Die Spreu vom Weizen trennen
Forscher um Prof. Florian Kronenberg und Veit Schoenborn von der Sektion für Genetische Epidemiologie haben ein neues Verfahren entwickelt, mit dem DNA (Erbgut) aus Blutplasma gewonnen und qualitätskontrolliert für epidemiologische Studien aufbereitet werden kann. In vielen älteren Studien wurden nur Blutproben, aber keine DNA gesammelt. Die neue Methode erschließt diese wertvollen Materialien nun auch für genetisch-epidemiologische Untersuchungen.
Blutplasma- und Serumproben waren in früheren epidemiologischen Studien häufig das einzige biologische Material, das gesammelt und untersucht wurde. Durch ihren sehr langen Untersuchungszeitraum verfügen manche dieser Studien über einen enormen Informationsgehalt und wären ein unbezahlbarer Schatz für genetische Analysen. Weil damals keine genomische DNA gesammelt wurde, scheiden diese Studien für genetische Untersuchungen meist aus. So erging es auch Kronenbergs Gruppe, als Anfang der 1990er-Jahre eine große Zahl von Dialyse-Patienten untersucht wurde, um den Lipoproteinstoffwechsel zu erforschen. Jahre später bereute er es, keine DNA-Proben der Patienten gesammelt zu haben. Da es sich um eine langfristige Studie gehandelt hatte, wollten wir unbedingt auch genetische Analysen durchführen, erzählt Kronenberg. Die wenige DNA im Blutplasma war für weitreichende Untersuchungen aber ungeeignet, sie musste zuerst künstlich vermehrt werden. Entsprechende Verfahren, wie die Phi 29 DNA Polymerase, waren inzwischen auf dem Markt und wurden in vielen Labors bereits eingesetzt. Die Innsbrucker Wissenschaftler trauten der Sache aber noch nicht so ganz, und sie sollten Recht behalten.
Sicheres Verfahren entwickelt
Veit Schoenborn wollte es genau wissen und zog einen Vergleich zwischen den Ergebnissen der mit Phi 29 DNA Polymerase vermehrten DNA aus dem Blutplasma von 88 Patienten und dem Erbgut aus Vollblut von den gleichen 88 Patienten. Die Genotypisierung von neun hochpolymorphen Short Tandem Repeats (STR) und 25 Single Nukleotid Polymorphismen (SNP) bestätigte den Verdacht der Wissenschaftler. Rund 16 Prozent der Probenpaare wiesen Unterschiede in den Mikrosatelliten auf und 4 Prozent in den SNPs. Die Mathematikerin Dr. Iris Heid, eine frühere Mitarbeiterin von Kronenbergs Arbeitsgruppe an der GSF Neuherberg, steuerte wichtige Hinweise bei, um einen Algorithmus zu entwickeln, mit dem die qualitativ hochwertige DNA von der schlechten getrennt werden konnte. Durch den Ausschluss der insuffizienten DNA konnten Genotypisierungsfehler vermieden werden. Nachdem wir Proben, die an fünf oder mehr Genorten in dem 9 STR Marker Set homozygot waren, ausgeschlossen haben, erklärt Veit Schoenborn, hatten wir 22,7 Prozent der Proben zu verwerfen. Die durchschnittliche Diskordanzrate wurde allerdings dadurch auf 3,9 Prozent für STRs und 0,6 Prozent für SNPs gesenkt. Bei SNPs entspricht dieser Wert ungefähr der Fehlerquote, wie sie auch bei Genotypisierungen mit Vollblut DNA in vielen Laboratorien auftritt. Unsere Methode und das Ausschlusskriterium bieten damit neue Möglichkeiten um qualitativ hochwertige DNA aus archivierten Plasmaproben zu gewinnen, freut sich Kronenberg. Der von uns entwickelte Algorithmus ist auch besser geeignet, als nur die Menge der gewonnenen DNA als Kriterium heranzuziehen. Denn die Forscher konnten auch zeigen, dass die Quantität zwar ein behelfsmäßiger Indikator sein kann, aber nicht unbedingt ein Zeichen für die Qualität der gewonnenen DNA sein muss. Diese Untersuchung des STR Markersets wird nur einmal an diesen alten Proben durchgeführt und diese stehen dann für künftige ausgedehnte SNP-Untersuchungen zur Verfügung.
Veröffentlicht haben die Forscher ihre Daten in der Zeitschrift Human Mutation. Unterstützt wurden sie in ihrer Arbeit vom österreichischen Genomforschungsprogramm GEN-AU. Das neue Verfahren wurde bereits zum Patent angemeldet und Veit Schoenborn wird dafür heute, Freitag, in Graz mit dem Preis der Österreichischen Gesellschaft für Humangenetik ausgezeichnet.