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Die PhD-Studierenden Janine Prast und Kai Kummer sind Teil der Arbeitsgruppe für Suchtforschung von Prof. Gerald Zernig. (v. re.)

Weitere Erkenntnisse für die Therapie drogenabhängiger Menschen

Was passiert im Hirn wenn Freundschaften wichtiger werden als Drogen? Die Arbeitsgruppe Suchtforschung der Abteilung für Experimentelle Psychiatrie in Innsbruck macht mit zahlreichen Publikationen auf ihre überraschenden Forschungsergebnisse aufmerksam.

Bereits Anfang diesen Jahres sind Ergebnisse der Innsbrucker ForscherInnen in der Suchtforschungszeitschrift „Addiction Biology" publiziert worden. Die WissenschaftlerInnen konnten experimentelle Bedingungen finden, unter denen Individuen ihre Vorliebe von Kokain auf soziale Interaktion verändern. Damit wird der Weg zur neurobiologischen Untersuchung des heilsamen Effektes von sozialer Interaktion möglich. Weitere Erkenntnisse sind jetzt in drei Folgepublikationen erschienen.

Im Tiermodell konnte die Arbeitsgruppe Suchtforschung zeigen, dass sich selbst mit Drogen vertraute Ratten lieber in einem Raum aufhalten, in dem sie einen gleich großen und gleichgeschlechtlichen (männlichen) Artgenossen kennengelernt hatten, als in einer Kammer, in der ihnen die Droge Kokain verabreicht wurde. „Wir haben damit gezeigt, dass soziale Interaktion in der Lage ist, die Vorliebe eines Individuums von Kokain auf soziale Interaktion zu richten", erklärt Prof. Gerald Zernig, Leiter der Arbeitsgruppe Suchtforschung der Abteilung für Experimentelle Psychiatrie der Universitätsklinik für Allgemeine Psychiatrie und Sozialpsychiatrie. „Damit liefern wir den ersten Grundforschungsbeleg dafür, dass soziale Interaktion - die ja auch ein wesentlicher Teil der psychotherapeutischen Behandlung von Drogenkranken ist - beim Weg zur Drogenfreiheit sehr hilfreich sein kann."

Veränderungen in den neuronalen Netzwerken

In einer kürzlich veröffentlichten Folgepublikation hat der neuentwickelte Versuchsansatz gezeigt, dass durch gezielte Inaktivierung kleinster benachbarter Hirnareale - dem Kern bzw. der Schale des nucleus accumbens - die relative Attraktivität von Kokain zu sozialer Interaktion und zurück wie auf einer Wippe verschoben wird. „Wir können uns Freude über viele verschiedene Dinge verschaffen. Abhängige Menschen können dagegen nur noch über den Drogenkonsum Freude erhalten", erklärt Prof. Zernig. "Deshalb ist es wichtig herauszufinden, was genau bei dieser drogeninduzierten Lustlosigkeit am Leben passiert." Der Pharmakologe und Psychotherapeut spricht anschaulich von einer sogenannten „Diktatur der Drogenneuronen" bei drogenabhängigen Menschen. „Ziel unserer Arbeit ist es herauszufinden, wie wir diese Diktatoren ausschalten können, um den abhängigen Menschen zu helfen, wieder Freude am normalen Leben zu haben." Mit der Identifizierung der einander wechselseitig beeinflussenden Hirnareale, die Drogengier oder Lust auf soziale Interaktion vermitteln, sind die Innsbrucker ForscherInnen diesem Ziel einen wesentlichen Schritt näher gekommen. Erstautor des im allgemein zugänglichen Online-Journal „PLoS ONE" veröffentlichten Artikels der Studie ist Dr. Michael Fritz. Der ehemalige Dissertant der Forschergruppe arbeitet inzwischen als Post-Doc an der Universität von Linköping in Schweden.

Hohe Bedeutung von Berührungen

In der allerjüngsten Veröffentlichung der Arbeitsgruppe im allgemein zugänglichen Online Journal "Frontiers in Behavioral Neuroscience" zeigen die ForscherInnen, dass bei Ratten, die eigentlich eher für ihre erstaunlichen Riechfähigkeiten bekannt sind, es die Berührung ist, die von allen Sinnesreizen bei der sozialen Interaktion am meisten zählt: „Unsere Ergebnisse deuten an, dass körperzentrierte Psychotherapien bei Drogenabhängigen und Menschen mit anderen psychiatrischen Erkrankungen besonders erfolgreich sein könnten." Erstautor der Innsbrucker Studie über die Macht der Berührung als Teil sozialer Interaktion ist Mag. Kai Kummer, Dissertant im PhD-Kolleg „Signalverarbeitung in Nervenzellen/Signal Processing in Neurons" (SPIN; Principal Investigator Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Alois Saria). Das Wissenschaftskolleg forscht zum Aufbau und der Funktionsweise des menschlichen Nervensystems. Die Biotechnologin Janine Prast MSc ist eine weitere SPIN-PhD-Dissertantin in der Forschergruppe.

Ergebnisse helfen drogenabhängigen Menschen

Die Erkenntnisse aus den Tiermodellen kommen bereits drogenabhängigen Menschen zu Gute. Zernig versucht die Erkenntnisse aus seiner Forschungsarbeit in seiner eigenen Arbeit mit seinen KlientInnen umzusetzen und diskutiert die Ergebnisse mit KollegInnen. Das Suchtforschungsteam konnte auch zeigen, dass der Sigma1-Rezeptorantagonist BD1047 im Tiermodell die Verschiebung von Drogengier auf soziale Interaktion unterstützt. "Dieses Ergebnis könnte in einer klinischen Studie sofort translational verwertet werden", so Prof. Zernig. In der Arbeitsgruppe für Suchtforschung arbeiten derzeit sechs WissenschaftlerInnen daran, weitere wichtige Erkenntnisse für die Therapie drogenabhängiger Menschen zu gewinnen.

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(hof)

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