"Sorgfalt siegt"
"Publish or Perish" ist längst zum geflügelten Wort in der Wissenschaftswelt geworden. Der internationale Wettbewerb und die drittmittelabhängige Forschung erhöhen den Druck, mit neuen Ideen und Ergebnissen rasch an die Öffentlichkeit zu gehen. Dass dabei auch manch falsches Resultat in renommierten Zeitschriften Eingang findet, haben Innsbrucker Forscher vor kurzem erneut nachgewiesen.
Vor über einem Jahr hat eine Forschungsgruppe von der Yale University School of Medicine in der Zeitschrift Science neue Ergebnisse über die Rolle der Proteinkinase C Familie (PKC) bei der Aktivierung von T-Zellen veröffentlicht. Die Wissenschaftler um Prof. Sankar Ghosh haben ein neues Modell für den Verlauf des Signalwegs vom T-Zellrezeptor in die Zelle vorgeschlagen. Dieses hat große Aufregung in der Arbeitsgruppe um Prof. Gottfried Baier verursacht, beschäftigen sich die Innsbrucker Forscher doch schon seit Jahren mit der Rolle der PKC bei der T-Zell-Aktivierung. Die in der amerikanischen Arbeit zugrunde gelegten Annahmen waren einfach falsch, erklärt Dr. Thomas Gruber, Erstautor eines vor kurzem von Science veröffentlichten Kommentars. Es sind gewisse Vorbedingungen nötig, um die PKCtheta zu aktivieren. Die von den Forschern aus Yale angenommene Phosphorylierungstelle, Thr-538, ist allerdings keine notwendige Voraussetzung für die Aktivierung. Sie ist vielmehr bereits im Grundzustand vorhanden und kann daher keine Schalterfunktion haben. Wir haben diese Phosphorylierungstelle bereits vor Jahren als Akjtivierungsmöglichkeit der PKCtheta ausgeschlossen, so Prof. Baier, und vor vier Jahren wurde das auch veröffentlicht.
Gemeinsam mit Forschern aus Dublin, Konstanz und vom amerikanischen NIH haben die Wissenschaftler der Sektion für Humangenetik deshalb eine detaillierte Richtigstellung in Science publiziert. Wie der myPoint bereits berichtete, haben die Innsbrucker Forscher im Rahmen des Spezialforschungsbereichs Zellproliferation und Zelltod in Tumoren im November letzten Jahres ein EMBO Journal Paper veröffentlicht, in dem sie den eigentlichen molekularen Schalter der Immunaktivierung entschlüsselt haben. Die wirklich für die PKCtheta kritische Phoshorylierungstelle, (p)Thr-219, konnte als Hauptschalter für das Anwerfen oder Abdrehen der Interleukin-2 Produktion identifiziert werden. Wichtig dabei ist, dass Thr-538 bzw. Thr-219 für grundsätzlich unterschiedliche Aktivierungsmechanismen der PKCtheta stehen. Die Identifizierung der korrekten Phosphorylierungstelle bedeutet somit eine Weichenstellung für die Forschungsrichtung der T-Zellaktivierung der kommenden Jahre. Die anderen waren zwar schneller, wir aber gründlicher, zeigen sich Thomas Gruber und Gottfried Baier zufrieden. Sorgfältige Arbeit macht sich eben doch bezahlt.