Das Geheimnis des Alterns gelüftet
Die amerikanische Wissenschaftlerin Cynthia Kenyon wurde am Samstag in Innsbruck mit dem Ilse und Helmut Wachter-Preis 2005 ausgezeichnet. Der Molekularbiologin gelang die bahnbrechende Entdeckung, dass das Altern ein regulierter, hormongesteuerter Prozess ist und daher auch beeinflusst werden kann. Da das Alter bei vielen Erkrankungen ein wesentlicher Risikofaktor ist, könnten ihre Arbeiten großen Einfluss auf die moderne Medizin haben.
Wir sind stolz, eine so herausragende Wissenschaftlerin mit diesem Preis beehren zu dürfen, sagte Prof. Peter Fritsch, der Vorsitzende des Vorstands der Ilse und Helmut Wachter-Stiftung bei der Präsentation der Preisträgerin. Alle zwei Jahre zeichnet die Stiftung eine Forscherpersönlichkeit mit besonders herausragenden wissenschaftlichen Verdiensten auf dem Gebiet der Medizin aus. In diesem Jahr fiel die Wahl auf Cynthia Kenyon, die mit ihren Arbeiten wesentliche Einsichten in das Wesen des Alterns gewann. Prof. Kenyon untersuchte den Fadenwurm (Caenorhabditis elegans), dessen rund 20.000 Gene bekannt sind und der eine durchschnittliche Lebenserwartung von 20 bis 30 Tagen hat. Diese Lebensspanne ist kurz genug, um Ergebnisse von Experimenten relativ schnell auswerten zu können. Inzwischen ist die Wissenschaftlerin in der Lage die Lebensdauer bei Fadenwürmern um das Sechsfache zu erhöhen. Umgelegt auf den Menschen würde dies eine Lebenserwartung von bis zu 500 Jahren bedeuten.
Hormongesteuerter Alterungsprozess
Man stellte sich das vor, wie ein bei einem alten Auto, das langsam auseinander fällt, so veranschaulichte die Wachter-Preisträgerin die lange vorherrschende Sichtweise des Alterns, das als passive Folge von Abnutzungserscheinungen betrachtet wurde. Im Gegensatz zu diesem Konzept konnte Prof. Kenyon nachweisen, dass der Alterungsprozess kontrolliert gesteuert wird, und zwar durch das komplexe, vielschichtige und evolutionär konservierte Hormonsystem. Beim Fadenwurm steuern Signale, die vom Reproduktions- und dem sensiblen Nervensystem ausgehen zumindest teilweise das Hormonsystem. Nachgeordnete Moleküle beeinflussen dann in der Folge die Lebensspanne des Wurms, indem sie die Expression einer Vielzahl unterschiedlicher untergeordneter Gene koordinieren. Dazu gehören solche, die durch Stress reguliert werden, den Organismus vor Mikroorganismen schützen, sowie bisher noch unbekannte Gene. Die Aktivität all dieser Gene zusammen bestimmt die Lebensspanne des Wurms. Einige dieser untergeordneten Gene können auch das Auftreten bestimmter altersassoziierter Erkrankungen beeinflussen. So koppelt das Hormonsystem den natürlichen Alterungsprozess an die Anfälligkeit für altersbedingte Erkrankungen. Cynthia Kenyon hat damit der Forschung ein neues, enorm heißes und in den letzten zehn Jahren rasch expandierendes Forschungsgebiet erschlossen. Da das Alter bei vielen Erkrankungen ein wesentlicher Risikofaktor ist, hofft sie aufgrund ihrer Forschungsergebnisse, mittelfristig Alterserkrankungen weiter verschieben zu können. Wir wissen allerdings nicht, ob unsere Erkenntnisse beim Menschen jemals umgesetzt werden können. Es ist daher wichtig, keine voreiligen Versprechungen zu machen, betonte die Wissenschaftlerin am Freitag vor der Presse.
Eine bemerkenswerte Wissenschaftlerin
Cynthia Kenyon erwarb an der University of Georgia den Bachelor in Chemie und Biochemie, am Massachusetts Institute of Technology (MIT) den PhD in Biologie und arbeitete mit dem Nobelpreisträger Sydney Brenner am Medical Research Council-Labor für Molekularbiologie in Cambridge, England. Derzeit ist sie American Cancer Society Professor an der Abteilung Biochemie und Biophysik der Universität von Kalifornien, San Francisco. Dort ist sie auch Direktorin des Hillblom Zentrums für Alternsbiologie. Cynthia Kenyon ist Präsidentin der Genetics Society of America, Mitglied der National Academy of Sciences und wurde mit einer großen Zahl hochrangiger Preise ausgezeichnet. Sie ist Autorin einer, für den Durchschnittswissenschaftler schier unglaublichen Zahl von Publikationen in höchst renommierten Wissenschaftsjournalen wie Nature, Science und Cell.
Internationale Vernetzung der Innsbrucker Medizin fördern
Der vom emeritierten früheren Ordinarius Prof. Dr. Helmut Wachter gestiftete Ilse & Helmut Wachter-Preis wird seit 1999 alle zwei Jahre mit Unterstützung der Hypo Tirol Bank AG im Rahmen eines Festaktes verliehen und hat sich zum Ziel gesetzt, jeweils eine Persönlichkeit mit besonders herausragenden wissenschaftlichen Verdiensten auf dem Gebiet der Medizin zu ehren. Eine weitere Absicht des Stifters war und ist es, weltweit renommierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit ihren Innsbrucker Kolleginnen und Kollegen in Kontakt zu bringen und damit den internationalen wissenschaftlichen Austausch auf höchstem Niveau zu fördern. Kandidaten werden nur durch Nominierung im Rahmen einer weltweiten Recherche, nicht aber durch Selbstbewerbung benannt. Mitglieder der Medizinischen Universität Innsbruck können den Preis nicht erhalten. Die Auswahl des Preisträgers erfolgt durch eine neunköpfige Jury aus der Medizinischen Universität. Der Preis ist hoch dotiert (derzeit 15.000 Euro) und sehr begehrt. Ein deutlicher Hinweis für seine Qualität ist die Tatsache, dass die ersten Preisträger des Wachterpreises, Avram Hersko und Aron Ciechanover (1999), im vergangenen Jahr den Nobelpreis für Chemie erhalten haben.