Neue bioaktive Stoffe für die Medizin
Seit einigen Jahren gibt es weltweit Bestrebungen, unentdeckte Substanzen aus terrestrischen und marinen Ökosystemen für die Medizin nutzbar zu machen. Heimische Hölzer als Rohstoffquelle wurden bisher noch nicht eingesetzt. Forscher aus Graz und Innsbruck um Prof. Florian Überall entwickeln derzeit ein Verfahren, das es möglich machen soll, Holzgaskondensate der thermischen Holzveredelung für die großtechnische Gewinnung bioaktiver Stoffe zu nutzen.
Den Grundstein für dieses Verfahren legte Prof. Florian Überall in einem einjährigen Pilotprojekt mit Umweltanalytikern des Joanneum Research Graz, dem Unternehmen Austria Bio Energy Centre Graz sowie dem weltweit tätigen Holzverarbeitungsbetrieb Mafi in Schneegattern in Oberösterreich. In einem neu entwickelten, geschlossenen Entnahmesystem wird Prozessgas aus der thermischen Holzveredelung rückkondensiert, chemisch getrennt, gereinigt und am Biozentrum der Medizinischen Universität Innsbruck in den Labors der Sektion für Medizinische Biochemie molekular entschlüsselt. Die bei der thermischen Holzveredelung anfallenden Prozessgase stellen einerseits ein Abfallprodukt des Veredelungsprozesses dar, andererseits sind die austretenden Emissionen ungenutzte Wertstoffe, in denen sich biochemisch betrachtet, hochinteressante Biomoleküle für die Medizin verbergen. Wir möchten die Sprache des Holzes entschlüsseln und ausschließlich einheimische Hölzer auf ihr Molekülprofil hin untersuchen. Inhaltsstoffe aus Bäumen oder Baumschmarotzern offerieren hier ein unerschöpfliches Potenzial an Biomolekülen, sagt Prof. Überall.
Erste biochemische Untersuchungen sind viel versprechend
Mit Mitteln des im höchstdotierten Förderklusters der FFG geförderten Fabrik der Zukunft-Programms ist es uns möglich, eine komplette Analysenstrasse zur großtechnischen Entnahme von bioaktiven Stoffen aufzubauen, sagt Prof. Überall. In einem interdiziplinären Team aus Verfahrenstechnikern, Gasifikationstechnikern, Biologen, Chemikern und Biochemikern soll das Verfahren nachwachsende Rohstoffe nachhaltig nutzen helfen und eine völlig neue Quelle für bioaktive Stoffe erschließen. Unser Ziel ist es, einen thermischen Holztrocknungsprozess, der ohne Rückkondensation vorerst nur zur Wärmeerzeugung verwendet wird, ein zweites Mal zu nutzen. Neben der Vermeidung von Kohlendioxidemissionen stellt unser Verfahren somit einen kompletten Kreislauf der Nutzung, unter größtmöglicher Vermeidung von Schadstoffen sicher. Viele der komplexen chemischen Prozesse, die sich während der thermischen Holzveredelung einstellen, sind überhaupt nicht untersucht, die Biomoleküle unbekannt. Neben hochwertigen Inhaltstoffen aus dem Holz selbst, führt der thermische Prozess zu chemischen Umlagerungen und liefert völlig neue Produkte mit einem großen Verwertungspotential. Die ersten biochemischen Untersuchungen sind viel versprechend. Zur biochemisch-zellbiologischen Charakterisierung der Rohstoffe wurde eigens ein zelluläres Modell etabliert, das eine roboterunterstützte Hochdurchsatzsichtung der Rohstoffe ermöglicht. Neben modernen biochemisch-analytischen Verfahren, kommen Genexpressions- und Proteomanalyseverfahren bei der Wirkprofilerstellung der Biomoleküle zum Einsatz.
Großes Anwendungspotential
Es ist damit ein völlig neuer Industriezweig innerhalb der Holzverarbeitung denkbar, der neben Zuschlagstoffen für Holzpflegeprodukte, Biostoffe für Kosmetika auch neue Medizinprodukte liefern kann, sagt Überall. Entwickelt wird das Verfahren mit dem Holzunternehmen Mafi, das die Projektkosten zur Hälfte mit trägt. Anwenderseitig gibt es bereits großes Interesse aus der Industrie. Da die Pilotanlage in der Vollausbaustufe mikroprozessorgesteuert in Edelstahl gefertigt wird, ist damit ein weltweit verwendbares Modulsystem geschaffen. Am internationalen Holzverarbeitungsmarkt ist derzeit kein vergleichbares Produkt zu finden, was die Marktchancen deutlich erhöht. Da unser Verfahren auf andere thermisch behandelbare Rohstoffe umsetzbar ist, ist das wahre Potential des Verfahrens nur ansatzweise kalkulierbar, so Florian Überall. Neben der reinen technischen Ausführung verfügt das Analysensystem im Vollausbau über eine komplett aus eigener Hand stammende Software zur Prozesssteuerung, zur Work-Flow-Überwachung und zur bioinformatischen Stoffidentifikation.