Überraschende Entdeckung
Mit Forscherkollegen vom Max-Planck-Institut für molekulare Genetik in Berlin hat Norbert Polacek vom Biozentrum Innsbruck einen neuen Elongationsfaktor bei der Proteinsynthese entdeckt. Das Protein LepA soll einen bisher unbekannten Korrekturmechanismus bei der Proteinsynthese im Ribosom initiieren. Dies berichten die Wissenschaftler in der renommierten Zeitschrift Cell.
Die Herstellung von Proteinen ist eine der wichtigsten Funktionen in Organismen. Sie erfolgt in allen Zellen in ähnlicher Weise und findet in den so genannten Ribosomen statt. Diese bestehen aus RNA und Proteinen und übersetzen die genetische Information der mRNA-Sequenzen in eine Abfolge von verknüpften Aminosäuren. Doz. Norbert Polacek von der Sektion für Genomik und RNomik am Biozentrum Innsbruck ist ein Experte auf dem Gebiet der ribosomalen RNA und pflegt seit Jahren gute Beziehungen zu den Forschern am Max-Planck-Institut für molekulare Genetik in Berlin. Als diese nun Hinweise für einen neuen, bisher unbekannten Elongationsfaktor bei der Proteinsynthese fanden, brachte Polacek sein Wissen ein und führte in seinem Labor zwei Kontrolluntersuchungen durch. Mit Hilfe von Strukturanalysen am Ribosom konnte er die These der deutschen Wissenschaftler bestätigen und die Existenz eines neuen Elongationsfaktors belegen.
Eine Art Korrekturverfahren
An der Proteinsynthese sind neben dem Ribosom noch weitere Proteine beteiligt, die den Produktionszyklus steuern. Bisher waren drei solche, in der Evolution hoch konservierte und in allen Lebewesen vorkommende Elongationsfaktoren (EF-Tu, EF-Ts und EF-G) bekannt. Die Berliner Forscher haben nun ein weiteres Protein (LepA) identifiziert, dessen Funktion zunächst nicht bekannt war, das allerdings hoch konserviert in allen Bakterien und Mitochondrien zu finden ist. Unter normalen Bedingungen zeigte die Auslöschung des entsprechenden Gens keinen Phänotyp. Wurde jedoch die Ionenkonzentration im Medium erhöht, waren die Zellen nicht mehr lebensfähig. Da LepA dem Elongationsfaktor G sehr ähnlich ist, haben die Forscher eine vergleichbare Funktion vermutet. Nach jeder Peptidbindung bewerkstelligt EF-G das weiterrutschen des Ribosoms an der mRNA sowie die tRNA Translokation innerhalb des Ribosoms. Die Forschergruppe kam schließlich zum Schluss, dass LepA die Translokation nach der Peptidbindung im Ribsomon rückgängig macht. Wir konnten zeigen, dass LepA das durch die Translokation verschobene tRNA Paar wieder in seine Ausgangsposition zurückführt. Das heisst, LepA kann sozusagen kurzfristig die Ableserichtung der genetischen Information umkehrt, erklärt Norbert Polacek, der diesen Nachweis unter anderem mit einem in seiner Doktorarbeit erprobten Verfahren erbringen konnte. Über den biologischen Sinn dieses überraschenden und bisher völlig unbekannten Mechanismus können wir bis jetzt nur spekulieren, so Polacek, wir vermuten aber, dass es sich um eine Art Korrekturverfahren handelt, das bei einer fehlerhaften tRNA Translokation, den Vorgang rückgängig macht und so dem Ribosom eine zweite Möglichkeit für eine korrekte Translokation eröffnet. Bedeutung hat diese Entdeckung auch für kommerzielle Anwendungen. Zur künstlichen Synthese von Proteinen werden so genannte In vitro Translationssysteme verwendet. Bei den heute verwendeten Verfahren ist allerdings nur rund die Hälfte der erzeugten Proteine auch wirklich aktiv. Wird dem System nun eine bestimmte Menge von LepA zugefügt, sind plötzlich alle Proteine aktiv. Aufgrund ihrer Ergebnisse schlagen die Wissenschaftler die Umbenennung von LepA vor: In Zukunft soll dieses als Elongationsfaktor 4 (EF4) bezeichnet werden.