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Herzinfarkt-Netzwerk: Jede Sekunde zählt

Am Donnerstag wurde das Herzinfarkt-Netzwerk Tirol vorgestellt, das Notärzte, periphere Krankenhäuser und das Herzkatheterzentrum an der Universitätsklinik enger zusammenführt. Damit soll die Therapie des akuten Herzinfarktes in Tirol weiter optimiert werden. Initiiert wurde das Netzwerk von Kardiologie-Vorstand Prof. Otmar Pachinger, Prof. Franz Weidinger und Doz. Michael Baubin.

Mit dem Herzinfarkt Netzwerk Tirol soll die regionale und österreichweite Zusammenarbeit zwischen Notärzten, peripheren Krankenhäusern und dem Herzkatheterzentrum an der Universitätsklinik zur Optimierung der Therapie des akuten Herzinfarktes in Tirol offiziell etabliert werden. Diese Netzwerkbildung folgt internationalen Vorbildern und Konzepten, die nachweislich zu einem verbesserten Überleben von Herzinfarktpatienten und zu effizienteren Abläufen in der Versorgungskette geführt haben. „Derartiges Engagement wird von der Tilak nach Kräften aktiv unterstützt, zumal sich wesentliche Verbesserungen in der Krankenversorgung ergeben“ zeigt sich auch Tilak-Vorstand Dr. Herbert Weissenböck über diese Gründung erfreut.

Häufigste Todesursache

Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems machen etwas mehr als die Hälfte aller Todesfälle aus und stellen damit die häufigste Todesursache in westlichen Ländern dar. Bei den Spitalsentlassungen stehen Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit 12% in der Häufigkeit an zweiter Stelle nach den bösartigen Erkrankungen. In Akutkrankenanstalten musste im Jahr 2005 in Österreich in 16.072 Fällen die Hauptdiagnose eines akuten Myokardinfarktes gestellt werden. Dabei waren in 60% der Fälle Männer und in 40% Frauen betroffen. Der Altersgipfel für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Myokardinfarkt liegt zwischen dem 75. und 85. Lebensjahr. Die Risikofaktoren für Herzinfarkt sind das Rauchen, vor allem bei jüngeren Patienten, der Bluthochdruck, hohes Cholesterin, Diabetes, Alter und Übergewicht durch Bewegungsmangel. Zusätzlich spielen erbliche Faktoren eine Rolle, die zwar nicht „gemessen“ werden können, aber immer dann anzunehmen sind, wenn Verwandte ersten Grades schon in jungen Jahren einen Herzinfarkt erleiden.

Was sind die Anzeichen?

Wenn Schmerzen, Druckgefühl bzw. Missempfindungen im Bereich Brust, Unterkiefer, Oberbauch, eventuell mit Ausstrahlen in den linken Arm auftreten und länger als 5 bis 10 Minuten anhalten, soll unverzüglich der Notruf 144 per Telefon erfolgen, um den Notarzt zu alarmieren. Der Anruf beim Hausarzt kann zu unnötigen Verzögerungen führen, da die sofortige Einlieferung in das Spital oberstes Ziel ist. Anwesende Personen sollen den Patienten nicht alleine lassen und ihn beobachten, um einen Herz-Kreislauf-Stillstand nicht zu übersehen. Falls dieser eintritt, muss bis zum Eintreffen des Notarztes unverzüglich mit Wiederbelebungsmaßnahmen (Herzdruckmassage und Mund-zu-Mund-Beatmung) begonnen werden. Ziel ist es, die Bevölkerung über die Wichtigkeit des raschen Reagierens auf einen Brustschmerz aufzuklären, da mit jeder Minute der Verzögerung mehr Herzmuskelgewebe abstirbt und damit die Chance auf eine erfolgreiche Behandlung des Herzinfarkts abnimmt. Wichtig ist dabei die Behandlungskette bzw. Reaktionszeit, die sich aus mehreren Zeitspannen zusammensetzt.

Jede Sekunde zählt

Im Falle eines Herzinfarktes ist auf alle Fälle rasches Handeln angesagt. Die gravierendste Zeitverzögerung liegt dabei immer noch bei der Patienten-Reaktionszeit. Diese ist schwer zu beeinflussen. Der Patient wartet meistens zu lange, bis er ersten medizinischen Kontakt sucht. In diesem Bereich muss Aufklärungsarbeit geleistet werden. Studien haben ergeben, dass dies zwischen zwei und vier Stunden dauert, in denen wertvolle Zeit verstreicht. Die Behandlungskette beginnt mit dem Eintreffen des Notarztes. Hier kann sich ebenfalls eine Zeitverzögerung zwischen erstem EKG und Transport in ein Krankenhaus ergeben. Diese Zeitspanne beträgt – je nach Entfernung vom Zielort – zwischen 15 Minuten und einer Stunde, und kann durch verbesserte Organisation, durch Training und Weiterbildung und nicht zuletzt durch verbesserte Kommunikation reduziert werden.

Medizinische Intervention

Da beim Herzinfarkt meist ein größeres Gefäß verschlossen ist, geht es primär um die rasche Auflösung bzw. Entfernung des Gerinnsels. Oberstes Ziel ist deshalb der rasche Beginn einer so genannten Reperfusionstherapie, bei der das Gerinnsel entweder mittels intravenöser Infusion aufgelöst wird (Lyse) oder durch perkutane Koronarintervention (PCI) das Gefäß eröffnet wird. Bei der PCI wird das verschlossene Gefäß mechanisch durch Ballonkatheter und Stent eröffnet. Die Zeitspanne zwischen dem Eintreffen des Patienten im Krankenhaus und der medizinischer Intervention durch Lyse oder PCI bezeichnen die Spezialisten als „door-to-needle“ oder „door-to-balloon“ Zeit. Diese Spanne soll nach aktuellen Leitlinien 30 bzw. 90 Minuten nicht überschreiten. Eine enge Kooperation zwischen der Universitätsklinik und den Bezirkskrankenhäusern ist hier anzustreben.

Ziele des Netzwerkes

Die Behandlungskette und die dazugehörigen Zeitverzögerungen setzen sich somit aus mehreren Komponenten zusammen; die Gesamtzeit vom Schmerzbeginn bis zum offenen Gefäß sollte nach internationalen Behandlungsleitlinien nicht länger als 90 Minuten dauern. An diesen oben dargestellten Einzelkomponenten der Versorgungskette setzt das „Herzinfarkt Netzwerk Tirol“ an und versucht, die Abläufe zu optimieren. Ziel dabei ist die weitere Senkung der Spitalsmortalität und die Vermeidung der Spätfolgen wie Herzmuskelschwäche, Herzrhythmusstörungen oder weitere Herzinfarkte. Nach offizieller Gesundheitsstatistik beträgt die Sterblichkeit nach Herzinfarkt im Spital insgesamt 12%, in spezialisierten Zentren nach PCI konnte sie auf ca. 7% gesenkt werden. In Studien konnten Sterblichkeitsraten durch Primär-PCI bereits weit unter 5% erzielt werden, was nur unter optimalen Bedingungen und mit erfahrenen Behandlungsteams möglich ist.

Wie können diese Ziele erreicht werden?

Die Bereitstellung eines „PCI-Dienstes“ rund um die Uhr im Krankenhaus der jeweiligen Region sowie klare Vorgaben für Notärzte und Rettungswesen sind Voraussetzungen. Die Optimierung der Kommunikation zwischen Notärzten und PCI-Spital ist ebenfalls unabdingbar. Weiters muss medizinischer Konsens über die adäquate Reperfusionstherapie, also Lyse oder PCI, in Abhängigkeit von Schmerzdauer und Ort des Auftretens hergestellt werden, damit der Patient so rasch als möglich adäquat behandelt werden kann. Voraussetzung für das Erreichen dieser Ziele ist die Einbindung aller an der Herzinfarkt-Behandlung beteiligten Organisationseinheiten, also Notarzt- und Rettungswesen, peripheren Krankenhäuser, niedergelassenen Internisten und Kardiologen, Herzkatheter/PCI-Zentren und deren Notfallaufnahmen. Neue Erkenntnisse in Diagnostik und Therapie sollten diskutiert und deren sinnvolle Umsetzung in die Praxis angestrebt werden. Die Erfassung der Ergebnisse und Fortschritte setzt eine Datendokumentation voraus, die in Form von Registern landes- und bundesweit angestrebt und teilweise bereits durchgeführt wird. Diese Datenerfassung dient als Instrument zur Qualitätssicherung, anhand dessen das Erreichen der Behandlungsziele und der in Leitlinien vorgegebenen Empfehlungen gemessen werden kann. Zur Umsetzung der im Netzwerk definierten Ziele durch die Verbesserung der Strukturen und der Organisation ist die Kooperation mit politischen Entscheidungsträgern und deren Unterstützung notwendig. Dies sind neuerdings nach den Vorgaben des Österreichischen Strukturplans Gesundheit (ÖSG) die jeweiligen Gesundheitsplattformen, die sich im Laufe des letzten Jahres österreichweit etabliert haben.