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„Eine Geißel unserer Gesellschaft“

Übergewicht, Bluthochdruck und Diabetes sind die klassischen Stichworte im Zusammenhang mit dem Metabolischen Syndrom. Prof. Herbert Tilg erforscht mit seinem Team, welchen Stellenwert die nichtalkoholische Fettlebererkrankung in diesem Krankheitskomplex hat, welche Wechselwirkungen entstehen und wie mögliche Therapieformen aussehen könnten.

„Das Metabolische Syndrom - also das Zusammenspiel von Übergewicht, Bluthochdruck und Diabetes - ist bereits seit vielen Jahren bekannt und gilt als die Geißel der Menschheit in hochentwickelten Industriestaaten“, so beschreibt Prof. Herbert Tilg, Primar am Bezirkskrankenhaus Hall und Forscher an der Universitätsklinik für Innere Medizin der Medizinischen Universität Innsbruck, eine der relevantesten Zivilisationserkrankungen in unseren Breiten. Die Forschung zeigt nun, dass auch die Nichtalkoholische Fettlebererkrankung ein Teil dieses Krankheitskomplexes darstellt. Zwar wurden bereits in der Vergangenheit immer öfter erhöhte Leberwerte bei Patienten mit Metabolischem Syndrom diagnostiziert, deren Bedeutung wurde aber meist unterschätzt, wenn keine entsprechende andere Ursache wie Virushepatitis oder Alkoholmissbrauch feststellbar war. Dieses Missverständnis über die klinische Relevanz hat damit lange Zeit die entsprechende Erforschung der Nichtalkoholischen Fettlebererkrankung sowie die Entwicklung und den Einsatz von wirkungsvollen Therapien behindert.

Stärker in den Fokus der Wissenschaft gerückt

„In den vergangenen Jahren hat sich hier nun einiges getan. Verbesserte Tiermodelle und größerer Einblick in die Pathophysiologie dieser Erkrankung haben dazu geführt, dass ein Zusammenhang zwischen Störungen im Fettstoffwechsel und einer Entzündung beziehungsweise einer Nekrose der Leber bestehen“, betont Prof. Tilg. Von der Leberfibrose und – bei entsprechend ungünstigem Verlauf der Erkrankung – der Leberzirrhose aufgrund der Nichtalkoholischen Fettlebererkrankung sind vermutlich ca. ein Prozent der Bevölkerung betroffen, Grund genug hier die Forschung zu verstärken. Herbert Tilg, selbst Gastroenterologe und Hepatologe hat erst kürzlich in der renommierten Wissenschaftszeitschrift „Nature Gastroenterology & Hepatology“ gemeinsam mit Arthur Kaser von der Harvard Medical School einen Artikel über den momentanen Stand der Forschung veröffentlicht. Er selbst leitet zwei Projekte im Rahmen des Forschungsfonds (FWF), die sich ebenfalls mit aktuellen Fragestellungen rund um Entzündung und Gastrointestinaltrakt beschäftigten.

Neue Diagnoseformen gefragt

Die Wissenschaft steht dabei vor mehreren Herausforderungen: Zunächst einmal geht es darum, eine entsprechende Leberentzündung auch sicher diagnostizieren zu können. Die Ultraschalluntersuchung ist hier viel zu ungenau, daher müssen nach Ansicht von Prof. Tilg, passende minimalinvasive Diagnosetechniken entwickelt werden, da bisher nur die Möglichkeit besteht, bei einem entsprechenden Verdacht im Rahmen einer, für den Patienten meist sehr belastenden, Biopsie Gewissheit zu erlangen. Ebenso forsche man derzeit daran, spezifische „Labormoleküle“ zu entdecken, anhand derer man dann beispielsweise mit Hilfe einer Blutuntersuchung feststellen kann, ob eine Leberentzündung vorliegt oder nicht. Das alles ist wichtig, um Risikopatienten definieren und diese bereits präventiv behandeln zu können. Denn wenn die entscheidenden Parameter bekannt sind, kann man Patienten auch erklären, dass er oder sie mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit Diabetes entwickeln wird, wenn man die Ernährungsgewohnheiten nicht radikal umstellt. Aber hier ist Herbert Tilg sehr realistisch: „ Es ist seit langem bekannt, dass das Metabolische Syndrom einher geht mit falscher, oft auch zu fetter Ernährung und zu wenig Bewegung. Trotz vieler Aufklärungskampagnen hat sich hier wenig geändert. Das liegt einfach daran, dass das Nahrungsüberangebot bei uns so enorm ist und sich die meisten Menschen schwer tun, beim Essen zu beschränken oder dann vermehrt Sport zu betreiben.“ Seiner Meinung nach geht es daher nicht nur um die Prävention, sondern vielmehr um eine entsprechende Therapie. Derzeit gibt es verschiedenste moderne Diabetesmedikamente, ob sie halten werden was sie versprechen, ist jedoch noch offen.

Mehrere Ansatzpunkte für die wissenschaftliche Forschung

Interessant erscheint in diesem Zusammenhang die genauere Erforschung von Adiponectin, einem Hormon der Fettzellen, das daran beteiligt ist Insulin an die Zielzellen zu binden und dadurch antidiabetisch wirkt. Darüber hinaus weiß man vor allem auch dank der Ergebnisse aus Tilg’s Forschungslabor, dass Adiponectin entzündungshemmend wirkt und, dass es bei Fettleibigkeit deutlich reduziert vorkommt. Für den Wissenschaftler sind das interessante Ansatzpunkte. Ebenfalls wichtig erscheint es Herbert Tilg, ein geeignetes Tiermodell zu entwickeln, mit dessen Hilfe man verstehen lernt, unter welchen Rahmenbedingungen es zu einer Entzündung der Leber kommt, denn nicht alle Menschen mit einer Fettleber entwickeln auch eine Erkrankung. Eine wichtige Rolle könnte eine Fehlleitung der Keimbesiedelung im Darm und damit eine Veränderung der Keimwelt spielen, die zu chronischen Entzündungen im Darmbereich und unter Umständen in der Leber führt.

Prof. Herbert Tilg ist überzeugt, dass er im Rahmen seiner beiden FWF-Projekte hier neue Erkenntnisse erhalten wird und aufgrund der internationalen Forschung in diesem Bereich in den nächsten drei bis fünf Jahren neue Diagnose- und Therapiekonzepte vorliegen werden. Bereits heute sei es jedoch wichtig, niedergelassene Ärzte vermehrt über die Nichtalkoholische Fettlebererkrankung zu informieren, um deren Aufmerksamkeit zu erhöhen und die Beratungsmöglichkeiten im Hinblick auf die Prävention von Diabetes mellitus zu verbessern.