Multiple Myelom befällt eine bestimmte Sorte von Immunzellen im Knochenmark, die Plasmazellen. Sie vermehren sich ungehindert, zerstören dabei die Knochen und schädigen die natürliche Körperabwehr. Die Behandlung der zumeist älteren Patienten ist schwierig, denn dieser Krebs verhält sich individuell sehr unterschiedlich, und die Tumorzellen werden schnell resistent. Dringend nötig wäre daher eine breite Palette von auf verschiedene Weise wirkenden Medikamenten. Das europäische Forschungsprojekt OPTATIO (OPtimizing TArgets and Therapeutics In high risk and refractOry Multiple Myeloma) hat sich seit 2012 der Suche nach neuen Behandlungsmöglichkeiten gewidmet. Eine wichtige Voraussetzung dafür hat das Konsortium nun mit der Arbeit von Dr. Gerold Untergasser, seinen Kollegen und internationalen Kooperationspartnern geschaffen.

Die Wissenschaftler aus der Abteilung für Hämatologie und Onkologie der Medizinischen Universität Innsbruck (Leitung Prof. Günther Gastl) haben menschliche Myelomzellen mit dem grün leuchtenden Quallenproteil GFP ausgestattet, um sie unter dem Fluoreszenzmikroskop leicht erkennen und beobachten zu können. Diese markierten Zellen haben sie mit menschlichen Knochenmarks-Bindegewebszellen und mit Kollagen in Form kleiner dreidimensionaler Zell-Kugeln herangezüchtet. So simulieren sie die natürliche Knochenmarksumgebung des Tumors, die beim Myelom eine entscheidende Rolle spielt. Die Zell-Kugeln haben sie auf die äußere Haut eines bebrüteten Hühnereis übertragen, dem sie zuvor die Schale entfernt haben. Auf dieser sogenannten Chorioallantoismembran (CAM) wachsen die menschlichen Mini-Tumore in einer Petrischale heran.

Die Wissenschaftler geben verschiedene Test-Substanzen hinzu und beobachten, ob diese die Myelomzellen in ihrer dreidimensionalen, kugeligen Umgebung töten. Das ist nicht selbstverständlich, denn die umgebenden Bindegewebszellen schirmen den Tumor im Testsystem genauso wie im Körper des Patienten ab. Diesen "Schutzschild" müssen Krebsmedikamente überwinden, um wirken zu können. Zudem verfolgen die Forscher über mehrere Tage, ob der Krebs Blutgefäße anlockt, die ihn versorgen, oder ob die Test-Substanzen dies verhindern können. Schließlich erlaubt das System auch Rückschlüsse auf die Toxizität für den Gesamtorganismus.

Gerold Untergasser: "Das Hühnerei ist für die Forschung viel einfacher zu handhaben und preisgünstiger als Mäuse, und es senkt die Zahl an Tierversuchen. In unserer neuen Video-Veröffentlichung geben wir genaue Anleitungen, wie unser System funktioniert, damit auch andere Forscher es nutzen können. Unser Fernziel ist, den Patienten in Zukunft mit Hilfe eines individuellen Testsystems das für ihn am besten geeignete Medikament aus einer genügend großen Auswahl auszuwählen."

Dr. Wolfgang Willenbacher, wissenschaftlicher Leiter von OPTATIO, stellt fest: "Die Zusammensetzung des OPTATIO-Konsortiums aus Kliniken, Firmen und Forschungsgruppen erwies sich auch für diese Forschungsarbeit als sehr fruchtbar. Das Projekt ist ein Paradebeispiel für die erfolgreiche europäische Zusammenarbeit: Die Forschergruppe um Prof. Domenico Ribatti von der Universität Bari führte Experimente zur Blutgefäßversorgung durch, die klinischen Partner steuerten Patientenproben bei, die spanische Pharmafirma PharmaMar lieferte Testsubstanzen aus dem Meer und die Forscher der Medizinischen Universität Innsbruck entwickelten gemeinsam mit Oncotyrol – Center for Personalized Cancer Medicine, sowie den Tiroler Krebsforschungsinstitut das neue Testsystem."

Dr. Willenbacher blickt zum Abschluss des dreijährigen EU-Forschungsprojekts zufrieden auf das Erreichte: "Ziel von OPTATIO war es, die Mikroumgebung des Multiplen Myeloms zu erforschen und herauszufinden, wie man ihre Manipulation therapeutisch nutzen kann. Wir haben dazu in internationaler Zusammenarbeit wertvolle Grundlagen schaffen können, insbesondere durch den Aufbau von Registern, aber auch mit neuen Testsystemen, die in OPTATIO entwickelt wurden."

(C. Hanisch)

Links:

Marine compounds inhibit growth of multiple myeloma in vitro and in vivo. Steiner N, Ribatti D, Willenbacher W, Jöhrer K, Kern J, Marinaccio C, Aracil M, García-Fernández LF, Gastl G, Untergasser G, Gunsilius E. Oncotarget. 2015 Apr 10;6(10):8200-9.
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25860931

Establishment of a Human Multiple Myeloma Xenograft Model in the Chicken to Study Tumor Growth, Invasion and Angiogenesis", Journal of Visualized Experiments, Issue 99, 2015, www.jove.com/video/52665/establishment-human-multiple-myeloma-xenograft-model-chicken-to-study

Univ.-Klinik für Innere Medizin V (Hämatologie und Onkologie)
https://www.i-med.ac.at/patienten/ukl_inneremedizin5.html

OPTATIO:
http://www.optatio.eu/

Europäische Kommission FP7
http://ec.europa.eu/research/fp7/index_en.cfm

 

OPTATIO-Partner:

Medizinische Universität Innsbruck (Österreich), Julius-Maximilian Universität Würzburg (Deutschland), Masary Universität Brno & Universität Ostrau (Tschechien), Universität Bari, (Italien), St-Lazlo Hospital Budapest (Ungarn), Tiroler Krebsforschungsinstitut, Innsbruck (Österreich), ProQinase/KTB Tumorforschungs GmbH Freiburg im Brsg. (Deutschland), Vichem Chemie Budapest (Ungarn), Oncotyrol Innsbruck (Österreich), PharmaMar Ltd. Madrid (Spanien), The Binding Site GmbH Schwetzingen (Deutschland), Cemit Innsbruck  

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