Das Suizidrisiko von Alkoholabhängigen
Alkoholabhängige gelten als besonders selbstmordgefährdet. Frühere Studien, die an Patient ohne Diagnosenspezifizierung durchgeführt worden waren, ließen vermuten, dass die Messung der Cholesterinwerte eine Aussage über die Höhe des Suizidrisikos liefern würde. Nun haben Forscher um Ass.Prof. Dr. Eberhard A. Deisenhammer von der Klinischen Abteilung für Allgemeine Psychiatrie gezeigt, dass dieses Verfahren nicht dazu eignet ist, das Suizidrisiko von Alkoholabhängigen zu bewerten. Dafür haben sie andere, demographisch-klinische Risikofaktoren für suizidgefährdete Alkoholkranke gefunden.
Die Forscher der Klinischen Abteilung für Allgemeine Psychiatrie haben sowohl demographische Faktoren als auch Blutfettwerte von Alkoholabhängigen untersucht. Sie konnten dabei keinen Zusammenhang zwischen den Cholesterinwerten und einer Lebensgeschichte von Selbstmordversuchen feststellen. Trotzdem zeigte sich, dass alkoholabhängige Patienten, die Selbstmordversuche unternehmen, ein ganz spezifisches Profil haben. Bis zu sieben Prozent der alkoholabhängigen Patienten sterben durch Suizid, sagt Eberhard Deisenhammer. Da aber viele Alkohol-Kranke einer Behandlung eher ausweichen, bleiben viele potentiell selbstmordgefährdete Patienten unentdeckt. Wir wollten daher prüfen, ob die Messung der Cholesterinwerte ein brauchbares Verfahren für die Früherkennung ist. Jüngere Studien hatten vermuten lassen, dass Patienten mit niederen Cholesterinwerten eher Selbstmordversuche unternehmen. Ass.Prof. Deisenhammer und seine Forscherkollegen befragten nun an der Innsbrucker Universitätsklinik für Psychiatrie 110 alkoholabhängige Patientinnen und Patienten und verglichen deren Blutwerte.
Keinen Zusammenhang festgestellt
In der Märzausgabe der Zeitschrift Alcoholism: Clinical & Experimental Research berichten die Forscher, dass sie keinen Zusammenhang zwischen dem Selbstmordrisiko und der Höhe der Cholesterinwerte finden konnten. Allerdings stellten sie fest, dass Patienten, die mindestens einen Selbstmordversuch hinter sich hatten, ein bestimmtes demografisches Profil haben: Sie waren jünger, meist Raucher, nahmen öfter Beruhigungsmittel und erzielten höhere Werte auf der globalen Montgomery Åsberg Depression Rating Scale (MADRS) und dem spezifischen MADRS-Teil zu Selbstmordgedanken. Es gab auch Hinweise, dass höhere Triglyceride-Werte im Blut ein möglicher Risikofaktor für Suizidversuche sein könnte. Unsere Ergebnisse bestätigen andere Studien, die die Bedeutung niederer Cholesterinwerte als biologischem Marker für Suizidpatienten in Frage stellen, so Dr. Deisenhammer. Vielleicht können zukünftige Studien den Nachweis erbringen, dass Blutlipidwerte für manche diagnostische Untergruppen brauchbare Ergebnisse liefern. Wichtig bleibt aber in jedem Fall, bei einem alkoholabhängigen Patienten mit einem insgesamt erhöhten Suizidrisiko zu rechnen. Im klinischen Alltag einsetzbare biologische Marker können die Einschätzung erleichtern, das ärztliche Gespräch bleibt aber die wichtigste Maßnahme zur Bestimmung des Suizidrisikos, so Eberhard Deisenhammer abschließend.