Schützt der Botenstoff Dynorphin vor Epilepsie?
Die Rolle des Botenstoffs Dynorphin in der Epilepsie war bislang wissenschaftlich umstritten. Nun haben Innsbrucker Pharmakologen um Prof. Christoph Schwarzer im Tiermodell eindeutige Beweise für die antikonvulsive, antiepileptogene und neuroprotektive Wirkung von körpereigenem Dynorphin gefunden. Sie berichten darüber in der renommierten Zeitschrift Brain.
Dynorphin ist ein körpereigenes Opioidpeptid das präferenziell an Kappa Opioid Rezeptoren bindet. Seit über zwei Jahrzehnten gibt es Hinweise, dass dieser Botenstoff eine wichtige regulatorische Rolle in zahlreichen funktionellen Verschaltungen des Gehirns spielt. Im Einklang mit der Verbreitung von Dynorphin im Vorder- und Mittelhirn beeinflusst es Lernen und Gedächtnis, emotionale Kontrollen und Stressverhalten. Dynorphin bzw. die Kappa Rezeptoren spielen aber auch in der Sucht, Depression, Schizophrenie, Epilepsie, bipolaren Störungen und einigen weiteren Erkrankungen eine Rolle. Die meisten Funktionen wurden in pharmakologischen und elektrophysiologischen Untersuchungen beschrieben, in denen Kappa Rezeptor spezifische Agonisten und generelle Opioidrezeptor Antagonisten in Tiermodellen verwendet wurden. Über die wahre Bedeutung des endogenen Dynorphin wissen wir bis heute jedoch noch wenig, so Christoph Schwarzer vom Institut für Pharmakologie der Medizinischen Universität Innsbruck.
Komplexe Fragestellung
Die Bedeutung der endogenen Opioide in der Epilepsie wird in der Literatur recht widersprüchlich beschrieben. Das liegt vor allem an der Komplexität des Opioidsystems, denn alle körpereigenen Opioide können mit unterschiedlicher Affinität die klassischen Opioidrezeptoren Delta, Kappa und Mu aktivieren. Außerdem gibt es Hinweise auf die Aktivierung von NMDA Rezeptoren durch Dynorphin. Welcher Rezeptor aktiviert wird, hängt von der Überlappung der Verteilung des Rezeptors und der Freisetzung des Neuropeptids ab, erklärt Prof. Schwarzer. Funktionell spielt es eine große Rolle, ob der aktivierte Rezeptor auf einer inhibitorischen oder excitatorischen Nervenzelle sitzt und diese hemmt oder stimuliert. Aus dieser Komplexität ist leicht verständlich, dass es mit systemischer oder lokaler Gabe von rezeptorspezifischen oder generellen Agonisten und Antagonisten nicht möglich ist, die Funktionen endogenen Dynorphins zu bestimmen. Wir haben nun die Möglichkeit diese offenen Fragen in Tieren zu untersuchen, die kein Dynorphin produzieren. Die Tiere wurden in Zusammenarbeit mit Prof. Herbert Herzog vom Garvan Institute in Sydney generiert, mit dem die Innsbrucker Pharmakologen eine langjährige Kooperation verbindet. Finanziell unterstützt wurden sie dabei vom FWF und der Dr. Legerlotz Stiftung.
Eindeutige Beweise
An diesen Tieren ist es uns nun gelungen eindeutige Beweise für eine antikonvulsive, antiepileptogene und neuroprotektive Wirkung von körpereigenem Dynorphin in Modellen akuter Anfälle, Epileptogenese und Epilepsie zu erbringen, so Prof. Schwarzer. Die Daten unterstützen den Zusammenhang zwischen einer Mutation im menschlichen Dynorphinpromotor, die die Expressionsrate von Prodynorphin reduziert, und der Epilepsieanfälligkeit. Diese Beziehung wurde vor einigen Jahren postuliert, in letzter Zeit jedoch wieder angezweifelt.