Heiligt der Zweck die Mittel?
Im Rahmen des Symposium Heilmittel Embryo? gingen am Wochenende unter Schirmherrschaft beider Innsbrucker Universitäten Experten aus Medizin, Naturwissenschaften, Theologie und Rechtswissenschaften der komplexen Frage nach, in wieweit der Einsatz embryonaler Stammzellen medizinisch notwendig ist und ob dies ethisch auch vertretbar sei.
Es herrscht Goldgräberstimmung: Mit Stammzellen, die aus Embryonen gewonnen werden, so die Hoffnung, sollen in Zukunft auch unheilbar Kranke Chancen auf Therapien bekommen. Aber auch unter den Wissenschaftlern zeigt sich deutliche Zurückhaltung gegenüber solchen Jubelmeldungen. Das atemberaubende Tempo der biotechnologischen Forschung lässt außerdem wenig Zeit für die dringend notwendige ethische Reflexion. Sind Forschungsmethoden, bei denen Embryonen verbraucht werden, auch mit der Würde des Menschen vereinbar? Wo liegen die ethischen Grenzen? Entstehen durch die Biotechnologien neue Formen der Menschenselektion? Gibt es Alternativen zu embryonalen Stammzellen? Wie will Österreich diese Entwicklungen in Zukunft gesetzlich regeln? Dies waren die Fragen die am Freitag und Samstag beim Symposium Heilmittel Embryo? organisiert vom Institut für medizinische Anthropologie und Bioethik (IMABE) zur Sprache kamen.
Ist Wissenschaft an einer Grenze angelangt?!
Schon in den Eröffnungsreden von Rektor Prof. Hans Grunicke, Bischof Dr. Manfred Scheuer und Landeshauptmann DDr. Herwig van Staa wurde deutlich, dass die Wissenschaft hier an Grenzen gekommen ist. Rektor Grunicke betonte, dass niemand ohne ein ethisches Fundament arbeiten könne und dies im besonderen Masse auch für die Medizin gelte. Er rief dabei die Grundlage medizinischen Arbeitens, den Hypokratischen Eid, in Erinnerung, der Achtung vor dem Leben und vor der Würde des Menschen einmahnt. Als Wissenschaftler unterstrich er die Notwendigkeit dieser Diskussion und zeigte sich skeptisch gegenüber den Erfolgsmeldungen bei der Therapie mit embryonalen Stammzellen, die erst seit wenigen Jahren im Einsatz sind. Bischof Manfred Scheuer machte aus theologischer Sicht deutlich, dass es nicht vertretbar sei jemandem unrecht zu tun, um anderen zu helfen. Der Zweck heiligt somit also nicht die Mittel, und aus seiner Sicht sei es eher vertretbar jemanden einen Vorteil, den er aus einer entsprechenden Therapie erhalten würde vorzuenthalten, wenn die Grundlage dieser Therapie auf dem Schaden anderer aufbaut. Ähnlich sah dies auch Landeshauptmann Herwig van Staa, der sich in völligem Einklang mit den Aussagen der Bundesregierung sah, die Forschung mit embryonalen Stammzellen in Österreich nicht unterstützen zu wollen. Hier liegt jedoch das große Problem: Weltweit aber auch innerhalb der EU ist der Umgang mit der embryonalen Stammzellenforschung und Therapie völlig uneinheitlich. Es gibt zwar Empfehlungen der Vereinten Nationen und des Europäischen Parlaments, die embryonale Stammzellenforschung nicht mit öffentlichen Geldern zu unterstützen, aber dennoch wird beispielsweise in Großbritannien mit embryonalen Stammzellen geforscht und diese Forschung auch öffentlich gefördert.
Stammzellen von Erwachsenen als Alternative
Medizinisch gesehen muss man zwei Arten der Stammzellen unterscheiden. Einerseits sind es die embryonalen Stammzellen aus denen sich auch Gewebe und Organe züchten lassen, was angesichts der großen Engpässe bei Spenderorganen natürlich gerade für Transplantationschirurgen und deren Patienten sehr interessant ist. Problem dabei ist, dass es bei der Verwendung embryonaler Stammzellen auch zu unkontrolliertem Zellwachstum und damit zu Tumoren kommen kann. Dr. Rainer Marksteiner, Geschäftsführer der Firma Innovacell, ergänzte, dass die bisherigen Ergebnisse der Forschung mit embryonalen Stammzellen in den USA es nicht rechtfertige diese Forschungsrichtung weiterhin mit so viel Geld zu forcieren. Auf der anderen Seite gibt es die Forschung mit adulten Stammzellen, die aus dem Gewebe erwachsener Menschen gewonnen werden und ethisch völlig unproblematisch sind. Diese sind wesentlich einfacher zu handhaben und führen nicht zu Tumoren, was die langjährige Praxis zeigt. Die Erfolge können sich inzwischen auch sehen lassen, so werden damit an der Universitätsklinik für Urologie große Erfolge bei der Behandlung von Harninkontinenz erzielt, wie Prof. Hannes Strasser verdeutlichte. Prof. Volker Herzog, Direktor des Instituts für Zellbiologie an der Universität Bonn und ein Experte auf dem Gebiet der Alzheimer-Forschung relativierte die möglichen Erfolge mit embryonalen Stammzellen gerade im Hinblick auf Alzheimerpatienten deutlich. Das Gehirn eines Alzheimerpatienten gleicht einem Trümmerhaufen, so Herzog, zu glauben man könne hier durch die Injektion von Stammzellen den Krankheitsverlauf stoppen ist ungefähr so als würde man bei einem kompletten Stromausfall versuchen, das Problem durch das Auswechseln einer Glühbirne zu beheben. Er forderte, mehr Geld in die Grundlagenforschung zu investieren, denn man müsse noch sehr viel mehr über die Ursachen dieser Krankheiten erfahren, bevor man wirklich gezielt therapieren könne. Hier waren sich alle Wissenschaftler einig: Mehr Geld in die Grundlagenforschung und deutliche Entflechtung von der direkten wirtschaftlichen Verwertung der Ergebnisse. Dies forderte insbesondere Dr. Holger Baumgartner, Mitglied der Ethikkommission der Medizinischen Universität Innsbruck.
Politik ernstlich gefragt
In der abschließenden Podiumsdiskussion war der Tenor dann auch sehr deutlich: Diese ethisch so komplexe Frage und die damit verbundene Verantwortung dürfen nicht allein den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zugeschoben werden, die sich dann zwischen Selbstbeschränkung und möglichem wissenschaftlichen Erfolg entscheiden müssen. Vielmehr sei dies eine Frage, die von der Politik zunächst europaweit aber letztlich international beantwortet werden muss. Alle Anwesenden appellierten daher auch an die österreichische Bundesregierung hier entsprechend tätig zu werden.