Abschluss-Tagung des österreichischen Genomforschungsprogramms
Das österreichische Genomforschungsprogramm läuft in Kürze aus. Die WissenschaftlerInnen trafen sich in Innsbruck ein letztes Mal auf einer gemeinsamen Tagung, um aktuelle Ergebnisse zu diskutieren und um Bilanz zu ziehen. Gekrönt wurde das Meeting vom Besuch hochrangiger Gäste, darunter die Nobelpreisträgerin Ada Yonath. Ihr wurde im Jahr 2009 der Chemienobelpreis für die Aufklärung der Kristallstruktur des Ribosoms verliehen.
Das Ribosom ist die Protein-Fabrik der Zelle. Hier wird der genetische Code des Erbguts entziffert und in den Bau von Eiweiß-Molekülen umgesetzt. Lange Zeit galt es als unmöglich herauszufinden, wie das Ribosom aus einzelnen Atomen zusammengesetzt ist. Ohne die exakte Struktur aber ließ sich die Funktionsweise dieser komplizierten Maschine nicht erforschen. Das Ribosom schien zu groß, als dass man daraus Kristalle hätte züchten können, und diese wiederum waren für die Röntgenstrukturanalyse nötig. Ada Yonath schaffte es trotz aller Skepsis nach zwanzig Jahren beharrlicher Forschung und bekam dafür gemeinsam mit zwei anderen Wissenschaftlern den Nobelpreis. Seit der Jahrtausendwende ist nun die Struktur des Ribosoms bekannt und ermöglicht seitdem ganz neue Möglichkeiten der Forschung, insbesondere bei der Entwicklung von Antibiotika.
Diesem Forschungsgebiet widmet sich auch Ada Yonath derzeit intensiv. Die meisten Antibiotika greifen am Ribosom an und blockieren an der einen oder anderen Stelle die Proteinproduktion. Doch Bakterien finden Mittel und Wege die Struktur ihrer Ribosomen leicht zu verändern und somit der Blockade zu entgehen: sie werden resistent. Ada Yonaths Forschung zielt darauf ab, synergistische Antibiotika zu entwickeln. Dabei will sie die Strategien zweier Antibiotika in einem Kombi-Medikament vereinen. Die doppelte Blockade an zwei räumlich entfernten Stellen macht ein Ausweichen des Bakteriums schwieriger und könnte in Zukunft gegen die Resistenzen helfen. Yonath konzentriert sich dabei auf den Tuberkulose-Erreger.
Ein weiteres Steckenpferd der 72jährigen ist die Erforschung des Ursprungs des Lebens. Sie ist davon überzeugt, mit dem Ribosom den Schlüssel dazu in der Hand zu halten. Ihre jüngsten Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass das aktive katalytische Zentrum des Ribosoms eine Art Proto-Ribosom darstellt, eine Ur-Maschine, die schon existierte, bevor das eigentliche Leben im heutigen Sinn geboren wurde. Sie versucht derzeit, dieses Proto-Ribosom zu synthetisieren, um die RNA-Welt der Vorzeit im Labor zumindest ansatzweise wieder auferstehen zu lassen und zu erforschen.
Ada Yonath ist nicht zufällig als Gastrednerin des GEN-AU Meetings geladen worden. Das Ribosom und seine Erforschung hat auf vielfältigste Weise die Genomforschung beeinflusst. Besonders deutlich zeigt sich das in den Arbeiten der RNA-Forscher Norbert Polacek und Ronald Micura. Sie haben im Rahmen des GEN-AU Projekts zu nichtkodierenden RNAs herausgefunden, welche Atome des Ribosoms dafür verantwortlich sind, dass Peptide zu Ketten verknüpft werden können (1) und sind somit einem der grundlegendsten Mechanismen des Lebens auf die Spur gekommen. Ohne die Kristallstruktur des Ribosoms wäre dies völlig undenkbar gewesen. Polacek und sein Team haben zudem aufgeklärt, wie der Transport-Mechanismus der Transfer-RNAs innerhalb des Ribosoms funktioniert, haben somit das „Förderband“ für die Peptid-Transporter verstanden (2) – auch dies nur möglich dank der Ribosom-Kristallstruktur. Micura arbeitet an der Leopold Franzens Universität Innsbruck. Polacek forschte bis vor kurzem an der Medizinischen Universität Innsbruck und nun an der Universität Bern. Er leitet das ncRNA-Projekt gemeinsam mit Alexander Hüttenhofer von der Medizinischen Universität Innsbruck.
Erfolgsgeschichte Bioinformatik: Bessere Darmkrebsprognose
Auf der Innsbrucker Tagung wurden viele weitere Erfolgsgeschichten erzählt, beispielsweise des GEN-AU BIN-Projekts, das von Zlatko Trajanoski, Medizinische Universität Innsbruck, geleitet wird. Gemeinsam mit internationalen Kooperationspartnern ist es gelungen, neue Prognose-Parameter für Darmkrebs zu entwickeln (3). Sie basieren auf den Immunzellen, die in den Tumor einwandern und sind deutlich treffsicherer als die bisherigen histologischen Prognose-Parameter. Diese neuen Verfahren sind so vielversprechend, dass sich kürzlich eine internationale Task Force zusammengefunden hat, um die Zulassungsbehörden zu überzeugen und die klinische Einführung zu beschleunigen.
Die Tagung brachte viele neue erstaunliche Einsichten. Eine vieldiskutierte Entwicklung in der Bioinformatik ist, dass durch die immer schnellere und günstigere Genomsequenzierung Datenmengen produziert werden, die mittlerweile kaum noch zu bewältigen sind. Dabei wird zunehmend der Datentransfer zum Speicherort zur Engstelle. Burkhard Rost, geladener Sprecher von der Technischen Universität München, wies darauf hin, dass diese ungeheuren Datenmengen nicht per Internet versandt werden können, weil dies viel zu lange dauert. Sie müssen daher – ganz altertümlich – auf dem Postweg verschickt werden!
Das reine Sammeln von Daten ist auch in der Proteomik wenig sinnvoll, hob Friedrich Lottspeich vom Max Planck Institut in Martinsried hervor. Die Aufklärung biologischer Funktionen sei vielmehr die zentrale Herausforderung in der Proteomik. Sie wird durch viele Hindernisse erschwert, insbesondere die riesigen Mengenunterschiede einzelner Proteine. Doch Lottspeich sieht insbesondere durch neue Technologien wie insbesondere die Targeted Proteomics „Licht am Ende des Tunnels“. Lottspeich wurde vom GEN-AU Projekt Austrian Proteomik Plattform (APP) eingeladen, das von Lukas Huber, Medizinische Universität Innsbruck geleitet wird, und eine Bilanz von mehr als 200 Publikationen aufweisen kann.
Der Rektor der Medizinischen Universität Innsbruck, Herbert Lochs, hob abschließend hervor: „Genomics und Proteomics zählen heute zu den zukunftsträchtigsten Gebieten der medizinischen Forschung. Die Medizinische Universität Innsbruck hat daher in den letzten Jahren ihre Forschungsschwerpunkte Genetik, Epigenetik und Genomik bzw. RNomics ausgebaut und ist mit drei erfolgreichen Projekten im GEN-AU-Netzwerk beteiligt. Dadurch leistet die Medizinische Universität Innsbruck einen wesentlichen Beitrag zur internationalen Profilierung der österreichischen Genom-Forschung.“
1) Chemistry & Biology 15, 485-492 (2008)
2) Nat Chem Biol.6(5):344-5 (2010)
3) N Engl J Med; 353:2654-2666 (2005)
4) Science;313(5795):1960-4. (2006)
Bildunterschrift: Prof. Victor Ambros, Prof.in Ada Yonath und Prof. Friedrich Lottspeich mit den Projektkoordinatoren Prof. Alexander Huettenhofer (Biozentrum) und Prof. Norbert Polacek (Universität Bern) (v. l) auf dem GEN-AU-Meeting in Innsbruck. (Foto: Harald Stauber Oncotyrol)
(Carola Hanisch, CEMIT)