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Seltener Heilpilz bringt Disziplinen unter einen Hut

Ein ungewöhnlicher Schwammerlfund war Ausgangspunkt einer zukunftsweisenden Kooperation zwischen Forschenden der Leopold-Franzens und der Medizinischen Universität Innsbruck: Der seltene Hericium coralloides wurde durch die Kombination mehrerer bildgebender Verfahren bis ins letzte Detail charakterisiert, seine Untersuchung könnte auch die Tumorforschung weiterbringen.

 Beim Schwammerlsuchen hat die Familie Pallua vor einigen Jahren einen etwas skurril aussehenden Pilz entdeckt. Wie sich schon bald herausstellte, handelte es sich dabei um Hericium coralloides, den äußerst seltenen Verwandten eines in der Traditionellen Chinesischen Medizin aufgrund seiner vielfältigen Wirksamkeit häufig verwendeten Heilpilzes aus der Gattung der „Stachelbärte". Damals noch Biologiestudent, machte es sich MMag. Dr. Johannes D. Pallua zur Aufgabe, den seltenen Pilz näher zu charakterisieren. Aus diesem Vorhaben entstand eine nachhaltige Kooperation mit Kollegen unterschiedlichster Disziplinen, in deren Rahmen der vielversprechende Pilz mithilfe von fünf verschiedenen bildgebenden Verfahren charakterisiert wurde. Jedes dieser Verfahren lieferte andere Informationen über dessen morphologische und biochemische Beschaffenheit. „Pilze der Gattung Hericium gelten als medizinisch höchst relevant. Sie wirken unter anderem antimikrobiell und lipidsenkend und hemmen das Wachstum von Tumoren, weshalb sie in den letzten Jahren mehr und mehr ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt sind", streicht Johannes Pallua nur einige positive Eigenschaften der vielversprechenden Schwammerl-Art hervor. Allerdings fehlen insbesondere über Hericium coralloides, aber auch über andere Vertreter der Gattung, noch detaillierte Informationen, um sie in Prophylaxe und Therapie einsetzen zu können.

Nicht invasive Verfahren

„Nachdem wir unseren Hericium-Fund in der Arbeitsgruppe von Prof. Reinhold Pöder am Institut für Mikrobiologie mit klassischen lichtmikroskopischen Techniken identifiziert hatten, stellte sich die Frage nach der weiteren Vorgehensweise", schildert Pallua. Da der Pilz äußerst selten ist, nahm er von invasiven Untersuchungsmethoden Abstand. Über Umwege gelang es ihm gemeinsam mit seinem Vater Prim. Dr. Anton K. Pallua, Dr. Wolfgang Recheis vom Team Experimentelle Radiologie der Medizinischen Universität an Bord zu holen, der den Pilz mittels Kernspin-Tomografie untersuchte. Das Verfahren aus der medizinischen Diagnostik brachte wichtige Informationen über Oberfläche und Volumen sowie die Sporenproduktion dieses bizarr geformten Pilzes, die erstmals Berechnungen zu „seiner evolutionären Entwicklungsstrategie" erlaubten. „Mit Kernspin-Tomografie kann man die Geometrie des Körpers in allen drei Raumrichtungen sehr gut darstellen. Diese Visualisierung war der Part der Radiologie", erklärt Wolfgang Recheis.
Die rasterelektronenmikroskopische Untersuchung von Hericium coralloides wurde ebenfalls an der Medizinischen Universität, von Prof. Kristian Pfaller von der Division für Histologie und Embryologie, durchgeführt: Sie lieferte stark vergrößerte und tiefenscharfe Bilder ausgewählter Oberflächenabschnitte.

Wirkstoffverteilung

Die Verteilung bestimmter Biomoleküle im Fruchtkörper des Pilzes wurde mit Hilfe spektroskopischer Analyse-Methoden am Institut für Analytische Chemie und Radiochemie der Universität Innsbruck ermittelt. Sowohl MALDI, ein laserbasiertes, massenspektrometrisches Verfahren, als auch FTIR, eine auf Infrarotspektroskopie beruhende bildgebende Methode, werden hier von Prof. Günther Bonn und Prof. Christian Huck seit Jahren weiterentwickelt. „Mit MALDI und FTIR konnten wir herausfinden, wo im Gewebe bestimmte Biomoleküle wie Proteine, Peptide, Lipide oder Metaboliten erzeugt werden. Wir wissen dadurch mehr über örtliche und zeitliche Verteilung potenzieller Wirkstoffe", beschreibt Christian Huck, der Johannes Pallua, der seine Dissertation am Institut verfasste, bei den FTIR- und MALDI-Analysen des Hericium coralloides unterstützt hat. „Zum Beispiel konnten wir mit FTIR bereits zeigen, dass bestimmte Biomoleküle vermehrt im sporenbildenden Geweben produziert werden", erläutert Pallua eine für die Wirkstoffforschung wichtige Erkenntnis.

Tumorforschung profitiert

Zur abschließenden Interpretation wurden die Ergebnisse dieser bildgebenden Verfahren mit den histologischen Informationen, die mittels Rasterelektronenmikroskopie und Lichtmikroskopie gewonnen wurden, korreliert. „Ein derart genaue Untersuchung wurde meines Wissens nach noch bei keinem Heil-Pilz durchgeführt", sagt Pallua nicht ohne Stolz. Der Aufwand, den er und seine Kollegen investiert haben, diente jedoch nicht allein der Charakterisierung von Hericium coralloides, sondern führte zur Etablierung einer sogenannten Novel Extended Characterisation Platform, welche die an den unterschiedlichen Instituten beheimateten Imaging Methoden unter einem Dach vereint. „Das Neuartige ist die Zusammenschau dieser etablierten Methoden, die sich zur Analyse von allen möglichen Gewebetypen eignet", streichen Wolfang Recheis und Johannes Pallua hervor. Zukunftsweisend könnte die Kooperation beispielsweise für die Erforschung von Gewebe-Abstoßungsreaktionen bei Transplantationen, aber auch für die Untersuchung der Tumorgenese sein. – Letztere wird auch Thema des nächsten gemeinsamen Forschungsvorhabens der Plattform sein, wie Christian Huck andeutet.

(ef)

Die Ergebnisse und Möglichkeiten der neu gegründeten Novel Extended Characterisation Platform wurden kürzlich im renommierten Fachjournal „Analyst" unter folgendem Originaltitel publiziert:
Morphological and tissue characterization of the medicinal fungus Hericium coralloides by a structural and molecular imaging platform
Autoren: J. D. Pallua, W. Recheis, R. Pöder, K. Pfaller, C. Pezzei, H. Hahn, V. Huck-Pezzei, L. K. Bittner, G. Schaefer, E. Steiner, G. Andre, S. Hutwimmer, S. Felber, A. K. Pallua, A. F. Pallua, G. K. Bonn und C. W. Huck

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