Neue Herausforderungen in der Herzchirurgie
Bei der Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizer Gesellschaften für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie diskutieren in diesen Tagen 1.800 Teilnehmer im Congress Innsbruck über neue Herausforderungen in der Herzchirurgie. Schwerpunkte sind unter anderem die Qualitätssicherung, minimal-invasive Operationstechniken und der Einsatz von artifiziellem Gewebe.
Österreichische Herzpatienten sollen in Zukunft nicht nur kürzer als bisher auf ihre Operation warten, sie dürfen auch mehr Sicherheit erwarten. Das jedenfalls erhofft man sich vom neuen Qualitätssicherungssystem in der Herzchirurgie. Die Herzchirurgen sind damit die erste Fachgesellschaft in Österreich, die ein flächendeckendes medizinisches Qualitätsmanagementsystem mit einer vergleichenden Outcome-Analyse für alle Operationen an Erwachsenen in allen neun österreichischen Herzzentren stufenweise startet. Die Daten werden bis zum Jahr 2009 erstmals flächendeckend erhoben und zentral vom Österreichischen Bundesinstitut für Qualität im Gesundheitswesen (BIQG) im Erwachsenen-Herzchirurgie-Register gesammelt und ausgewertet. Wenn man berücksichtigt, dass wir in Österreich wesentlich mehr ältere und mehrfach erkrankte Patienten operieren, können wir international sehr gut mithalten, sagte der Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Thorax- und Herzchirurgie, Dr. Roland Schistek, zum Status der Herzchirurgie in Österreich. Im Jahr 2006 wurden insgesamt 6.714 Menschen am offenen Herzen operiert. Mit 3.700 führen Bypassoperationen die Statistik an, vor Herzklappenoperationen (1.979), angeborenen Herzfehlern (564) und Aortenaneurysmen (288). 2006 gab es in Österreich insgesamt 50 Herztransplantationen. Tagungspräsident Prof. Günther Laufer, Leiter der Klinischen Abteilung für Herzchirurgie an der Medizinischen Universität Innsbruck, ortete aber bei der herzchirurgischen Versorgung der Bevölkerung ein Nachhinken Österreichs. Während in Deutschland auf 1 Million Einwohner rund 1.104 Operationen am offenen Herzen kommen und in der Schweiz 882, sind es in Österreich gerade einmal 636. Patienten warten in Österreich derzeit bis zu einem halben Jahr auf eine Herzoperation.
Endoskopische Bypassoperationen setzen sich durch
Die Bypassoperation stellt das Hauptbetätigungsfeld der Herzchirurgen in Österreich dar. Obwohl durch die Aufdehnung und Einpflanzung von so genannten Stents immer mehr Interventionen im kardiologischen Herzkatheterlabor durchgeführt werden, bleibt die Bypass-Operation für Betroffene wichtig. Vor allem bei zwei oder mehr Engstellen an den Herzkranzgefäßen haben Patienten, denen medikamentenbeschichtete Stents eingepflanzt wurden, eine deutlich schlechtere Überlebensrate als Bypass-Patienten. Das zeigt jedenfalls eine neue Studie aus New York, die Prof. Edward L. Hannan beim Kongress in Innsbruck vorstellt. In der Bypassoperation setzen sich minimal-invasive Verfahren zusehends durch. Immer öfter werden Operationen mit dem Operationsroboter komplett endoskopisch durchgeführt. Dies ermöglicht Patientinnen und Patienten eine wesentlich raschere Heilung. Wie Roboterexperte Prof. Johannes Bonatti von der Klinischen Abteilung für Herzchirurgie berichtete, nimmt Innsbruck hier eine internationale Vorreiterstellung ein und ist mit bisher 200 Roboter-Bypassoperationen eines der drei weltweit führenden Zentren. Rund 15 Prozent aller herzchirurgischen Eingriffe werden hier bereits minimalinvasiv operiert. Während klassisch operierte Bypass-Patienten erst nach zwei Monaten an leichten Sport denken können, sitzen endoskopisch operierte Patienten bereits nach 14 Tagen wieder auf dem Fahrrad.
Bioartifizielle Herzklappen erfolgreich bei Kindern
Führend in der Herstellung und Einpflanzung bioartifizieller Herzklappen für Kinder ist derzeit das Team um Prof. Axel Haverich, dem Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie, an der Medizinischen Hochschule Hannover. Er sagt für die nächsten fünf Jahre deutliche Fortschritte voraus: Einerseits in der weiteren medizintechnischen Verbesserung der minimal-invasiven Implantation von Herzklappen, andererseits bei der Stabilität neuer Herzklappen. Erste klinische Implantationen von bioartifiziellen Herzklappen in Kooperation mit moldawischen Herzchirurgen zeigen nach fünf Jahren durchschlagenden Erfolg. Heute lässt sich bei den Kindern nicht mehr unterscheiden, ob ihre Herzklappe ein Implantat ist oder ob es ihre eigene Herzklappe ist, sagt Prof. Haverich. Besondere Hoffnung wenn auch erst in ein bis zwei Jahrzehnten realistisch gibt der erste geglückte Versuch mit einem bioartifiziellen Herzen, der vom Tiroler Dr. Harald Ott an der Harvard University in Boston durchgeführt wurde. Für das neue Designerherz löste Ott die Zellen von Schweine- und Rattenherzen vom Bindegewebe und besiedelte das Faserskelett mit Vorläuferzellen des Herzmuskels. Die Zellen vermehrten sich in einer Nährlösung, bis sie das Bindegewebe ausfüllten. Ott erbrachte in der Folge den Nachweis, dass die neuen Zellen begannen, sich rhythmisch zusammenzuziehen und damit eine Pumpbewegung auszuführen. Die Menschheit scheint damit der Idee vom aus eigenen Zellen gezüchteten Herzen einen Schritt näher gekommen.