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Der Biokorrosion auf der Spur

In der Medizin kommen heute immer öfter Implantate zum Einsatz. Die Haltbarkeit und Verträglichkeit der eingesetzten Materialien ist dabei von entscheidender Bedeutung. Innsbrucker Forscher um Prof. Thomas Seppi und Dr. Thomas Lechleitner entwickeln ein Verfahren, das eine hoch sensible Korrosions- und Permeationsprüfung erlaubt und dabei auch das Mikromilieu des menschlichen Organismus simulieren kann.

Den Grundstein für das Verfahren zur Prüfung von implantierbaren Werkstoffen und funktionellen Implantaten legte Prof. Thomas Seppi schon vor über zehn Jahren. In seiner Dissertation hat er eine Methode zur gleichzeitigen chromatographischen Analyse von mehreren Gasen in Flüssigkeiten entworfen, mit der Veränderungen bis in den pikomolaren Konzentrationsbereich aufgelöst werden können. Die Arbeit entstand an der Univ.-Klinik für Strahlentherapie, wo man sich für die Messung von Sauerstoffkonzentrationen in Zellen interessierte, weil bei der Bestrahlung von Tumoren der Hypoxie eine tragende Rolle bei der Resistenzbildung zugeschrieben wird. „Die Idee, diese Methode auch für Korrosionsmessungen zu verwenden, existiert schon lange“, sagt Seppi, „es war aber nicht leicht, sowohl das fertigungstechnische Know-how als auch die entsprechenden Gelder für diese Form der angewandten Forschung in Tirol aufzutreiben. Mit Mitteln der FFG können wir nun im Rahmen eines Bridge-Projekts unsere Ideen umsetzen. Außerdem wird unser Projekt durch einen kürzlich erhaltenen Förderungsbeitrag der Wirtschaftskammer Tirol für medizinische Forschung zusätzlich unterstützt.“

Biokorrosion verstehen lernen

In einem interdisziplinären Team aus Biologen, Physikern und Chemikern soll das Verfahren nun für die Messung von Biokorrosionsprozessen weiterentwickelt werden. „Unser Ziel ist ein zuverlässiges und reproduzierbares Korrosions- und Permeations-Messverfahren, das sich durch eine äußerst hohe Empfindlichkeit bei relativ kurzen Messzyklus-Zeiten auszeichnet“, erklärt Thomas Seppi. „Das geplante Verfahren ist für den Einsatz in der Implantat-Werkstoffprüfung maßgeschneidert“, ergänzt Dr. Thomas Lechleitner von der Sektion für Physiologie, „da es auch den Einsatz von organotypischen Modellflüssigkeiten erlaubt, und damit das korrosive Mikromilieu des menschlichen Organismus simuliert werden kann.“ Dem kommt eine entscheidende Bedeutung zu, werden doch viele Implantatschäden bis hin zur Abstoßung durch Entzündungsreaktionen verursacht. Die Entzündungsprozesse führen zur Ausbildung von freien Radikalen und sorgen so an den Oberflächen der Implantate für ein aggressives Umfeld, wodurch Schwermetallionen verstärkt aus Werkstoffen ausgelöst werden und mitunter toxische Konzentrationen im Organismus erreichen. Sogar Kunststoffimplantate sind vor Radikalinduzierten Zersetzungsprozessen nicht gefeit.

Viele der komplexen Vorgänge rund um die Biokorrosion sind bis heute weitgehend unerforscht. In Vorversuchen konnten die Innsbrucker Forscher demonstrieren, dass das neue Verfahren für die Messung der sehr geringen Sauerstoff- und Stickoxid-Reaktionskinetiken geeignet ist. „Korrosionsanalysen, die mit diesem System innerhalb weniger Stunden abgeschlossen werden können, dauern mit herkömmlichen Methoden Wochen bis Monate. Um das volle Auflösungsvermögen des Gasdetektionsverfahrens auszuschöpfen“, erklärt Thomas Lechleitner, „bedarf es allerdings spezieller Probenmesskammern.“

Großes Anwendungspotential

Entwickelt wird das Verfahren gemeinsam mit dem Tiroler Unternehmen IT-V, das die Projektkosten zur Hälfte mitträgt. Anwenderseitig gibt es bereits jetzt großes Interesse aus der Industrie. So möchte das international tätige Tiroler Unternehmen Med-El das Messverfahren für die Durchführung von stark beschleunigten Qualitätsanalysen seiner medizinischen Halbzeuge und Implantate testen. „Das neuartige Verfahren könnte Kunden im industriellen Bereich der Implantattechnologie als verlässliche Methode zur Qualitätskontrolle bei der Entwicklung neuer Produkte dienen“, zeigt sich Prof. Seppi zuversichtlich. „Nachdem der Implantatmarkt allein im Bereich Orthopädie und Zahnmedizin weltweit immer mehr an Bedeutung gewinnt und mit Milliardenumsätzen aufwarten kann, ist das Potential der Technologie nicht hoch genug einzuschätzen. Insbesondere im Bereich der Permeationsmessung bei Implantatgehäusen könnte sich das neue Verfahren mittelfristig in konkurrenzloser Form als Referenzprüfmethode durchsetzen.“