Umfrage mit überraschenden Ergebnissen
Überraschende Ergebnisse förderte eine Umfrage unter den Studierenden zum Thema "Vereinbarkeit Studienplan - Kindererziehung - Erwerbsarbeit" zu Tage: Ungefähr ein Drittel der Studierenden an der Medizinischen Universität arbeiten während des Semesters mehr oder weniger regelmäßig und nahezu 10 Prozent aller Studierenden haben bereits Nachwuchs.
Initiatorin der Umfrage war eine Arbeitsgruppe der Curricularkommission, deren Aufgabe es war, die Vereinbarkeit der Studienpläne der Medizinischen Universität Innsbruck mit einer Erwerbstätigkeit während der Studienzeit und der Betreuung eigener Kinder zu untersuchen. Bei der Erwerbstätigkeit während des Semesters ist die Arbeitsgruppe bereits davon ausgegangen, dass diese deutlich höher liegen könnte als vielerorts angenommen. Bei der Kinderbetreuung hatte man bisher überhaupt keine konkreten Anhaltspunkte. Gemeinsam mit dem von Dr. Gregor Retti geleiteten Team des Servicecenter Evaluation und Qualitätsmanagement erarbeitete die Arbeitsgruppe, an der neben Prof. Wolfgang Prodinger auch Prof. Ingrid Grunert vom Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen, Beate Hell von der Koordinationsstelle für Gleichstellung, Frauenförderung und Geschlechterforschung, die Studierenden Elisabeth Fuetsch, Sabrina Kriegl und Thomas Bode beteiligt waren, einen Fragebogen. Vom Servicecenter Evaluation wurden dann 3.164 Studierende (Zahn- und Humanmedizin, alte und neue Studienpläne) im Januar über die Befragung informiert und zur Teilnahme eingeladen. Befragt wurden die Studierenden einerseits darüber, ob sie neben dem Studium arbeiten, was sie konkret machen, in welchem Ausmaß sie arbeiten und ob sich das in den letzten Jahren verändert hat. Ebenfalls abgefragt wurde, ob die Studierenden eigene Kinder zu versorgen haben und unter welchen Rahmenbedingungen dies geschieht. Bei beiden Fragenblöcken wurden auch die daraus entstehenden Probleme und Kollisionen mit konkreten Praktika abgefragt und Verbesserungsvorschläge erbeten. Studierende Eltern wurden auch über den Bedarf und die mögliche Struktur einer spezifischen Kinderbetreuungseinrichtung an der Medizinischen Universität befragt. Statistische Daten, wie Geschlecht, Studienfortschritt und Semesterzahl rundeten die Befragung ab.
Hoher Rücklauf
Die erste Überraschung für die Arbeitsgruppe war die hohe Rücklaufquote. Knapp 30 Prozent der Befragten beantworteten den Fragebogen, was auf eine hohe Brisanz des Themas schließen lässt. Das sieht auch Prof. Wolfgang Prodinger, Leiter der Arbeitsgruppe so: Das zeigt, dass es für die Studierenden ein wichtiges Thema ist. Dieser Eindruck hat sich noch weiter verstärkt, als wir uns näher mit den teilweise sehr emotionellen Antworten bei den offenen Fragen auseinandergesetzt haben. Für viele Lehrende war dann überraschend, dass bei der Beantwortung rund ein Drittel der Studierenden angaben, neben dem Studium (also während des Semesters) zu arbeiten, 6 Prozent davon sogar zwischen 20 und 40 Stunden in der Woche. Daraus ergeben sich natürlich Probleme im Studienalltag. Für diese Studierenden ist es dann schwierig, wenn sich Praktika über eine längere Zeit hinziehen und wenn es keine Ausweichtermine gibt. Entsprechend waren auch die Verbesserungsvorschläge der Studierenden: Größere Flexibilität und mehr Entgegenkommen bei den Praktikaterminen, Termine am Abend oder am Wochenende oder mehr Praktikumsplätze.
Studieren mit Kind ist eine besonders große Herausforderung
Die dritte Überraschung dieser Befragung stellte die erstaunlich hohe Zahl der Studierenden dar, die parallel zu ihrem Studium auch eigene Kinder versorgen. Immerhin 9 Prozent haben geantwortet, dass sie Kinder haben, hochgerechnet auf alle Studierende bedeutet das zwischen 5 und 13 Prozent. Mehr als die Hälfte davon verdient neben dem Studium und der Kinderbetreuung auch noch Geld. Daher war es nicht sehr verwunderlich, dass die Probleme und die damit verbundenen Lösungsansätze ähnlich mit denen bei den Studierenden waren, die neben dem Studium nur arbeiten. Zusätzlich zeigt sich bei den studierenden Eltern der Bedarf nach einer flexiblen und finanziell erschwinglichen Betreuung für ihre Kinder, besonders bei längeren Praktika, in den Ferien und bei der Vorbereitung auf Prüfungen. Wenig überraschend ist daher auch der Wunsch nach einer eigenen Kinderkrippe an der Medizinischen Universität. Insgesamt zeigt sich deutlich, dass der Studienfortschritt von Studierenden die neben dem Studium arbeiten und/oder bereits Kinder haben deutlich langsamer ist als bei jenen, die sich voll und ganz auf ihr Studium konzentrieren können. Nicht zuletzt daraus erklärt sich auch der breite Wunsch, die Studiengebühren wieder abzuschaffen, Stipendien länger zu gewähren oder entsprechend günstige Kredite einzuführen.
Grundlage für die Problemlösung
Wir haben aus diesen Erkenntnissen zunächst einmal vorgeschlagen, dass ab kommendem Studienjahr 2007/08 studierende Eltern ein Vorab-Auswahlrecht für die Praktikumstermine erhalten sollen, und sind damit beim zuständigen Vizerektor für Lehre und Studienangelegenheiten, Prof. Manfred Dierich, auf sehr viel Verständnis gestoßen, erklärt Prodinger. Andere Lösungsansätze benötigen noch Diskussion, da sie zum Beispiel den budgetären und organisatorischen Rahmen sprengen würden. Prodinger gibt sich aber zuversichtlich: Jetzt haben wir mal ein halbwegs realistisches Bild von der Situation über die Zusatzbelastungen unserer Studierenden. Auf diese Zahlen, darin sind wir uns in der Arbeitsgruppe einig, kann man aufbauen und daraus auch konstruktiv Lösungen entwickeln. Die Ergebnisse der Umfrage sind über die Homepage zugänglich.