Bilirubin schützt vor Arteriosklerose
Bilirubin ist ein Abbauprodukt des Hämoglobins. Ihm wurden bis vor kurzem keine relevanten Funktionen im Körper zugeordnet und es wird in der Medizin vor allem deshalb beachtet, weil eine erhöhte Plasma-Konzentration auf verschiedene systemische Erkrankungen hinweisen kann. Der Innsbrucker Dr. Robert Öllinger konnte nun gemeinsam mit Kollegen an der Harvard Medical School positive Eigenschaften des Bilirubin in Bezug auf Arteriosklerose nachweisen und in der Zeitschrift Circulation veröffentlichen.
Bilirubin gilt seit langer Zeit als wichtiger Indikator für Erkrankungen, wie Hepatitis, Stein-bedingten Verschluss der Gallenwege, Krebs oder Neugeborenen-Gelbsucht und wird als toxisches Abbauprodukt betrachtet. Es entsteht beim Abbau des Blutfarbstoffs Hämoglobin durch das Enzym Häm-Oxygenase-1, das frei werdende Häm wird zunächst zu freiem Eisen, Kohlenmonoxid und Biliverdin umgewandelt, in der Folge wird das Biliverdin durch ein Enzym (Biliverdin Reduktase) in das Bilirubin konvertiert. Zu beobachten ist dieser Vorgang bei jedem blauen Fleck, der sich zunächst grün (Biliverdin) und dann Gelb (Bilirubin) verfärbt.
In einer Reihe von Assoziationsstudien konnte nun gezeigt werden, dass gesunde Personen mit erhöhten Bilirubinwerten (Meulengracht-Syndrom, bis zu 5% unserer Bevölkerung) ein verringertes Arteriosklerose-Risiko mit einer geringeren Inzidenz an Myokardinfarkten und Schlaganfällen und eine höhere Lebenserwartung haben. Die Forschungsgruppe um Dr. Robert Öllinger stellte die Hypothese auf, dass der Stoff die Vermehrung von Gefäßmuskelzellen vermindert, die in der Entstehung von Gefäßerkrankungen mit Einengung des Gefäßlumens eine entscheidende Rolle spielen. Diese Zellen lagern sich, bedingt durch die Blutströmung und leichte Entzündungen, bereits in jungen Jahren an bestimmten Stellen der Gefäßinnenwand ab und bilden damit die Vorstufe für die gefürchteten arteriosklerotischen Läsionen. Auch nach Organtransplantation und nach Aufdehnung verengter Herzkranzgefäße mittels Ballonkatheter findet man Ansammlungen solcher Gefäßmuskelzellen, die zu einer Durchblutungsstörung des betroffenen Organs führen.
Positiver Einfluss
Erstmals in den 80er Jahren wurden positive Effekte des Gallepigmentes diskutiert, als der australische Biochemiker Prof. Robert Stocker eine starke antioxidative Wirkung des Bilirubins nachwies. Jedoch erst in den letzten Jahren wurde man wieder auf das Gallepigment aufmerksam, als in einer Reihe von Untersuchungen schützende Eigenschaften des Enzyms Häm-Oxygenase-1 nachgewiesen wurden, das seinerseits zu einer Steigerung der endogenen Bilirubin-Produktion führt. So konnte gezeigt werden, dass Bilirubin und seine Vorstufe Biliverdin mildernde Effekte bei Autoimmunerkrankungen oder Ischämie-Reperfusionsschaden haben und eine akute Transplantatabstoßung verhindern können.
Robert Öllinger und seinen Kollegen vom Beth Israel Deaconess Medical Center an der Harvard Medical School gelang es nun den hemmenden Einfluss von Bilirubin auf die unerwünschte Vermehrung von Gefäßmuskelzellen im Tiermodell wie auch in der Zellkultur nachzuweisen. So genannte Gunn-Ratten, die erhöhte Bilirubinwerte aufweisen, zeigen eine stark verringerte Gefäßverengung an verletzten Gefäßstellen. Die Injektion wie auch die lokale Anwendung von Biliverdin hemmten ebenfalls den progredienten Gefäßverschluss. Auch in vitro verringert sich das Wachstum von gezüchteten Gefäßmuskelzellen mit steigender Bilirubinkonzentration. Interessant dabei ist, dass die Zellen nicht etwa einen Zelltod erleiden, sondern der Zellzyklus unterbrochen wird und es zu keinem weiteren Zellwachstum mehr kommt. Dies erfolgt durch Deaktivierung einer Reihe von in der Zellteilung bedeutenden Proteinen.
Als Konsequenz interessieren sich die Wissenschafter am D. Swarovski Forschungslabor der Medizinischen Universität daher nun für die Wirkung des Bilirubins auf das Verhalten verschiedener Tumorzellen. Auch diesbezüglich existieren Daten, dass gesunde Individuen mit erhöhten Bilirubinwerten eine geringere Häufigkeit von Brust-, Dickdarm- und Prostatakrebs aufweisen.
Erfolgreiche Zusammenarbeit
Robert Öllinger hat in Innsbruck Medizin studiert, an der Klinischen Abteilung für Allgemein- und Transplantationschirurgie dissertiert und arbeitet dort seit April 2000 als Assistenzarzt unter der Leitung von Prof. Raimund Margreiter. In den Jahren 2002 und 2003 absolvierte er einen eineinhalbjährigen Forschungsaufenthalt in Boston im Labor von Prof. Fritz Bach am Immunbiology Research Center. Der Aufenthalt war für mich hoch interessant, so Dr. Öllinger. Die Arbeitsbedingungen sind ideal: die Interaktion von Medizinern, Biochemikern, Biologen und Immunologen funktioniert schnell und reibungslos. In Kollaboration mit Boston werden nun am D. Swarovski Forschungslabor unter Leitung von Doz. Jakob Troppmair weitere Studien mit dem Ziel fortgeführt, die schützenden, antiproliferativen und entzündungshemmenden Eigenschaften des Bilirubin besser zu verstehen.