Krankheitsbedingte Kommunikationsstörungen
Am vergangenen Wochenende trafen sich die Vertreterinnen und Vertreter der deutschsprachigen Phoniatrie erstmals zu einer gemeinsamen Tagung in Innsbruck. Die 250 Experten diskutierten dabei unter anderem die Behandlung von Stimmproblemen im Beruf und die Rehabilitation von Stimm-, Sprach- und Schluckstörungen bei Patienten mit schweren Schädel-Hirn-Traumen.
Die letzten Jahrzehnte brachten starke gesellschaftliche Veränderungen, die auch die Berufswelt und damit die Anforderungen an die Stimme im Beruf dramatisch verändert haben, sagte Prof. Patrick Zorowka, der Leiter der Klinischen Abteilung für Hör-, Stimm- und Sprachstörungen an der HNO-Klinik Innsbruck bei einer Pressekonferenz im Rahmen der Tagung. Den hohen Anforderungen an die stimmliche Leistungsfähigkeit ist ein erschreckend hoher Anteil der Beschäftigten nicht gewachsen, was zu entsprechenden sozioökonomischen Auswirkungen durch Fehlzeiten und Überforderungsproblemen führt. Nach Angaben von Prof. Eberhard Kruse, dem Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie, weisen heute weit über 60 Prozent der Berufsfelder kommunikative Anforderungen auf. Ursachen für arbeitsbedingte Stimmstörungen können neben einer nicht behandelten Erkältung, eine ständige Beanspruchung der Stimme, trockenes Raumklima, hoher Lärmpegel im Arbeitsbereich, der ein lauteres Sprechen erfordert, sowie auch psychische Überlastung sein. Um eine ernsthafte funktionelle Schädigung zu vermeiden, ist bei andauernder Beeinträchtigung der Stimme die medizinische Abklärung durch einen HNO-Arzt und im speziellen Fall einem Phoniater unbedingt notwendig, riet Prof. Zorowka. Mit einer Behandlung des Stimmorgans, z.B. durch gezielte konservative Maßnahmen einschließlich der funktionellen Stimmübungsbehandlung oder in indizierten Fällen durch operative Eingriffe am Kehlkopf, kann heute den meisten Patienten geholfen werden. Personen, die in Sprechberufen tätig sind, ist ein Stimmtraining zum effektiven Stimmeinsatz zur Verbesserung der Stimmbelastbarkeit zu empfehlen. Damit kann das Risiko von Stimmüberlastung und möglicher Erkrankung minimiert werden.
Vor allem jüngere Patienten betroffen
Ein weiterer Schwerpunkt der Tagung war der Neurorehabilitation in der Phoniatrie gewidmet. Diese bezieht sich nicht nur auf die nach Schlaganfällen bekannten Störungen der Sprache, sondern ebenso auf Erkrankungen des Sprechens, der Stimme und des Schluckens. Überwiegend sind hiervon jüngere Patienten betroffen, z.B. infolge hirntraumatischer Schädigungen oder neurochirurgischer Eingriffe. Das Schädelhirntrauma ist die häufigste neurologische Erkrankung von jugendlichen Erwachsenen, die in einem beträchtlichen Ausmaß zu sozialer Abhängigkeit und Pflegebedürftigkeit führt. Eine Begleitkomplikation, die lange Zeit bei Patienten mit Schädelhirntrauma unterschätzt wurde, sind die häufig auftretenden Schluckstörungen, die, nicht diagnostiziert, zu schweren Lungenentzündungen führen können und damit die Heilungschancen der Betroffenen massiv beeinträchtigen. Im Rahmen des Heilungsverlaufes zeigen sich weitere Störungen im Schluck- und Stimmtrakt, wie der posttraumatische Mutismus, eine Symptomatik, bei der der Patient nicht verbal kommunizieren bzw. nur im Rahmen der Einatmung Laute bilden kann. Lokale Funktionsstörungen im Bereich der Hirnhälften führen zu Sprachstörungen und komplexen kognitiven Defiziten, wobei Verhaltensstörungen, die in diesem Zusammenhang auftreten, die Rehabilitationsstrategien häufig beeinträchtigen. Eine genaue neurorehabilitative Beurteilung des Patienten und ein korrektes Rehabilitationsprogramm sind entscheidende Faktoren, um bei Betroffenen nach einem schweren Schädelhirntrauma lebensbedrohliche Komplikationen zu vermeiden und eine, soweit möglich, optimale Integration in das soziale Umfeld zu ermöglichen, erklärte Prof. Leopold Saltuari, der Leiter der Neurologischen Abteilung für Akutnachbehandlung am Landeskrankenhaus Hochzirl.
Erstmals Dreiländertagung
Mit der Phoniatrie und Pädaudiologie hat sich ein neuer Sektor der Medizin eröffnet, dessen Inhalte von keinem anderen Fach in der notwendigen Qualität übernommen werden könnte. Kommunikationsstörungen sind keine Bagatellen, auch nicht sozioökonomisch, was die Hauptthemen dieser Tagung sehr eindrücklich belegt haben, betonte Prof. Kruse. Die dreitägige Veranstaltung in der Sozialwissenschaftlichen Fakultät war die erste gemeinsame Tagung der Phoniatriegesellschaften aus Deutschland, Österreich und der Schweiz.