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Ringvorlesung Gendermed: Ao. Univ.-Prof. Dr. Gerhard Luef von der Innsbrucker Univ.-Klinik für Neurologie

Gender Medizin: Frauen und Epilepsie

Frauen und Epilepsie – zu diesem Thema gibt es noch viel zu erforschen, weiß Ao. Univ.-Prof. Dr. Gerhard Luef von der Innsbrucker Univ.-Klinik für Neurologie. Im Rahmen der Ringvorlesung Gendermedizin der Medizinischen Universität Innsbruck erörterte der Leiter der Forschungsgruppe Epileptologie die Frage, warum Frauen mit Epilepsie anders zu behandeln sind. Rund 200 TeilnehmerInnen besuchen die wöchentlich stattfindenden Vorlesungen.

„Epileptische Anfälle an sich und die Medikamente zu deren Behandlung können die sexuelle Entwicklung, Reproduktion und Fertilität sowie den Knochenstoffwechsel bei Frauen im unterschiedlichen Lebensalter und in unterschiedlicher Weise beeinflussen.“ Erklärte Ao. Univ.-Prof. Dr. Gerhard Luef (Innsbrucker Univ.-Klinik für Neurologie, Direktor o. Univ.-Prof. Dr. Werner Poewe) Ende Oktober im großen Hörsaal der Frauen-Kopf Klinik.

In seinem Vortrag referierte Prof. Luef zunächst über ein besonders wichtiges Problem der Epilepsie: die richtige Diagnose. Denn es kommt immer wieder vor, dass epileptische Anfälle nicht als solche erkannt werden oder auch mit anderen, ähnlichen Phänomen, wie plötzlich einsetzender, kurz andauernder Bewusstlosigkeit (Synkopen) oder mit psychogenen Anfällen verwechselt werden. Anhand von Beispielen der Augenstellung erörterte er erste Diagnosemöglichkeiten anfallsartiger Störungen und zeigte anhand von Videobeispielen wie epileptische Anfälle medizinisch diagnostiziert und klassifiziert werden können.

Frauen und Epilepsie: Faktoren, die in Forschung und Behandlung berücksichtigt werden müssen

MedizinerInnen und ForscherInnen, die sich mit dem Thema Epilepsie auseinandersetzen, müssen bei Frauen stets eine größere Anzahl an Faktoren berücksichtigen: Beispielsweise das Alter oder die Entwicklungsphase der Patientin – denn der aktuelle Hormonspiegel, übt in der Pubertät beispielsweise  einen anderen Einfluss aus als in der Menopause. Gleichzeitig ist natürlich auch zu bedenken, dass epileptische Anfälle auch auf den Hormonhaushalt Einfluss nehmen können und/oder oft in Zusammenhang mit  der Zyklusphase stehen. Eine möglichst genaue neuroendokrinologische Beobachtung, die die Verknüpfung des Hormonsystems mit dem Nervensystem im Mittelpunkt stellt, ist daher in jeder Lebensphase wichtig. Hinzu kommen zwei zentrale Aspekte im Leben einer Frau, die stets individuell betrachtet und erörtert werden müssen: Familienplanung und Schwangerschaft.

Epilepsie und Hormonhaushalt

Die Einnahme von Antipileptika steht oft in einem Wechselspiel mit dem jeweiligen Hormonhaushalt der Frau und kann diesen beeinflussen. Bei einem Drittel der Patientinnen, die an Epilepsie leiden, sind häufigere Menstruationsstörungen festzustellen, bei bestimmten Zyklusstörungen (Anovulatorische Zyklen) ist eine höhere Anfallsfrequenz zu beobachten. So handelt es sich beispielsweise bei der katamenialen Epilepsie um eine Erkrankung, bei der die Häufigkeit der epileptischen Anfälle in einem engen Zusammenhang mit der Zyklusphase steht. Diese beruht vor allem auf der neuroaktiven Aktivität der Steroidhormone und der zyklischen Variation ihrer Serumspiegel.  Eine mögliche Therapieoption wäre bei dieser Form der Epilepsie eine Progestogentherapie. Dabei kann die zyklische Gabe von Progesteron während der Lutealphase (Phase zwischen Eisprung und dem Beginn der nächsten Menstruation) die Frequenz der Anfälle reduzieren.  

Epilepsie, Schwangerschaft, Verhütung

In Hinblick auf die Familienplanung ist für Frauen, die an Epilepsie erkrankt sind, eine präkonzeptionelle Beratung besonders wichtig. Dabei sollten vor allem Fragen der Anfallsfrequenz während der Schwangerschaft, die Einnahme von Antiepileptika und ihr möglicher Einfluss auf die Entwicklung des Fötus erörtert werden.

Schwangerschaften bei Frauen mit Epilepsie gelten vor allem in Bezug auf die Gefährdung des Kindes im Mutterleib als Risikoschwangerschaften. Tatsächlich ist das Risiko vor allem bezüglich Spontanaborte, Fehlbildungen und Frühgeburten höher. Deshalb, so Luef, ist insbesondere in der Schwangerschaft eine optimale Anfallskontrolle anzustreben. Darüber hinaus verlaufen Schwangerschaften bei Frauen mit Epilepsie weitgehend normal. Eine Schwangerschaft oder die Geburt selbst haben, so der Experte, im Allgemeinen keinen signifikanten Einfluss auf die Anfallsfrequenz. Bei etwa der Hälfte der Frauen ändert sich die Anfallshäufigkeit während der Schwangerschaft nicht, bei je einem Viertel nimmt sie etwas zu oder ab.

Seit mehreren Jahren gibt es auch nationale wie internationale Schwangerschaftsregister, z.B. EURAP, durch die festgestellt werden kann, ob die Einnahme von Antiepileptika in der Schwangerschaft zu Fehlbildungen und anderen Entwicklungsstörungen beim Kind führen kann und welche Substanzen und Dosierungen als sicher gelten können. Bekannte Anomalien, die bei Neugeborenen durch Antiepileptika ausgelöst wurden, sind Lippen-, Kiefer- und/oder Gaumenspalten 1,6%), Skelettanomalien, (07,%) oder auch Herzklappenfehler (1,9%). Eine weitere Annahme, die durch die Daten aus dem Schwangerschaftsregister EURAP nahelegt wird, ist das dosisabhängige Risiko für Fehlbildungen. Gleichzeitig konnte nicht gezeigt werden, dass niedrige Dosen zu mehr Anfällen während der Schwangerschaft führen.

In der Schwangerschaftsverhütung stellt sich oft die Frage, wie sicher orale Verhütungsmethoden unter gleichzeitiger Einnahme von Antiepileptika sind. 1960, als in den USA die Antibabypille auf den Markt gekommen war, gingen Neurologen und Gynäkologen nur selten davon aus, dass die Wirkung der Verhütungsmethode durch Antiepileptika beeinflusst würde. Heute gibt es sehr genaue Studien, die den Einfluss verschiedenster Antiepileptika auf hormonhaltige Kontrazeptiva zeigen und in „nachgewiesener Verminderung des kontrazeptiven Schutzes“, „mögliche Verminderung“ oder „kein Einfluss laut Studien oder Fachinformation“ unterscheiden. Auch eine umgekehrte Wechselwirkung, also eine Beeinflussung des oralen Verhütungsmittels auf ein Antiepiletikum ist möglich. So zeigt sich beispielsweise die Wirkung des 1993 zugelassenen Antiepileptikums „Lamotrigin“ durch orale Kontrazeptiva um 50 Prozent reduziert. Um die Zuverlässigkeit von oralen Schwangerschaftsverhütungsmaßnahmen zu erhöhen, empiehlt Luef monophasische orale Verhütungsmaßnahmen („Einphasen-Pille“), die während des gesamten Zyklus denselben Östrogen- und Gestagengehalt beibehalten. Reine Gestagen-Pillen („Mini-Pille“) sind für Frauen mit Epilepsie kaum geeignet. Als Alternative zur oralen Kontrazeption nennt Luef vor allem in Hinblick auf eine längerfristige Verhütung den Einsatz einer Hormonspirale.

Ziel der Epilepsiebehandlung

Zum Abschluss seines Vortrages hielt Luef fest, dass es keine „sicheren“ Antiepileptika gibt. Er spricht sich für eine Verbesserung der Behandlung, Betreuung und Beratung von Frauen mit Epilepsie bereits vor der Schwangerschaft aus und empfiehlt die Planung der Schwangerschaft. Während einer Schwangerschaft sollte möglichst nur ein Antiepileptikum (Monotherapie) eingenommen werden und dieses möglichst niedrig dosiert sein. Als generelles Ziel der Epilepsiebehandlung sieht Luef eine ausreichende Anfallskontrolle, gekoppelt mit guter Verträglichkeit und Sicherheit. Mit dem Zitat „die Patienten in die Lage versetzen, einen Lebensstil zu führen, der so unabhängig wie möglich von den medizinischen Komplikationen und psychosozialen Folgen der Epilepsie ist“ (Schachter, Epilepsy & Behav, 2000) beendete Luef seinen Vortrag.

Ringvorlesung Gender Medizin

Seit 2007 bietet die Medizinische Universität Innsbruck die öffentliche Ringvorlesung „Gender Medizin - Geschlechterforschung in der Medizin“ an. Die erfolgreiche Vortragsreihe befasst sich in diesem Wintersemester mit dem Themenbereich „Gender Medizin – Das Frauengesundheitszentrum/FGZ – Was gibt es Neues?“. Die Vorlesungen finden von Oktober 2013 bis Ende Jänner 2014 wöchentlich jeweils am Donnerstagabend um 18.30 Uhr im großen Hörsaal der Frauen-Kopf-Klinik statt. International anerkannte ExpertInnen referieren zu aktuellen, geschlechterrelevanten Fragestellungen in verschiedenen Themenbereichen der Medizin. Die Vortragenden geben Einblicke in Gender Aspekte bei beispielsweise Herzinfarkten, in der Onkologie oder bei neurologischen Erkrankungen wie Alzheimer oder Parkinson.

(A.  Schönherr, B. Hoffmann)

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