Vielbeachtete Hirnforschung
Zu einem "Zitationsklassiker" hat sich eine Forschungsarbeit der Arbeitsgruppe um Prof. Günther Sperk am Institut für Pharmakologie entwickelt. Der Beitrag zur Verteilung von GABA-A Rezeptoren im Gehirn erwachsener Ratten ist die am häufigsten zitierte Originalarbeit in der Zeitschrift Neuroscience seit dem Jahr 2000. Die Zeitschrift ist eines der profiliertesten neurowissenschaftlichen Journale.
Der Beitrag GABA-A receptors: immunocytochemical distribution of 13 subunits in the adult rat brain wurde im Jahr 2000 veröffentlicht und führt derzeit mit über 240 Zitierungen die Liste der am häufigsten zitierten Originalarbeiten in der Zeitschrift Neuroscience für den Zeitraum seit 2000 an. Die Arbeit entstand am Innsbrucker Pharmakologischen Institut in Zusammenarbeit mit Prof. Werner Sieghart vom Wiener Zentrum für Hirnforschung. Die Wissenschaftler stellen in dem Artikel die Verteilung von dreizehn Proteinen im Rattenhirn detailliert dar, die als Untereinheiten des GABA-A Rezeptors fungieren können. Gamma-Aminobuttersäure (GABA) ist der wichtigste hemmende Neurotransmitter des Zentralnervensystems.
Rezeptoren sind unterschiedlich zusammengesetzt
Der GABA-A Rezeptor wird aus fünf Untereinheiten zusammengesetzt, die sich um eine Chloridkanalpore anordnen. Die vom Botenstoff GABA initiierte Öffnung dieser Ionenkanalpore bewirkt den Einstrom von Chloridionen und damit eine Hyperpolarisation der Zelle. Neben GABA können auch Benzodiazepine, Barbiturate, Alkohol oder manche Narkosegase den GABA-A Rezeptor aktivieren, erläutert Prof. Günther Sperk, genau genommen erhöhen sie die Affinität des Rezeptors für GABA. Medikamentös nützt man die Wirkung der Benzodiazepine zur Therapie von Schlafstörungen, Angst und Epilepsie. Was die Sache für die Neurowissenschaftler nun so spannend macht, ist die Tatsache, dass im Genom von Säugetieren nicht nur fünf sondern sechzehn verschiedene Gene existieren, die für die Zusammensetzung zu einem GABA-A Rezeptor-Chloridkanal-Komplex zur Verfügung stehen. Folglich muss es GABA-A Rezeptoren geben, die aus verschiedenen Untereinheiten aufgegebaut sind. Selbst wenn diese Zusammensetzung gewissen Regeln folgt, rechnen die Forscher mit mehr als tausend unterschiedlich zusammengesetzten GABA-A Rezeptoren in unserem Gehirn, die auch unterschiedliche physiologische und pharmakologische Eigenschaften aufweisen.
Grundlage für weitere Forschungen
Die Arbeit der Innsbrucker und Wiener Forscher wird deshalb so häufig zitiert, weil sie die unterschiedliche Verteilung der 13 wichtigsten GABA-A Rezeptorenuntereinheiten eindrucksvoll darstellt. Damit bietet sie die Grundlage für Überlegungen, wie GABA-A-Rezeptoren in einzelnen Hirnregionen zusammengesetzt sein könnten und schafft damit auch den Ausgangspunkt für weitere physiologische und pharmakologische Forschungen. So liefert die Arbeit die Grundlage für Überlegungen, an welche GABA-A Rezeptorsubtypen neue Medikamente angreifen sollten, um gezielt zum Beispiel angstlösende, schlafmachende oder antiepilptische Wirkungen zu erzeugen. Möglich gemacht wurde die Arbeit durch die Entwicklung selektiver Antikörper gegen diese Rezeptoruntereinheiten durch die Wiener Wissenschaftler.
Folgen für die Epilepsieforschung
Neben Fragen der Verteilung der GABA-A Rezeptoruntereinheiten, hat die Innsbrucker Gruppe seit Jahren ihr Augenmerk insbesondere auf Veränderungen des GABA Systems im Rahmen von Epilepsie-Tiermodellen und in der menschlichen Temporallappenepilepsie gerichtet. Sie konnte zeigen, dass das Expressionsmuster einzelner GABA-A Rezeptoruntereinheiten und damit vermutlich auch die Zusammensetzung der Rezeptoren in einzelnen Hirnarealen durch die Anfallstätigkeit verändert werden. Diese Mechanismen könnten die zum Teil erhöhte Krampfbereitschaft in der Epilepsie erklären, besitzt aber auch Relevanz für die Medikamentenresistenz vieler Epilepsiekranker.