Plasmaspiegel: Richtlinien für die Forensik
Richtlinien für die Bewertung von Plasmaspiegeln in Gerichtsverfahren haben Experten aus Deutschland, der Schweiz und Österreich am Freitag im Congresspark Igls erarbeitet. Die Richtlinien sollen Vertretern des Rechtssystems Orientierung im Streitfall bieten. Die Tagung wurde von Prof. Gerald Zernig und Prof. Alois Saria vom Bereich Experimentelle Psychiatrie an der Univ.-Klinik für Psychiatrie organisiert.
Eine Tablette pro Tag und dann einfach schauen was passiert, ist ein Behandlungsprinzip, das leider noch viel zu oft praktiziert wird und eigentlich zumindest im Bereich der Behandlung von Patienten mit seelischen Problemen und psychiatrischen Erkrankungen als Kunstfehler zu beurteilen ist, sagen Prof. Gerald Zernig und Prof. Alois Saria, die lokalen Organisatoren des internationalen Workshops Forensische Aspekte des Therapeutischen Drug Monitoring (TDM) in der Psychiatrie, der am Freitag im Congresspark Igls stattfand. Es hat sich gezeigt, dass bei der Gabe der empfohlenen Dosis eines gebräuchlichen Antidepressivums die Plasmaspiegel um das 24-fache differieren können. Viele der Patienten hatten keine genügend hohen Plasmaspiegel, bei anderen waren die Plasmaspiegel so hoch, dass das Risiko von Nebenwirkungen drastisch erhöht war, erklärt Prof. Zernig. Man kann Menschen einfach nicht über einen Kamm scheren. Medikamente werden sehr unterschiedlich von unseren Stoffwechseln verarbeitet, Frauen reagieren anders als Männer, Jugendliche und Erwachsene anders als ältere Menschen, schwangere Frauen anders als nicht schwangere. Dazu kommt, dass mindestens die Hälfte der mit Antidepressiva oder Neuroleptika behandelten Patienten die Medikamente weniger häufig oder in niedrigeren Dosen als verschrieben einnehmen. Für die Wirkung eines Psychopharmakons ist also nicht die geschluckte und noch weniger die verschriebene Tablettenmenge entscheidend, sondern als bestes Maß für den Wirkspiegel im Gehirn der Blutspiegel des Medikaments, auch Plasmaspiegel oder Serumspiegel genannt.
Orientierung in schwierigen Fällen
Einer der im Workshop diskutierten Fälle schilderte die Behandlung einer psychiatrischen Patientin mit einem Neuroleptikum. Tragischerweise stürzt sie sich, trotz massiven Helferaufgebots und vierstündigen, nervenaufreibenden Verhandlungen von einer Brücke. Wurde sie ausreichend behandelt? Trägt die behandelnde Ärztin Schuld am tragischen Tod der Patientin? Der Neuroleptikum-Spiegel im Blut der Verstorbenen konnte bestimmt werden. Kann er die Ärztin entlasten oder weist er ihr mangelnde therapeutische Umsicht nach? Ziel des Workshops war es, Experten im Rechtswesen, wie Richtern, Staatsanwälten, Gerichtsmedizinern, Gutachtern und Anwälten sowie Ärzten, Patienten und Arzneimittelherstellern Richtlinien zur Verfügung zu stellen, die im Streitfall Orientierung bieten können, so Zernig, der TDM-Prozessverantwortliche im Bereich Experimentelle Psychiatrie der Univ.-Klinik für Psychiatrie. Die Tagung wurde von der Arbeitsgruppe Therapeutisches Drug Monitoring (TDM) der Arbeitsgemeinschaft für Neuropsychopharmakologie (AGNP) und des Vereins für Experimentelle Psychiatrie, Psychotherapie und Pharmakologie (VEPPP) veranstaltet.