search_icon 

close_icon

search_icon  

search_icon  

Bioinformatik als Schlüsseltechnologie

Über 70 Besucherinnen und Besucher nahmen am Dienstag am "Life Science Circle" zum Thema Bioinformatik im Innsbrucker Rathaus teil. Drei Referenten aus Wirtschaft und Forschung boten den Zuhörern einen Überblick über die Anwendungsmöglichkeiten und aktuellen Trends der noch relativ jungen Disziplin für die Lebenswissenschaften.

Die Bioinformatik befasst sich mit der Akquisition, Speicherung und Analyse biologischer Daten. Die Anwendung von Methoden der Informatik in den Lebenswissenschaften ist dabei nahe liegend, besteht doch der genetische Code selbst aus exakt vier definierten Informationseinheiten, deren Input immer einer bestimmten Funktion zugeordnet ist. Doch erst die Etablierung von Chip basierten Hochdurchsatzverfahren in Verbindung mit der vollständigen Sequenzierung des menschlichen Genoms und dem rasanten Anstieg der Rechnerleistungen bildeten die Grundlage für die Arbeit der Bioinformatiker, wie Prof. Zlatko Trajanoski von der TU Graz in seinem einführenden Referat hervorhob. Besondere Bedeutung käme der Bioinformatik als Werkzeug für Datenmanagement und Datenanalyse in der molekularen Medizin zu. Durch die Erfassung der gesamten, äußerst umfangreichen genetischen Information könnte sie erstmals die Erforschung komplexerer Krankheiten und deren molekularer Mechanismen ermöglichen. Fernziel wäre es laut Trajanoski, mit Hilfe der Bioinformatik von den zurzeit nur zu etwa 10% genutzten molekularen Zielen zur Behandlung von Krankheiten auf das volle Potential von rund 5.000 solcher „Targets“ aufzuschließen.

Wachsender Markt

Die zunehmende Bedeutung der Bioinformatik unterstreichen eindrucksvoll die zweistelligen Wachstumsraten, die Studien dieser Disziplin vorhersagen. So sieht eine aktuelle Studie aus dem Jahr 2005 den weltweiten Markt für Werkzeuge der Bioinformatik bei 1,4 Milliarden Dollar und rechnet mit einem jährlichen Anstieg von knapp 16% bis zum Jahr 2010. Doch wie können Unternehmen davon tatsächlich profitieren? Dr. Klaus Heumann, Vorstand der Münchner Biomax Informatics AG, einem Anbieter bioinformatischer Softwarelösungen, dazu: „Bioinformatik ist eine klassische ‚enabling technology’, die es Unternehmen ermöglicht, die Abläufe in der pharmazeutischen Entwicklung, insbesondere auch die langwierige und äußerst kostspielige Entwicklung von Arzneimitteln, effizienter und effektiver zu gestalten“. Analog zur Leistung der ‚klassischen’ Informatik in den 90er Jahren, sollte daraus aus den Investitionen der Unternehmen ein echter Vorteil erwachsen. Wesentlich wäre jedoch seiner Meinung nach die mittelfristige Herausbildung verbindlicher Standards für Anbieter sowie eine stärkere Benutzerfreundlichkeit der Anwendungen, die in vielen Fällen noch „von Bioinformatikern für Bioinformatiker“ geschrieben würden.

Trend zur „personalisierten Medizin“

Ein Unternehmen, das sich seit seiner Gründung im Jahr 2002 intensiv mit der Entwicklung neuartiger diagnostischer Werkzeuge unter Zuhilfenahme der Bioinformatik, insbesondere für die statistische Analyse und biochemische Interpretation von Stoffwechseldaten bedient, ist die Innsbrucker Biocrates Life Sciences GmbH. Dr. Armin Graber, Geschäftsführer von Biocrates, entwarf das Szenario einer allmählichen Entwicklung von den heutigen Versorgungsstandards hin zu einer maßgeschneiderten „personalisierten Medizin“, die nicht nur bessere Früherkennung und präsymptomatische Behandlung erlauben soll, sondern ein lebenslanges Monitoring der Patienten. Ein Fernziel, das auf Grund der enormen damit verbundenen Datenmenge ohne bioinformatische Hilfsmittel nicht mehr zu bewältigen wäre.

Attraktivität des Standortes

In der nachfolgenden Podiumsdiskussion stellte Philipp Unterholzner von der Tiroler Zukunftsstiftung die Ergebnisse einer aktuellen Studie zum Thema Bio- und Medizininformatik vor. Wichtige Empfehlungen der Studie sind die Schaffung einer Stiftungsprofessur für Bioinformatik, die Gründung eines „Centers for Translational Research“ als zukünftiges Bindeglied zwischen Wissenschaft und Wirtschaft sowie die Etablierung eines postgraduellen Lehrgangs „Bioinformatik“ für Biologen, Mediziner und Pharmazeuten. Klaus Heumann dazu: „Aus heutiger Sicht würde uns die Wahl zwischen München und Innsbruck als Unternehmensstandort nicht leicht fallen“, meinte Dr. Heumann. Die Attraktivität des Standortes Tirol habe sich in den letzten Jahren jedenfalls entscheidend verbessert.

Veranstaltet wurde die Diskussionsrunde von LISA (Life Science Austria), einem Schwerpunktprogramm der Austria Wirtschaftsservice GmbH, CAST, dem Gründerzentrum der Innsbrucker Universitäten und dem Kompetenzzentrum HITT. Life Science Circles finden in periodischen Abständen statt und bieten Unternehmern und Forschern aus den Lebenswissenschaften die Gelegenheit zum Erfahrungs- und Meinungsaustausch in ungezwungener Atmosphäre.