Kindgerechte Arzneizubereitung
Die Gabe von Medikamenten ist bei Kindern oft mit Unwägbarkeiten verbunden, weil ein Großteil der Arzneimittel nur an Erwachsenen getesteten worden ist. Aber auch die Zubereitung der Wirkstoffe nimmt meist wenig Rücksicht auf die Eigenheiten von Kindern. Am vergangenen Mittwoch stellte der deutsche Pharmazeut Jörg Breitkreutz neue Ansätze für eine kindergerechte Arzneizubereitung an der Innsbrucker Kinderklinik vor.
Im Rahmen der Mikrobiologischen Visite referierte Prof. Jörg Breitkreutz aus Düsseldorf am Mittwoch an der Universitätsklinik für Pädiatrie I über die kindgerechte Arzneizubereitungen mit antibiotischen Wirkstoffen. Dabei machte er deutlich, dass in diesem Bereich vieles im Argen liegt. Bei Kindern werden heute bis zur Hälfte der Medikamente in nicht zugelassenen Dosen verabreicht, auf den Intensivstationen liegt dieser Anteil sogar bei 80 Prozent. Je jünger ein Kind und je ernsthafter die Erkrankung, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein nicht lizenziertes Arzneimittel verabreicht wird, sagte Breitkreutz. Die Europäische Union hat hier mit der neuen Verordnung über Kinderarzneimittel einen wichtigen Schritt zur Verbesserung gesetzt. Pharmaunternehmen werden seit dem vergangenen Jahre mit einer Verlängerung des Patentschutzes belohnt, wenn sie neue Arzneimittel auch bei Kindern testen.
Neue Formen der Zubereitung
Arzneimittel für junge Patienten müssen aber nicht nur getestet sondern auch entsprechend zubereitet werden. So bedarf es kindergerechter Einzeldosen, die Medikamente müssen bequem und sicher verabreicht werden können, und es sollte zu keiner Stigmatisierung durch die Form der Einnahme kommen. Arzneimittel müssen aber auch elterngerecht sein, betonte Jörg Breitkreutz. So haben Studien gezeigt, dass selbst ausgebildetes Personal bei der Zubereitung von handelsüblichen Trockensäften die richtige Dosierung nur in der Hälfte der Fälle trifft. Die Dosierungsgenauigkeit bei den oft verwendeten Messlöffeln liege unter 50 Prozent. Hier gebe es aber bereits ein Umdenken in der Industrie: Dosierspritzen, Schnuller, Tropfentuben und Einweglöffel verbessern die Genauigkeit enorm. Weil viele Wirkstoffe sehr bitter sind, ist auch der Geschmack von Medikamenten für eine kindergerechte Zubereitung wichtig. Breitkreutz hat an einer neuen Entwicklung mitgearbeitet, die den Wirkstoff in extrem kleinen Pellets einschließt und damit geschmacksneutral macht. Diese Pellets können in Säften oder Tabletten verabreicht werden. Oder sie werden in speziellen Trinkhalmen angeboten, mit denen ein Kind den Lieblingssaft trinken und dabei die Wirkstoffe unbemerkt aufnehmen kann. Diese Innovationen haben freilich ihren Preis, und in Deutschland seien die Krankenkassen derzeit noch nicht bereit diese Formen der kindergerechten Arzneizubereitung auch zu bezahlen.
International gefragter Experte
Veranstaltet wurde der Vortrag in Kooperation mit der Interdisziplinären Exzellenzinitiative Infektiologie in Innsbruck, die von Prof. Lothar Zimmerhackl und Prof. Reinhard Würzner initiiert wurde und deren Sprecherin Dr. Martina Prelog von der Universitätsklinik für Pädiatrie I ist. Jörg Breitkreutz ist Professor am Institut für Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf. Er beschäftigt sich besonders mit der Entwicklung kindgerechter Arzneiformen, mit der Genetik und Wirkung des pharmazeutischen Hilfsstofforganismus und mit der Berechnung von Moleküleigenschaften zur Vorhersage biopharmazeutischer Größen. Breitkreutz publiziert in den renommiertesten pharmazeutischen Zeitschriften und ist Kooperationspartner von mehreren Pharmafirmen zur Entwicklung kindgerechter Arzneimittel. Im europäischen Kontext ist er im Rahmen des Paediatric Committee (PDCO) in der neu eingerichteten Arbeitsgruppe Formulierungen tätig. Er hat sich außerdem mit der Arzneimittelanalytik als Dienstleistung beschäftigt und ist Mitbegründer zweier Unternehmen (Ethicare und Sepaserve).