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Rituximab-Studie bei nephrotischem Syndrom stimmt optimistisch

Die bisher größte Untersuchung zur Effektivität von Rituximab bei PatientInnen mit seltenen Podozytopathien bestätigt die Vorteile der Therapie: Krankheitskontrolle trotz multipler Vortherapien, weniger Schübe, wenige Nebenwirkungen und stabilisierte Nierenfunktion. Die Ergebnisse der von Philipp Gauckler und Andreas Kronbichler (Univ.-Klinik für Innere Medizin IV) initiierten und geleiteten multizentrischen Studie wurden kürzlich im Journal of the American Society of Nephrology publiziert.

Vieles ist noch unerforscht bei Podozythopathien, zu denen die Formen Minimal Change Disease und FSGS (fokal segmentale Glomerulosklerose) zählen. Bei diesen seltenen Krankheiten werden die Filterzellen der Nieren (Podozyten) angegriffen. Wie viele Menschen davon betroffen sind, ist nicht genau bekannt. Vermutlich handelt es sich um Autoimmunerkrankungen. Es gibt starke Hinweise dafür. Doch auch das ist noch nicht restlos gesichert. Folglich gibt es keine zugelassene Therapie und schon gar keine, die auf die Ursache abzielen könnte. Jetzt aber stimmen die Ergebnisse einer retrospektiven Untersuchung, die an weltweit 30 Zentren in 15 Ländern und von insgesamt 52 ForscherInnen unter der Leitung von Philipp Gauckler (Erstautor) und Andreas Kronbichler (korrespondierender Autor) von der Univ.-Klinik für Innere Medizin IV (Direktor: Gert Mayer) durchgeführt wurde, zuversichtlich: In der Studie „Long-Term Outcomes of Rituximab-Treated Adult Patients with Podocythopathies“, die unlängst im hochrangigen Journal of the American Society of Nephrology veröffentlicht wurde, konnten die ForscherInnen zeigen, dass die Behandlung mit der Substanz Rituximab neben der guten Verträglichkeit noch weitere Vorteile für die PatientInnen bringt.

Philipp Gauckler und Andreas Kronbichler

BU: Philipp Gauckler und Andreas Kronbichler haben die internationale Studie initiiert und geleitet.

In der Untersuchung konnte mit 119 erwachsenen Minimal Change Disease-PatientInnen und 64 erwachsenen FSGS-PatientInnen, die allesamt über drei Jahre nachbeobachtet wurden, die bisher höchste Fallzahl in eine Untersuchung eingeschlossen werden. Den Großteil der Kohorte machen PatientInnen aus, die bereits viele Therapien mit unterschiedlichen Substanzen hatten und viele Rückfälle erlitten haben. Ziel war es, bessere Daten zur Effektivität von Rituximab zu gewinnen. Das ist gelungen. „Wir haben gesehen, dass die PatientInnen trotz dieser schweren, komplizierten Vergangenheit ein sehr gutes Ansprechen zeigen und, wir haben gezeigt, dass es mit Rituximab bei den allermeisten PatientInnen möglich ist, die Anzahl weiterer Begleittherapien wesentlich zu reduzieren“, sagt Gauckler. Die Betroffenen erleiden weniger Krankheitsschübe, bei gutem Ansprechen auf Rituximab kann die Nierenfunktion stabil gehalten werden.

Sowohl Minimal Change Disease als auch FSGS äußern sich als nephrotisches Syndrom: Die Betroffenen dieser meist schubartig verlaufenden Krankheit verlieren akut sehr viel Eiweiß über den Harn. Innerhalb kürzester Zeit kommt es zu einer massiven Gewichtszunahme ­– teilweise zehn bis 15 Kilogramm binnen einer Woche ­– durch Wassereinlagerungen. An Beinen, Händen, Augen, oft auch im Bauchbereich entstehen massive Schwellungen. Der Blutdruck steigt. Menschen jeden Alters können betroffen sein. Im Gegensatz zu anderen seltenen Krankheiten kann die Diagnose recht einfach gestellt werden. Ein einfacher Harnstreifentest sollte ausreichen, um die Alarmglocken schrillen zu lassen, die enorme Ausscheidung von Eiweiß macht MedizinerInnen hellhörig.

Außerdem: „Bei Kindern ist Minimal Change Disease mit mehr als 90 Prozent die allerhäufigste Ursache von einem nephrotischen Syndrom, sodass man ihre Nieren eigentlich schon gar nicht mehr biopsiert. Mit zunehmendem Alter tritt diese Krankheitsform aber weniger auf. Die FSGS-Erkrankung kommt über alle Altersgruppen hinweg in etwa stabil vor und ist für 20 Prozent der nephrotischen Syndrome verantwortlich“, erklärt Philipp Gauckler. Das Therapieansprechen bei FSGS ist meistens schlechter als bei Minimal Change Disease. Sprechen die PatientInnen auf die Therapie nicht an, werden sie nach durchschnittlich sieben Jahren dialysepflichtig, selbst nach einer Nierentransplantation kehren in 30 bis 40 Prozent der Fälle die Krankheitsschübe zurück. „Auch deshalb geht man davon aus, dass es sich um eine Autoimmunerkrankung handelt. Wäre die Krankheit nierenassoziiert, würde es im Transplantat keine Rückfälle geben“, führt Andreas Kronbichler weiter aus.

Typische Krankheitsauslöser sind Infekte und Allergien. Beim erstmaligen Auftreten der Erkrankung hat sich Kortison (i.e. Steroide) in hohen Dosen als Therapie der Wahl bewährt, sowohl bei Minimal Change Disease, als auch bei FSGS. In den meisten Fällen treten jedoch wiederholt Krankheitsschübe auf, entweder bereits beim Ausschleichen des Medikaments, oder nach einer gewissen Ruhephase. Das Problem: „Auf Dauer ist es nicht befriedigend, wenn man zu viel Kortison gibt. Das ist eine sehr nebenwirkungsträchtige Therapie. Für unsere Untersuchung war das die Rationale: Es sind zwei schlecht erforschte Erkrankungen. Es gibt wenig Studien. Es gibt keine zugelassene Therapie dafür, nicht einmal Kortison“, bringt es Gauckler auf den Punkt. Im klinischen Alltag werde aber „off label“ viel versucht und ausprobiert, seit vielen Jahren auch mit Rituximab, wie Kronbichler ergänzt. Rituximab zielt auf CD20-Zellen ab, die von reifen B-Zellen exprimiert werden. Im Gegensatz zu Steroiden, die das Immunsystem sehr breit, aber unspezifisch hemmen, zielt Rituximab ganz spezifisch auf die B-Zellen ab.

„Die einzelnen Fallserien, die man kennt, sind sehr positiv, sodass auch die Guidelines bereits sehr vorsichtig sagen, dass man den Wirkstoff in weiterer Therapielinie nutzen kann“, sagt Kronbichler. Soweit die Ausgangslage der Studie – mit der durch die vergleichsweise hohe Fallzahl noch mehr Daten und damit Argumente für die Rituximab-Therapie geliefert werden konnte. „Wir haben gesehen, dass mit Rituximab viele der Nebenwirkungen, die von Steroiden bekannt sind, nicht auftreten.“

Gesunde Menschen haben einen GFR-Wert (Nierenfiltrationsrate, ein Parameter für die Nierenfunktion) von 90 bis 120. Die Kontrolle der Nierenfunktion im Verlauf von drei Jahren hat gezeigt, dass PatientInnen, die nicht auf Rituximab ansprechen, 11 Milliliter GFR (ein Parameter für die Nierenfunktion) verlieren – bei einem von vornherein niedrigeren Ausgangswert von rund 75 GFR (entspricht einer 25-prozentigen Einschränkung der Nierenfunktion). Betroffene, bei denen eine vollständige Remission erreicht werden konnte, haben nach drei Jahren eine stabile Filtrationsrate mit unverändertem Ausgangswert. Eine teilweise Remission – weniger Schübe – geht mit einem Verlust von 4 ml/min GFR in drei Jahren einher. „Das heißt, dass eine Entwicklung Richtung Dialyse sehr unwahrscheinlich ist. Die PatientInnen mit 11 ml/min GFR-Verlust haben aber definitiv ein hohes Risiko“, verdeutlicht Kronbichler.

Ein weiterer Vorteil der Behandlung ist, dass das Infektrisiko viel niedriger gehalten werden kann, weil damit nicht das gesamte Immunsystem supprimiert wird, sondern nur die Zellen eliminiert werden, die für den Pathomechanismus verantwortlich sind. Wir kennen die Therapie natürlich schon von vielen anderen Nierenerkrankungen bei denen Rituximab zugelassen ist. Das heißt, wir haben langjährige Erfahrung mit der Substanz, kennen die gute Verträglichkeit und auch die Risiken“, räumt Gauckler ein. Zu den relevanten Risiken zähle u.a. ein eingeschränktes Ansprechen auf Impfungen und ein erhöhtes Risiko für schwere Infektionen, wie Covid-19. Grundsätzlich handle es sich aber um eine vergleichsweise gut verträgliche immunsuppressive Therapie. Zusätzlich sei die Verabreichung in Form einer einmaligen Infusion für viele PatientInnen angenehmer als die tägliche Tabletteneinnahme, wie es bei Kortison der Fall ist.

Neben FSGS und Minimal Change Disease gibt es noch eine dritte Erkrankung im Formenkreis der Podozythopathien: die membranöse Nephropathie. Dieser Krankheit wollen sich die Nephrologen, die beide die Vorliebe für detektivisches Vorgehen teilen, in einer kommenden Untersuchung widmen.

(Innsbruck, am 5. Dezember 2024, Text: T. Mair, Bilder: Ingeborg Bajema; MUI/D. Bullock)

Forschungsarbeit:
Gauckler, Philipp; Matyjek, Anna; Kapsia, Seleni; et.al;  on behalf of the RITERM Study Team. “Long-Term Outcomes of Rituximab-Treated Adult Patients with Podocytopathies.” Journal of the American Society of Nephrology ():10.1681/ASN.0000000520, October 16, 2024. | DOI: 10.1681/ASN.0000000520  https://journals.lww.com/jasn/fulltext/9900/long_term_outcomes_of_rituximab_treated_adult.447.aspx

Weitere Links:
Univ.-Klinik für Innere Medizin IV

 

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