Schneller, besser und genauer
Das Flimmerepithel der Atemwege spielt eine wichtige Rolle dabei, die Nasennebenhöhlen gesund zu erhalten. Kleine Härchen (Zilien) an der Oberfläche der Zellen sorgen dafür, dass eingeatmete Fremdkörpern zum Rachen transportiert und anschließend verschluckt werden. Fällt dieser Reinigungsmechanismus aus, kann es zu rezidivierenden Infekten und im Extremfall zur Ausbildung von Polypen kommen. Eine Arbeitsgruppe um Doz. Andreas Neher, Leiter des Rhinologischen Labors der Universitätsklinik für Hals- Nasen- und Ohrenheilkunde, hat nun ein neues Messverfahren zur Zilienmessung etabliert, das kürzlich in der Zeitschrift European Clinical Laboratory vorgestellt wurde.
Flimmerepithelzellen findet man nicht nur im Bereich der Atemwege, sondern auch im Mittelohr und in den Eileitern der Frau. Jede dieser Zellen trägt zwischen 200 und 300 sehr kleine. etwa 5-7 Mikrometer lange Flimmerhärchen (Zilien). Diese gehören zu den ältesten biologischen Strukturen und finden sich bereits bei den Einzellern. Im Bereich der Atemwege schlagen die Härchen, aufeinander abgestimmt, in einer Frequenz (CBF) von ungefähr 12 Hertz und transportieren dabei eingeatmete Fremdkörper, wie beispielsweise Viren, Bakterien oder andere Pathogene mit einer Geschwindigkeit von einigen Millimeter pro Sekunde in Richtung des Rachens, wo sie dann verschluckt werden. Dieser Reinigungsvorgang wird als mukoziliarer Transport bezeichnet und stellt einen wichtigen Verteidigungsmechanismus des Körpers dar. Wird dieser Mechanismus gestört, bleibt der Schleim und daran festhaftende eingeatmete Fremdkörper in den Nasennebenhöhlen liegen und dickt ein. Durch das geänderte Milieu finden Bakterien ideale Wachstumsbedingungen vor, was in der Folge zu verschiedenen Entzündungsmustern im Atemwegsbereich führt.
Den Atemwegsinfektionen auf der Spur
Da neben Infektionen auch allergische Reaktionen, Chemo- oder Bestrahlungstherapien die CBF negativ beeinflussen können und darüber hinaus selbst Medikamente die nasal verabreicht werden, zu einer Einschränkung der CBF führen können, ist es wichtig, bei der Einführung neuer Medikamente und Therapieformen darauf zu achten, ob diese toxische Nebenwirkungen auf Schlagfrequenz der Flimmerhärchen haben, insbesondere wenn es sich dabei um Langzeittherapien handelt. Andreas Neher testet im Rhinologischen Labor der Universitätsklinik für Hals- Nasen und Ohrenheilkunde nicht nur den Einfluss unterschiedlicher Substanzen (neue Medikamente, Umweltnoxen) auf den Zilienschlag, sondern erforscht auch die genauen Bewegungsmuster der Zilien. Gerade ein gestörtes Bewegungsmuster, wie dies auch bei bestimmten Erbkrankheiten der Fall ist, scheint die Ursache für einige chronische Erkrankungen der Atemwege zu sein.
Modernste Messanordnung
Bislang ist es nur möglich, im Labor an Operationspräparaten die Zilienaktivität zu untersuchen. Dazu nützt das Forschungsteam einen Raum in OP-Nähe, der vom Landeskrankenhaus zu Verfügung gestellt wurde. Zur Messung der CBF verwenden die Wissenschaftler dabei erstmalig ein modernes digitales Hochgeschwindigkeitsbildverfahren, das mittels einer Kombination eines neuartigen Mikroskops, einer speziellen Software und einer Hochgeschwindigkeits-Videokamera funktioniert. Um die toxische Wirkung von bestimmten Medikamenten auf die CBF zu testen, können die Innsbrucker Wissenschaftler ihre Untersuchungsproben damit bis zu 40 Minuten per Video aufnehmen und dann im Anschluss die Entwicklungen sehr genau analysieren. Ein spezielles Stabilisierungssystem am Mikroskop stellt sicher, dass der Fokus über die gesamte Zeit immer am gleichen Ort bleibt. Trotz der Hochgeschwindigkeitskamera ist dieses Messverfahren normalerweise sehr zeitaufwendig und die Zahl der Zilien, die in einem Sample gemessen werden können nicht sehr groß. Eine an der Universität Leuven (Belgien) entwickelte spezielle Analysesoftware eröffnet jedoch völlig neue Möglichkeiten: Die Software berechnet den CBF-Wert für jedes einzelne Pixel mit Hilfe einer Spectralanalyse der Veränderung der Pixelintensität im Laufe der Beobachtungszeit. Diese Werte können am Bildschirm visualisiert und gemeinsam mit den Originalbildern im Videofilm betrachtet werden. Mit einer anschließenden Histogrammanalyse des Bildes kann eine Durchschnittsstatistik der CBF aller sich bewegenden Zilien abgeleitet werden. Das führt dazu, dass verschiedene Einflüsse auf die CBF, beispielsweise die Toxizität eines Medikaments oder die Beschleunigung der CBF durch die Beigabe spezifischer Substanzen, sehr leicht sichtbar gemacht werden können, indem man die einzelnen CBF-Histogramme vergleicht.
Aufgrund der großzügigen Unterstützung durch die Industrie war es nicht nur möglich, die entsprechenden sehr teuren Geräte anzuschaffen, sondern auch eine medizinisch technische Analytikerin anzustellen. Diese Arbeitsbedingungen bringen damit Andreas Neher und sein Team ihrem Ziel, bisher unbeantwortete Fragen zu Erkrankungen der oberen Atemwege in Zukunft beantworten zu können, ein gutes Stück näher.