Neue Einblicke in die Chromatinorganisation und -regulation
Mit der Untersuchung der Chromatinstruktur über fünf Entwicklungsstadien und drei adulte Gewebearten hinweg, liefert ein Team um Mujahid Ali (Gemeinsame Einrichtung für Neurowissenschaften), Einblicke in die Anpassung epigenomischer Veränderungen. Die Erkenntnisse verbessern unser Verständnis der Genomfunktionalität und evolutionären Anpassung, mit Implikationen für die Rolle von Chromatin in Gesundheit und Krankheit.
Chromatin ist das genetische Grundmaterial in unseren Zellkernen. Es besteht aus der DNA (Desoxyribonukleinsäure) und damit assoziierten Eiweißen (Proteinen) und bildet die Komponenten, aus denen die Chromosomen sind. Das Verständnis der Chromatinstruktur und ihres Beitrags zu Regulation der Gene ist Gegenstand der Epigenetik und Thema einer neuen, im Fachjournal Nature Communications veröffentlichten Forschungsarbeit von Mujahid Ali und KollegInnen aus Wien und China, in der die komplexe 3D-Chromatinlandschaft von Drosophila pseudoobscura im Verlauf der Entwicklung untersucht wurde.
BU: PostDoc und Erstautor Mujahid Ali, ©privat
Erstautor Mujahid Ali forscht derzeit als PosDoc am Institut für Neurowissenschaften und untersuchte bereits in seiner Dissertation epigenomische Chromatinlandschaften und die 3D-Genomorganisation während der Entwicklung von Drosophila. Diese Arbeit ermöglichte es ihm, Expertise im Analysieren von Hochdurchsatz-Sequenzierungsdaten zu entwickeln, fortschrittliche Techniken zu nutzen und die komplexe Beziehung zwischen Epigenetik und Genomarchitektur zu entwirren.
Schlüsselrollen in der Chromatinorganisation und -regulation
Chromatin, der Komplex aus DNA und Proteinen, beeinflusst die Genexpression, indem es sich in spezifische Konfigurationen im 3D-Zellkern faltet. „Wir untersuchten nun, wie sich das Epigenom – regulatorische Modifikationen, die die Genaktivität beeinflussen – zusammen mit chromosomalen Veränderungen entwickelt. Dabei konnten wir nachweisen, dass verschiedene Chromatinzustände, also spezifische Muster der DNA-Modifikation und Proteinbindung, eine zentrale Rolle bei der Organisation von Chromatin spielen, die wiederum Geninteraktionen innerhalb der 3D-Kernumgebung regulieren“, berichtet der Neurowissenschaftler.
In ihrer Arbeit fokussierten sich die ForscherInnen auf transponierbare Elemente (TEs), repetitive DNA-Sequenzen, ihre dynamischen Rollen in der Chromatinstruktur sowie Genregulation und zeigen, dass über 60 Prozent der TEs Entwicklungsveränderungen durchlaufen, oft von stillgelegten Zuständen zu aktiven Rollen übergehen, insbesondere im neu entstandenen X-Chromosom. „Ältere, angepasste TEs tragen zu Chromatin-Loop-Strukturen bei und aktivieren sich als Enhancer, was ihr regulatorisches Potenzial in der 3D-Chromatinorganisation unterstreicht“, so Mujahid Ali. Im Rahmen der Untersuchung wurde außerdem die Rolle von TEs bei der Bildung von topologisch assoziierter Domänen (TADs) beleuchtet. „Wir stellten fest, dass TADs zur Aufrechterhaltung der 3D-Kernarchitektur beitragen, indem sie aktive und inaktive Regionen kompartimentieren. In Drosophila pseudoobscura waren aktive TEs auf dem neo-X-Chromosom, das durch evolutionäre Chromosomenfusion entstanden ist, häufiger vorhanden; dies weist auf einen Zusammenhang zwischen TEs und Dosis-Kompensation hin – einem Mechanismus, der die Genexpressionsniveaus zwischen den Geschlechtern ausgleicht.
(16.01.2025, Text: A. Mujahid/D. Heidegger, Bilder: AI generated)
Links:
Development and evolution of Drosophila chromatin landscape in a 3D genome context . Ali, M., Younas, L., Liu, J. et al. Nat Commun 15, 9452 (2024).
https://doi.org/10.1038/s41467-024-53892-0
Gemeinsame Einrichtung für Neurowissenschaften