DNA in Forensics 2012: Aktuelles aus der gerichtsmedizinischen Forschung
Das Institut für Gerichtliche Medizin der Medizinischen Universität veranstaltete Anfang September das internationale „DNA in Forensics 2012“ Meeting. Rund 250 WissenschafterInnen aus über 40 Nationen kamen nach Innsbruck, um im Rahmen des 5. Internationalen EMPOP-Meetings und 8. Y-User Workshops aktuelle Fragestellung zur mitochondrialen DNA-Analyse und dem nicht rekombinierenden Bereich des Y-Chromosoms zu diskutieren.
Zur Bedeutung der Analyse der mitochondrialen DNA (mtDNA) und des nicht rekombinierenden Bereichs des männlichen Y-Chromosoms erscheint eine wachsende Anzahl von wissenschaftlichen Publikationen aus unterschiedlichen Disziplinen. Auch die hohe TeilnehmerInnenzahl des 5. Internationalen EMPOP-Meetings und 8. Y-User Workshops zeigt das große Interesse der wissenschaftlichen Community an diesen Themen: Das Treffen in Innsbruck zählte rund 100 Teilnehmer mehr, als die letzte derartige Zusammenkunft 2010 in Berlin. Dementsprechend positiv fällt auch das Resümee des Instituts für Gerichtliche Medizin der Medizinischen Universität Innsbruck aus. „Das große Interesse freut uns auch und natürlich die Tatsache, dass so viele Vertreter und Vertreterinnen von renommierten Institutionen gekommen sind“, erklärt ao.Univ.-Prof. Dr. Walther Parson, Leiter der Forensischen Molekularbiologie am Institut für Gerichtliche Medizin in Innsbruck. Unter seiner Leitung wurde am Institut für Gerichtliche Medizin Innsbruck die weltweit qualitativ hochwertigste mitochondriale DNA-Sequenzdatenbank EMPOP entwickelt. „Eine mitochondriale DNA Datenbank ist etwas völlig anderes, als eine kriminalistische DNA Datenbank wie etwa die Österreichischen Nationalen DNA-Datenbank. EMPOP stellt in der Gerichtsmedizin ein Spezialwerkzeug für die Identifikation dar“, erklärt o.Univ.-Prof. Dr. Richard Scheithauer, Leiter des Innsbrucker Institutes für Gerichtliche Medizin. Die mtDNA wird in mütterlicher Vererbung ohne Einfluss der väterlichen mtDNA weitergegeben. Im Vergleich zur standardisierten Untersuchung der Kern-DNA ist dieses zweite Genom des Menschen ein Spezialgebiet der forensischen DNA-Analytik. „Da es sich bei den mt-DNA und Y-Chromosom-Analysen nicht um die Routineanalysen der Forensik handelt, ist das derzeit große Interesse an diesen Themen umso erfreulicher“, ergänzt Prof. Parson. Gemeinsam mit Prof. Dr. Lutz Roewer vom Institut für Rechtsmedizin der Charité in Berlin wird er zur Tagung einen Sonderband der international renommierten Fachzeitschrift „Forensic Science International Genetics“ editieren. Die Veröffentlichung ist für kommenden Sommer geplant.
Next Generation Sequencing Methods
Das internationale Meeting bot die optimale Plattform, Ideen in einem interdisziplinären Kontext zu diskutieren, Kooperationen zu bilden und bestehende weiterzuentwickeln. Diskutiert wurden unter anderem auch neue Analysemethoden in der Gerichtsmedizin, die sogenannten „Next Generation Sequencing Methods“. Hierbei gibt es einige vielversprechende Entwicklungen in den vergangenen Jahren, insbesondere im Bezug auf die Geschwindigkeit von Sequenzierungen. „Für die Gerichtsmedizin hat das weiterreichende Folgen“, erklärt Prof. Parson, der in diesem Zusammenhang auch von einer Revolution spricht. „Aus forensisch relevanten Proben könnte es möglich sein, mehr Informationen zu gewinnen, was die Kriminalitätsbekämpfung definitiv noch weiter verbessern würde.“ Erstmals wurden im Rahmen des Meetings in Innsbruck Ergebnisse zur Sequenzierung der mtDNA mit dieser neuen Methode vorgestellt. „Erfreulicherweise ist hier unser Institut federführend“, erklärt Prof. Parson. Ein Grund dafür ist die hervorragende Infrastruktur in Innsbruck: Auf Grund einer Kooperation mit dem Hersteller Ion Torrent aus den USA ist das Innsbrucker Institut derzeit das einzige gerichtsmedizinische Institut in Europa, das über eine aufwändige „Personal Genome Maschine“ verfügt. „Wir evaluieren dieses Gerät für den Einsatz in der Gerichtsmedizin und entwickeln im Rahmen von Forschungsprojekten experimentelle Ansätze, um die Aussagekraft der Analysen zu verbessern.“
Kontroversielle Diskussion um die mtDNA-Referenzsequenz
Durchaus kontroversiell wurde die heuer durch zwei wissenschaftliche Publikationen ausgelöste Diskussion um die mtDNA-Referenzsequenz in Innsbruck geführt, da beide Autoren anwesend waren. 1981 haben ForscherInnen in England die erste menschliche mtDNA-Sequenz erstellt. Diese von einer englischen Frau stammende Sequenz dient seitdem als Referenzsequenz. Da Europa allerdings erst sehr spät besiedelt wurde, sind die phylogenetischen Wurzeln dieser Sequenz sehr jung. Eine ForscherInnengruppe rund um Dr. Doron Behar aus Haifa (Israel) fordert daher jetzt, eine andere Referenzsequenz zu verwenden. Es soll zukünftig eine Referenzsequenz aus Afrika verwendet werden, die der Wiege des modernen Menschen besser entspricht. Da allerdings ein solcher Wechsel eine Reihe von Folgen für die Gerichtsmedizin hätte, gibt es viele ForscherInnen, die sich für eine Beibehaltung der alten Referenzsequenz aussprechen. Namentlich steht für die BefürworterInnen Prof. Hans-Jürgen Bandelt aus Hamburg, der seine Meinung diesbezüglich ebenfalls erst heuer veröffentlicht hatte. Da Kontinuität und Stabilität wichtige Grundlagen für gerichtliche Entscheidungen sind, ist mit einem unmittelbaren Umstieg auf eine neue Referenzsequenz nicht zu rechnen, meint Prof. Parson. „Die forensische Gemeinde beobachtet diese Entwicklung aber weiterhin.“
Neue Y-Chromosom Analyse möglich
Ein weiteres wichtiges aktuelles Thema der forensischen Forschung betrifft die Analysen des Y-Chromosoms, also jenem Anteil der nur im männlichen Genom vorhanden ist und vom Vater an den Sohn weitestgehend unverändert vererbt wird. Diese Analyse des Y-Chromosoms ist vor allem dann hilfreich, wenn die gesuchte männliche Spur in geringsten Mengen, beispielsweise als Spermaspur gemischt mit einem hohen Überschuss an weiblicher DNA des Opfers vorliegt. Dieses Mischungsverhältnis kann dazu führen, dass die männliche Komponente im Rahmen der Standard-DNA-Analyse nicht detektiert wird. Über die Y-Chromosomale DNA kann es dann aber doch möglich sein, die männlichen Merkmale erfolgreich zu untersuchen. Mit den gängigen Y-Chromosomalen Markern kann allerdings nicht zwischen nahe verwandten Personen unterschieden werden. Eine Untersuchung von schnell mutierenden Y-STRs, wissenschaftlich als „Rapid Mutating Y-STRs“ bezeichnet, eine Entwicklung bei der Dr. Manfred Kayser aus Rotterdam federführend ist, könnte hierbei Abhilfe schaffen. „Diese Y-STRs verändern sich in der Vererbung so schnell, das man eine realistische Chance hat, sehr nahe verwandte Männer, wie Brüder oder Väter und Söhne in ihren Y-Chromosomalen Merkmalmustern voneinander zu unterscheiden“, erklärt Prof. Parson. Im Rahmen des „DNA in Forensics 2012“ Meetings in Innsbruck stellte Dr. Kayser erstmals Daten zur Analyse dieser Marker aus einer Multicenter Studie mit über 60 Labors vor. „Die Ergebnisse sind sehr vielversprechend“, sagt Prof. Parson. „Erfreulich ist, dass in Zukunft immer wieder darauf Bezug genommen werden wird, das diese Ergebnisse erstmals in Innsbruck präsentiert wurden.“
Weiterführende Links:
- Homepage der Tagung
- Institut für Gerichtliche Medizin der Medizinischen Universität Innsbruck
- Presseaussendung zur Ankündigung
Bildunterschrift: o.Univ.Prof. Dr. Richard Scheithauer, Direktor des Institut für Gerichtliche Medizin an der Medizinischen Universität Innsbruck (GMI) Mechthild Prinz Ph.D., Direktorin des DNA Labors der Gerichtsmedizin New York, Prof. Dr. Lutz Roewer, Leiter des DNA Labors des Instituts für Rechtsmedizin der Charité, Berlin, a.Univ.Prof. Dr. Walther Parson, Leiter des Forschungsschwerpunktes Forensische Molekularbiologie am GMI. (v. li. n. re.)
(B. Hoffmann)