Reaktive Sauerstoffradikale, flüchtige oder reale Targets?
Untersuchungen der Arbeitsgruppe um Prof. Jakob Troppmair vom Daniel Swarovski Forschungslabor haben zum ersten Mal gezeigt, dass reaktive Sauerstoffradikale eine essentielle Rolle beim Absterben von Zellen nach dem Entzug von Wachstumsfaktoren spielen. Dieses Ergebnis veröffentlichen die Innsbrucker Forscher in der im April erscheinenden Ausgabe der Zeitschrift Molecular and Cellular Biology.
Reaktive Sauerstoffradikale (ROS) sind ein Nebenprodukt der vom Sauerstoff abhängigen Lebensweise, erklärt Prof. Jakob Troppmair. In normalen Mengen erfüllen sie eine wichtige Aufgabe in der zellulären Signalweiterleitung, während hohe Konzentrationen zur Schädigungen von Biomolekülen und letztendlich zum Zelltod führen. Gemeinsam mit Forscherinnen und Forschern des KMT Labors um Dr. Martin Hermann und Prof. Paul Hengster an der von Prof. Raimund Margreiter geführten Abteilung für Allgemein- und Transplantationschirurgie konnte seine Arbeitsgruppe nun erstmals zeigen, dass reaktive Sauerstoffradikale eine essentielle Rolle beim Absterben von Zellen nach dem Entzug von Wachstumsfaktoren spielen. Wir haben auch einen möglichen Mechanismus aufgedeckt, durch den reaktive Sauerstoffradikale einen Anstieg von mitochondrialem Kalzium verursachen, der wiederum zur Auslösung des Zelltodes führt. Die entscheidende Beobachtung bei diesen Untersuchungen war, dass alle Veränderungen, die zum Zelltod führten, durch aktivierte RAF-Kinase verhindert werden konnten. Die Arbeiten der Innsbrucker Forscher beschreiben daher zum ersten Mal einen konkreten Mechanismus, wie dieses Enzym Zellüberleben steuern kann. RAF ist durch Mutationen in ungefähr 10 Prozent aller Tumoren betroffen. Trotz dieser dokumentierten genetischen Veränderung sind RAF-Kinasehemmer bisher aber von geringer klinischer Relevanz. Neue therapeutische Ansatzpunkte in diesen Tumoren sind daher gefragt. Aktuelle Forschungen haben gezeigt, dass trotz der Abhängigkeit vieler Tumorzellen von reaktiven Sauerstoffradikalen, eine Sensitivität gegenüber deren stark erhöhten Konzentrationen erhalten bleibt, so Troppmair. Zukünftige Forschungen werden daher untersuchen, ob durch eine künstliche Manipulation der zellulären ROS-Spiegel ein Tumorzelltod ausgelöst werden kann.
Erste Experimente bestätigen Strategie
Viele pathologische Vorgänge führen zu einer verstärkten Bildung reaktiver Sauerstoffradikale und es wäre wünschenswert, hier steuernd eingreifen zu können, betont Prof. Troppmair. Ein gut untersuchtes Beispiel dafür sei der Ischämie-/Reperfusionsschaden, wie er bei der Transplantation solider Organe auftritt. Speziell bei der Wiederdurchströmung eines Organs entstehen große Mengen an Sauerstoffradikalen, die zur Organschädigung führen. Unsere aktuellen Ergebnisse eröffnen nun die Möglichkeit, über die Manipulation von Signalwegen in die ROS Freisetzung einzugreifen und damit sehr früh eine mögliche Organschädigung zu verhindern, erklärt Jakob Troppmair, der seit kurzem Swarovski-Stiftungsprofessor für Molekulare Transplantationsbiologie an der Medizinischen Universität Innsbruck ist. Tatsächlich bestätigen noch nicht publizierte Daten aus meiner Arbeitsgruppe die Aktivierung von MAPK Signalwegen als einen sehr frühen Vorgang während der Reperfusion. Erste Experimente zeigen, dass über die Manipulation dieser Signalmoleküle mitochondriale ROS/Kalzium-Konzentrationen im normalen Bereich gehalten werden können. Zusammenfassend lassen diese Daten die Beeinflussung intrazellulärer Signalwege als möglichen therapeutischen Ansatz bei der Verhinderung oder Behebung von pathophysiologischen Zuständen, die durch die Störung der ROS/Kalzium-Homeostase gekennzeichnet sind, sinnvoll erscheinen.
Mag. Julija Smigelskaite, die sich mit Priv.-Doz. Andrey Kuznetsov die Erstautorenschaft der aktuellen Forschungsarbeit teilt, führt ihre Doktorarbeit am Daniel Swarovski Forschungslabor im Rahmen des vom FWF geförderten internationalen Doktoratskollegs Molecular Cell Biology and Oncology (MCBO) durch.