Neues Instrument zur Knochenqualitätsmessung
Weltweit erstmals kann jetzt mit einem einfachen Instrument die "örtliche Knochenqualität" bei osteoporotischen Brüchen des älteren Menschen bestimmt werden. An dieser Entwicklung war die Innsbrucker Univ.-Klinik für Unfallchirurgie entscheidend beteiligt. Durch die direkte Messung der Haltekraft des Knochens können Therapieverfahren individuell angepasst und Komplikationen vermieden werden.
Mit dieser innovativen Methode tragen die Mediziner der aktuellen Bevölkerungsentwicklung Rechnung. Von knapp neun Millionen Österreichern im Jahr 2050 wird jeder Dritte über 60 Jahre sein. Die Zahl der über 80-Jährigen wird sich in den nächsten 40 Jahren verdreifachen. Damit ist eine Zunahme so genannter alterstypischer Erkrankungen verbunden, die auf vielen Gebieten ein generelles Umdenken erfordert. Bei den Erkrankungen des Haltungs- und Bewegungsapparates der älteren und alten Menschen gilt die Osteoporose als eine der wesentlichen Ursachen für Morbidität, Mortalität und erhöhte Behinderungsraten.
Teure Volkskrankheit Osteoporose
Für Deutschland liegen die Zahlen schon heute bei rund sechs Millionen und für Österreich bei 600.000 bis 700.000 Patienten. Somit erkrankt etwa jede dritte Frau und jeder vierte Mann an Osteoporose. Diese Zahlen werden in Anbetracht der demografischen Entwicklung in den kommenden Jahrzehnten deutlich ansteigen. Eine entsprechend große sozioökonomische Bürde erwächst für die Gesellschaft aus den Folgen osteoporotischer Frakturen im Zuge der Überalterung. Für Deutschland werden diese Folgekosten auf bis zu zehn Milliarden Euro jährlich geschätzt. Neben einer reduzierten Knochenqualität ist das hohe Sturzrisiko älterer Menschen der zweite wesentliche Faktor, der zum hohen Risiko für Altersfrakturen beiträgt. Ein Drittel aller über 65-Jährigen stürzt jährlich und annähernd 60 % derjenigen, die bereits einmal gestürzt sind, wird es wieder passieren. Dabei führen 10 bis 15 % der Stürze von älteren Menschen zu Frakturen. Es wird geschätzt, dass rund 90 % aller Hüftfrakturen auf einen Sturz zurückzuführen sind. Hüftfrakturen sind die häufigsten und gleichzeitig auch die teuersten Brüche. Die Kosten für die Akut-Behandlung einer hüftnahen Fraktur oder Schenkelhalsfraktur liegen in Österreich derzeit bei 30.000 Euro. Die Gesamtkosten einer solchen Verletzung müssen auf Grund der Folgekosten einschließlich aller Maßnahmen zur Rehabilitation um mehr als 2,5-fach höher angesetzt werden.
Massive Einschränkung der Lebensqualität
Gerade bei den osteoporotischen Frakturen des Oberschenkelhalses droht den oft ohnehin schon gebrechlichen Menschen eine weitere Beschleunigung des Alterungsprozesses auf Grund ihrer Schmerzen, der eingeschränkten Funktion und der Angst vor weiteren Stürzen. Zusätzlich wirkt sich eine plötzliche Pflegebedürftigkeit oft sehr negativ auf den psychischen Allgemeinzustand und die soziale Situation der Betroffenen aus. Jede Fraktur bedeutet eine mitunter massive Einschränkung der Lebensqualität. Bettlägerigkeit wiederum begünstigt die Entstehung einer Lungenentzündung und anderer Komplikationen. Sie kann somit für einen geschwächten Menschen tödlich sein. Um die Mobilität des Patienten schnellstmöglich wiederherzustellen, muss der hüftnahe Oberschenkelbruch praktisch ausnahmslos operativ behandelt werden. Wichtig dabei ist, dass die erste Operation auch die einzige bleibt, also keinerlei Komplikationen auftreten dürfen. Da Implantate im osteoporotischen Knochen generell nicht so gut halten wie im ganz gesunden, kommen hier auch häufiger Komplikationen wie das Auslockern der Implantate, eine erneute Verschiebung der Bruchstücke und ähnliches vor. Nicht selten musste auch erneut operiert werden.
Behandlung individuell angepasst
In mehrjähriger Forschungsarbeit wurde nun ein Instrument entwickelt, mit dem während der Operation in zwei bis drei Minuten die örtliche Knochenqualität an der Stelle des Bruches bestimmt werden kann. In dem Bereich, in dem später die Knochenschraube liegen soll, wird zunächst mit Hilfe des neuen Instruments das größte Drehmoment bestimmt. Der Chirurg fühlt dabei zusätzlich anhand der durchdrehenden Spitze des Instruments den Widerstand des Drehvorgangs: bei guter Knochenqualität ist der Widerstand größer, bei schlechter Qualität geringer. Laborstudien haben gezeigt, dass solcherart erhobene Messwerte eine sehr gute Vorhersage der oben erwähnten Komplikation ermöglichen, ohne dass der Knochen in irgendeiner Weise zusätzlich geschädigt wird. Liegt die Knochendichte in einem Bereich, in dem ein Versagen herkömmlicher Methoden sehr wahrscheinlich ist, kann der Knochen zum Beispiel mit zementartigen Substanzen verstärkt werden, der Chirurg wechselt auf ein anderes Implantat oder Verfahren wie etwa einen künstlichen Gelenkersatz. Das Instrument wurde bereits für den klinischen Einsatz freigegeben und wird derzeit in einer internationalen Studie unter führender Beteiligung der Innsbrucker Unfallchirurgie bei einer größeren Anzahl von Patienten angewendet.