Europäischer Neurologenkongress in Wien
In den vergangenen Tagen diskutierten rund 2.000 Teilnehmer beim europäischen Neurologenkongress über aktuelle Entwicklung ihres Faches. Dabei standen weit verbreitete Leiden wie Altersdemenz, Parkinson, Multiple Sklerose, Epilepsie und zerebrovaskukläre Erkrankungen im Mittelpunkt von Vorträgen und Diskussionen im Austria Center in Wien.
Laut einer aktuellen Umfrage leiden rund die Hälfte der Österreicherinnen und Österreicher gelegentlich oder öfter an Kopfschmerzen und Migräne. Auch Kreuzschmerzen, zunehmende Vergesslichkeit, Gefühlsstörungen in den Extremitäten sowie Zittern und Krampfanfälle rangieren weit oben in der Beschwerdeliste der Bevölkerung. Neurologische Erkrankungen sind weit verbreitet, so erleiden jährlich rund 20.000 Österreicherinnen und Österreicher einen Schlaganfall, ebenso viele Patienten mit neurodegenerativen Erkrankungen werden pro Jahr behandelt. Die Zahl der Patienten mit neurologischen Schmerzsyndromen liegt bei über 90.000. Österreich spielt in manchen Forschungsbereichen der Neurologie international an vorderster Front mit, zum Beispiel bei der Altersdemenz, Parkinson, Multipler Sklerose, Epilepsie und zerebrovaskulären Erkrankungen wie zum Beispiel Schlaganfällen, erklärte Prof. Franz Fazekas aus Graz, der den Kongress in Wien leitete. Mit Prof. Werner Poewe und Prof. Erich Schmutzhard von der Universitätsklinik für Neurologie waren auch zwei führende Wissenschaftler der Medizinischen Universität Innsbruck im Organisationskomitee vertreten.
Dramatische Anstiege bei Zecken-Erkrankungen und exotischen Erregern
Trotz deutlicher Verbesserung in Diagnose und Therapie sowie dem vermehrten Einsatz von Präventionsstrategien hat sich die Häufigkeit von Infektionen des zentralen und peripheren Nervensystems nur unwesentlich geändert, berichtete der Innsbrucker Neurologe Prof. Erich Schmutzhard. Besonders gefährlich sind zeckenübertragene Erkrankungen. Inzwischen ist eine bemerkenswerte Ausweitung der FSME in südlichere Länder, zum Beispiel Norditalien, festzustellen, warnt Prof. Schmutzhard. Das stellt mittlerweile ein regional bedeutsames gesundheitspolitisches Problem dar. Während der FSME durch Impfschutz effizient vorgebeugt werden kann, bereiten den Experten neu entdeckte, ebenfalls hauptsächlich durch Zecken übertragene Erreger Sorgen, die auch zu Erkrankungen des Nervensystems führen können. Prof. Schmutzhard: Fälle mit Ehrlichien, Coxiellen und Rickettsien haben in Europa schon zu schweren neurologischen Erkrankungen geführt. Wir müssen also nach einen Zeckenbiss noch mehr Erkrankungsrisiken in Betracht ziehen. Umso mehr, als gegen diese Bakterien oder bakterienähnlichen Gattungen bisher kein Impfschutz möglich ist. Neben Zecken könne sie auch durch Flöhe, Läuse oder Milben übertragen werden. Die Mobilität hat dazu geführt, dass immer häufiger exotische Krankheiten und Erreger importiert werden, so Schmutzhard. Damit müssen wir uns verstärkt mit der Diagnose und Therapie von früher bei uns unbekannten Erkrankungen auseinandersetzen. Mit ein Grund, warum der renommierte Spezialist beim Europäischen Neurologenkongress einen Spezialkurs über die neurologischen Aspekte der unerwünschten Urlaubsmitbringsel abhielt.
Im Kampf gegen die Malaria
Bei der Erforschung der so genannten Protozoenerkrankungen des zentralen Nervensystems, besonders die zerebrale Malaria, sind Österreichs Forscher führend. Protozoen sind Einzeller, die neben der Malaria gefährliche Erkrankungen wie die Amöbenruhr oder Kala-Azar verursachen. An Malaria erkranken weltweit jährlich geschätzte 300 Millionen Menschen, bis zu drei Millionen von ihnen versterben an der besonders heimtückischen Form der zerebralen Malaria, die zu Bewusstseinsstörungen bis hin zum Koma führen kann. Obwohl die Erreger nur in tropischen und subtropischen Zonen vorkommen, beobachten die Wissenschafter auch in Europa inzwischen rund 150 einschlägige Todesfälle pro Jahr. Prof. Schmutzhard: Unsere Arbeiten haben zu einem deutlich besseren Verständnis davon geführt, wie diese Form der Malaria entsteht und sich im Organismus entwickelt. Damit können wir auch die Therapiestrategien wesentlich verbessern.