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Burghard Breitner: Dichter oder Heiler?

Heute vor 50 Jahren verstarb der Innsbrucker Chirurg Prof. Burghard Breitner. Während seines Medizinstudiums in Graz schwankte er noch zwischen einer Berufung als Dichter oder Heiler. Dann jedoch folgte eine glänzende Karriere als Chirurg, die ihn schließlich nach Innsbruck führte. Breitner ging als „Engel von Sibirien“ in die Geschichte ein, als er während des 1. Weltkrieges in russischer Kriegsgefangenschaft vielen Verwundeten und der einheimischen Bevölkerung half.

Burghard Breitner wurde 1884 in Mattsee im Bundesland Salzburg geboren. Er besuchte dort die Volksschule und absolvierte die Gymnasialzeit im Collegium Mariano-Rupertinum in Salzburg. Im Wintersemester 1901/02 begann er in Graz sein Medizinstudium. Bereits im Gymnasium und dann während der Studienzeit entdeckte Breitner seinen Hang zur Dichtkunst. Er war ein eifriger Theaterbesucher, veröffentlichte regelmäßig Theaterkritiken und schrieb selbst mehrere Stücke. Breitner arbeitete auch als Dramaturg am Grazer Stadttheater und dem damaligen Theater am Franzensplatz und inszenierte mit Erfolg einige Stücke. Nach der ersten Hälfte des einjährigen Militärdienstes bei den Tiroler Kaiserjägern in Trient setze Breitner sein Studium in Wien fort. Mit Beginn der klinischen Semester entstand die Begeisterung für das Medizinstudium. 1906 war er ein Gastsemester in Kiel und wurde am 1. Juni 1908 promoviert. Nach der Ableistung des zweiten Halbjahres seines Militärdienstes im Garnisonsspital in Triest wurde er 1909 als Operationszögling in die I. Chirurgische Universitätsklinik Wien – die „Klinik Eiselsberg“ – aufgenommen. Er nahm dann am Balkankrieg 1912/13 teil und erwarb sich kriegschirurgische Kenntnisse. 1913 wurde er zum Assistenzarzt bei Anton Freiherr v. Eiselsberg ernannt.

„Engel von Sibirien“

Der Beginn des Ersten Weltkrieges erweckte wie bei vielen auch bei Breitner Kriegsbegeisterung. Er bestieg eigenmächtig einen Zug zur Front, um den Krieg miterleben zu können. So machte er die in einer Katastrophe endende Offensive des Generalstabschefs Conrad von Hötzendorf mit und geriet schon in den ersten Kriegswochen in russische Kriegsgefangenschaft. Seine ärztliche Tätigkeit in der Gefangenschaft brachte im später den Namen „Engel von Sibirien“ ein. Nach großen Schwierigkeiten erhielt er Verbandsmaterial und konnte schwer verwundete Soldaten behandeln. Breitners Ruf war so groß, dass er oft von russischen Ärzten für die Behandlung Einheimischer gerufen wurde. An einem Mitglied der Zarenfamilie operierte er erfolgreich einen gutartigen Hirntumor. Im September 1920 kehrte er aus Sibirien nach Europa zurück.

Von Wien nach Innsbruck

In Österreich wurde Burghard Breitner nach seiner Rückkehr begeistert empfangen. Er kehrte als Assistent an die Klinik Eiselsberg zurück und habilitierte sich 1922. Im Jahr 1929 übernahm er die Primararztstelle im Rudolfspital. Breitner genoss internationales Ansehen, wegen seiner Strumaforschung war er 1928 zu einer Operation- und Vortragsreise in die Vereinigten Staaten eingeladen worden. Mit 1. Oktober 1932 wurde er Professor der chirurgischen Klinik in Innsbruck. Seine Professur fiel in eine Übergangszeit der Chirurgie, denn die Zeit, in der eine Person das ganze Gebiet der Chirurgie beherrschen konnte, ging zu Ende. Breitner sandte Mitarbeiter ins Ausland, so zum Beispiel Wolfgang Baumgartner nach Zürich, Bruno Haid, Paul Wilflingseder und Hans Marberger in die Vereinigten Staaten. Er berief den Orthopäden Hans Platzgummer nach Innsbruck, ebenso den Neurochirurgen Karl Kloss. Hans Reissigl betraute er mit dem Aufbau des Blutspendewesens. Damit begründete er die heutige Organisationsform der Innsbrucker Klinik.

In der Politik

Breitner war deutsch-national orientiert. Unklar ist seine Mitgliedschaft bei der NSDAP. Er trat laut den Personalnachrichten der Universität Innsbruck 1932 mit einer niedrigen Mitgliedsnummer bei. Nach dem Verbot der NSDAP in Österreich trat er wieder aus und am 1. Dezember 1939 wieder bei und erhielt eine hohe Mitgliedsnummer. 1938 konnte er den „großen Ariernachweis“ nicht erbringen, da die Herkunft seiner Großmutter väterlicherseits nicht klar war. Er verlor das Recht an der Universität zu lehren, der damalige Rektor Steinacker setzte sich für ihn ein, die Zwangspensionierung wurde aufgehoben. Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges wurde seine Mitgliedschaft in der NSDAP überprüft, er wurde am 14. April 1946 entlassen, blieb jedoch weiterhin provisorisch tätig. Breitner berief gegen das Urteil und wurde 1947 aus der Liste der Nationalsozialisten gestrichen, und zwar mit der Begründung, dass eine hohe Mitgliedsnummer für einen Eintritt in die NSDAP 1932 als nicht vereinbar galt. 1951 kandidierte er für die FPÖ-Vorläuferpartei VdU (Verein der Unabhängigen) als unabhängiger Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten und erhielt 15,4% der Stimmen.

Eloquent und streng

Breitner galt als heiterer, vitaler, optimistischer und extrovertierter Mensch, er konnte aber auch streng sein. Er war eloquent, ein guter Didakt, der Hörsaal war stets mit begeisterten Studenten gefüllt. 1950 wurde Breitner zum Präsidenten des Österreichischen Roten Kreuzes gewählt und 1953 wiedergewählt. 1952/53 war er Rektor der Universität Innsbruck. Als Direktor der Chirurgie trat Breitner 1955 in den Ruhestand. Am 28. März 1956 verstarb er an einem Herzinfarkt. Vor dem Eingang zum großen Hörsaal der Chirurgie erinnert eine Bronzebüste an ihn.

Dieser Text ist eine von der myPoint-Redaktion gekürzte Fassung eines ausführlichen Berichts von Prof. Franz Daxecker, der unter dem Titel „Der Chirurg Burghard Breitner. Dichter oder Heiler?“ im Zentralblatt für Chirurgie erschienen ist.