Projekt EuroDRG: Stationäre Abrechnungssysteme auf dem Prüfstand
Effizienz und Zweckmäßigkeit sind Ansprüche, die im Gesundheitswesen höchste Priorität besitzen. Um ökonomisch vernünftige und qualitativ gleichwertige Alternativen für die naturgemäß knappen Ressourcen im Gesundheitssystem aufzeigen zu können, bedarf es gesundheitsökonomischer Analysen, wie sie kürzlich im Rahmen des EuroDRG-Projektes abgeschlossen wurden. Innsbrucker GesundheitsökonomInnen haben daran wesentlich mitgearbeitet.
Wie gut Gesundheitssysteme in der Praxis funktionieren, hängt wesentlich von ihren Vergütungsmechanismen ab. Diese Mechanismen beruhen im stationären Sektor in fast allen europäischen Ländern auf sogenannten Diagnosis-Related Groups (DRGs, diagnosebezogene Fallgruppen). Mithilfe dieser DRGs werden PatientInnen anhand medizinischer (Diagnose) und demographischer (Alter) Daten bzw. vergleichbarem Ressourcenaufwand (Behandlung) in medizinisch-ökonomisch homogene Fallgruppen klassifiziert, die die Grundlage der Vergütung bilden. Vor dem herausfordernden Bestreben einer Europäisierung des Gesundheitsmarktes waren die Ziele des von Jänner 2009 bis Dezember 2011 laufenden, im Zuge des 7. EU-Rahmenprogramms unter der Mitwirkung Innsbrucker GesundheitsökonomInnen geförderten EuroDRG-Projekts nun, diese unterschiedlichen Systeme zu vergleichen und ihre Leistungsfähigkeit auf den Prüfstand zu stellen. Im Fokus standen die Abrechnungssysteme aus Deutschland, England, Estland, Finnland, Frankreich, Irland, Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Schweden und Spanien. Am 17. November 2011 wurden die wichtigsten Ergebnisse im Rahmen der EuroDRG-Abschlusskonferenz in Berlin in Anwesenheit von 125 TeilnehmerInnen aus 27 Ländern, darunter WissenschafterInnen, PolitikerInnen und AkteurInnen des internationalen Gesundheitswesens, präsentiert und Empfehlungen diskutiert.
Fernziel europäisches DRG-System
Schon das vorangegangene HealthBASKET-Projekt im sechsten EU-Forschungsrahmenprogramm dokumentierte die Heterogenität der auf nationale Besonderheiten zugeschnittenen Vergütungssysteme. Vor dem Hintergrund steigender PatientInnenmobilität in Europa ist es daher von großer Wichtigkeit, in einem ersten Schritt Vergleichbarkeit zwischen den einzelnen Systemen herzustellen; als Basis für ein mögliches gesamteuropäisches DRG-System. Jede Weiterentwicklung in Richtung Vereinheitlichung sollte deshalb integrativ erfolgen. Bisherige Erfahrungen mit den unterschiedlichen europäischen Modellen bildeten im Rahmen des Forschungsprojektes die Grundlage für die Definition entsprechender Voraussetzungen und initiierten Fragen wie „Welche Methodik bildet bei der Berechnung der Pauschalen die Behandlungskosten adäquat ab?" oder „Welche Vergütungsbemessung gewährleistet eine hohe Versorgungsqualität und Kontrolle der Kosten?".
Relevante Innsbrucker Mitarbeit
Die Analyse und Evaluierung der Spitalsabrechnung stellt eine der Kernkompetenzen des Innsbrucker Departments für Medizinische Statistik, Informatik und Gesundheitsökonomie dar und bot somit beste Voraussetzungen für die essentielle Mitarbeit von Dipl.-Math. Conrad Kobel, Mag.a Caroline Linhart und MMag. Jörg Paetzold als eines von 12 europäischen Projektteams unter der Leitung von Univ.-Prof. Karl-Peter Pfeiffer. Österreich und das LKF-System (Leistungsorientierte Krankenanstaltenfinanzierung) als die nationale Variante eines DRG-Systems bzw. die österreichischen Besonderheiten standen dabei im Mittelpunkt der Analyse des Innsbrucker Projektpartners, der maßgeblich zum Erfolg des Gesamtprojektes beitragen konnte.
Der erste Teil des EuroDRG-Projektes beschäftigte sich mit der Analyse der nationalen DRG-Systeme, insbesondere deren Bestandteile und Rolle in der Vergütung. Dabei wurden die Determinanten von Krankenhauskosten und Fallpauschalen im stationären Sektor untersucht. „Im Mittelpunkt stand die Suche nach geeigneten Faktoren, um Fallpauschalen angemessen zu kalkulieren und dadurch stationäre Versorgung effizient zu gestalten. Ein weiterer Punkt war die Identifikation von Mechanismen, die trotzdem hohe Qualität gewährleisten", gibt Conrad Kobel Einsicht in Projektdetails. Um erstmalig einen europaweiten Vergleich methodisch entwerfen und umsetzen zu können, stand im zweiten Teil des Projektes eine empirische DRG-Systemanalyse im Vordergrund. Anhand von definierten Krankheitsbildern (u.a. Herzinfarkt, Hüftersatz, Brustkrebs, Appendektomie) und Kostendaten auf Patientenebene wurden die DRG-Systeme, hinsichtlich ihrer Fähigkeit unterschiedlichen Ressourcenverbrauch adäquat abzubilden, untersucht. Die Analysen zeigten, dass die europäischen DRG-Systeme nicht immer den tatsächlichen Ressourcenverbrauch optimal erfassen können und die Systeme, je nach Krankheitsbild, unterschiedlich gut funktionieren. Es wurden daher zahlreiche Verbesserungsmöglichkeiten aufgezeigt.
In der Absicht, die Entwicklung einer „gemeinsamen europäischen Sprache" voranzutreiben, entstand im Rahmen des Projekts - wiederum mit Beteiligung des Innsbrucker Teams - außerdem das von Projektkoordinator Prof. Reinhard Busse (TU Berlin) herausgegebene Buch "Diagnosis-Related Groups in Europe. Moving towards transparency, efficiency and quality in hospitals". Mit diesem Beitrag soll die Kommunikation zwischen ForscherInnen, ExpertInnen und EntscheidungsträgerInnen erleichtert und letztendlich die Effektivität des Krankenhaussektors europaweit verbessert werden.
(dh)
Links:
EuroDRG Projekt Homepage
http://www.eurodrg.eu
Buch "Diagnosis-Related Groups in Europe"
http://www.mcgraw-hill.co.uk/html/0335245579.html
Bundesministerium für Gesundheit - Leistungsorientierte Krankenanstaltenfinanzierung
http://bmg.gv.at/home/Schwerpunkte/Krankenanstalten/LKF_Leistungsorientierte_Krankenanstaltenfinanzierung/
Department für Medizinische Statistik, Informatik und Gesundheitsökonomie
http://www.i-med.ac.at/msig/