Beziehung im Wandel: ÄrztInnen und PatientInnen
Verschiedene Aspekte der Beziehung zwischen ÄrztInnen und PatientInnen schilderte Univ.-Prof. Dr. Gustav Fraedrich, Vizerektor für Klinische Angelegenheiten der Medizinischen Universität Innsbruck, Anfang Mai bei einer Veranstaltung des Arbeitskreises Wissenschaft und Verantwortlichkeit (WuV) zum Thema. Ao.Univ.-Prof.in Dr.in Gabriele Werner-Felmayer (Sektion für Biologische Chemie) moderierte die Diskussion.
„Unter vier Augen“ lautete der Titel der WuV-Veranstaltung vom 8. Mai 2014. Im Rahmen eines Vortrages mit anschließender Diskussion wurde der große Wandel in der Beziehung zwischen ÄrztInnen und PatientInnen in den vergangenen Jahrzehnten unter verschiedenen Gesichtspunkten thematisiert. Ärztliche Gespräche waren lange Zeit autoritär geprägt. Heute gilt ein partnerschaftliches Modell als Ideal, das bedeutet ÄrztInnen und PatientInnen begegnen sich auf Augenhöhe. In einem praxisnahen Vortrag schilderte Prof. Gustav Fraedrich wie sich die ehemals bevormundeten PatientInnen zu kompetenten und informierten GesprächspartnerInnen entwickelt haben, die im Idealfall gemeinsam mit der behandelnden Ärztin/ dem behandelnden Arzt eine Entscheidung treffen. „Shared decision making“ gilt als das erstrebenswerteste Modell in der Beziehung zwischen ÄrztInnen und PatientInnen, so der Direktor der Innsbrucker Univ.-Klinik für Gefäßchirurgie und Vizerektor für Klinische Angelegenheiten der Medizinischen Universität Innsbruck.
Informierte PatientInnen
Eine wichtige Voraussetzung für diesen Wandel waren neben einer Stärkung der PatientInnenrechte auch die Tatsache, dass durch das Internet, Fernsehsendungen, verschiedenste medizinische Zeitschriften und Broschüren heute wesentlich mehr Informationen zu medizinischen Themen vorliegen, als jemals zuvor. „Mit gut informierten Patientinnen und Patienten, kann man besser zusammenarbeiten“, ist Prof. Fraedrich überzeugt. „Sie gehen gut vorbereitet in ein Gespräch und setzten sich mit der Krankheit auseinander.“ Allerdings haben die mannigfaltigen Informationsmöglichkeiten auch weniger positive Folgen: Viele PatientInnen sind überfordert, da die Informationen nicht richtig eingeordnet werden können. Hinzu kommt, dass manche Quellen zweifelhaft sind. Ein differenzierter Umgang mit medizinischen Informationen ist daher unbedingt notwendig. Prof. Fraedrich veranschaulichte in diesem Zusammenhang, dass beispielsweise Suchergebnisse bei Google auch nach kommerziellen Gesichtspunkten, nicht nach inhaltlichen, gereiht sind. Gleichzeitig verwies der Gefäßchirurg darauf, dass viele Kliniken und auch Praxen sehr gute Informationen auf ihren Webseiten anbieten. Empfehlenswert sind für den Experten die Broschüren der Fachgesellschaften, weil sie in der Regel ausgewogen informieren und beispielsweise nicht eine bestimmte Methode von bestimmten ÄrztInnen favorisieren, da sie als Gesellschaft das gesamte Fach repräsentieren müssen.
Moderne Medizin
Aber nicht nur die PatientInnen haben sich in den vergangenen Jahren gewandelt, auch die moderne Medizin stellt neue Anforderungen an die ÄrztInnen. Sie haben heutzutage beispielsweise in vielen Fällen die „Qual der Wahl“, weil durch den medizinischen Fortschritt in vielen Bereichen nicht nur neue, sondern auch mehrere Behandlungsmethoden zur Verfügung stehen würden, erklärte Prof. Fraedrich. Die Medizin ist mittlerweile evidenzbasiert, es gibt eine hohe Qualitätssicherung, die Dokumentation wird immer zeitaufwändiger und darüber hinaus müssen sich MedizinerInnen an juristische wie finanzielle Vorgaben halten. In diesem Spannungsfeld ist es für ÄrztInnen nicht immer leicht, das Gespräch mit den PatientInnen optimal zu gestalten. Ein wichtiger Aspekt in der Beziehung zwischen ÄrztInnen und PatientInnen ist der Faktor Zeit. „Studien zeigen: wenn PatientInnen die Möglichkeit haben, am Anfang eines Gesprächs eine Minute lang zu sprechen, werden viele relevante Informationen ausgetauscht und es erhöht sich die Zufriedenheit der PatientInnen“, erklärte die Moderatorin der Veranstaltung, Prof.in Werner-Felmayer. Das Thema Zeitdruck, das neue Arbeitszeitengesetz, elektronische PatientInnenakten, neue Anforderungen an die Work-Life-Balance von ÄrztInnen, die zunehmende Aufsplitterung in verschiedene Spezialbereiche der Medizin sowie Aspekte der Lehre waren einige der Themen, die anschließend in einer regen Diskussion angesprochen wurden.
Arbeitskreis Wissenschaft und Verantwortlichkeit
Wissenschaft und Verantwortlichkeit (WuV) wurde 1986 als Senatsarbeitskreis der Universität Innsbruck gegründet und ist seit 2005 ein Verein der beiden Universitäten (LFU und MUI), des Management Centers (MCI) und der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) in Innsbruck. WuV ist ein Forum für die Öffentlichkeit, das sich mit aktuellen Themen an der Schnittstelle von Wissenschaft, Ethik und Gesellschaft befasst. Der Zugang zu WuV ist frei, die Mitgliedschaft gratis, denn bei WuV sind alle an diesen Themen Interessierten zum Mitmachen eingeladen. Weitere Informationen: http://www.uibk.ac.at/wuv/
(B. Hoffmann)
Fotocredit: Fotolia_Alexander Raths.