Bewegungsstörungen von allen Seiten betrachtet
Restless-legs- und Parkinson-Syndrom, Akathisie, Multisystematrophie neurodegenerative Bewegungsstörungen gibt es viele. Ihren Unterschieden und Gemeinsamkeiten geht man an der Neurologischen Klinik der Medizinischen Universität Innsbruck auf vielerlei Weise nach: mit bildgebenden Untersuchungen, internationalen Datenvergleichen und im Schlaflabor.
Zwischen Restless-legs-Syndrom (RLS) und Parkinson-Syndrom (PS) bestehen einige Überschneidungen. Die Universitätsklinik für Neurologie fand im Rahmen ihres EuroPa-Projekts heraus, dass PS-PatientInnen doppelt so häufig an unruhigen Beinen leiden wie die Gesunden. Klinikvorstand Prof. Werner Poewe und sein Team verwendeten in ihrer Untersuchung vier international anerkannte Mindestkriterien, um echte RLS-Fälle von anderen Bewegungsstörungen abzugrenzen. Auch sprechen beide Krankheiten gut auf die Gabe von Dopamin an, wobei im Fall von RLS noch genauer zu klären wäre, warum das so ist.
Eisenproblem
Bildgebende Untersuchungen mit einfachen Ultraschallgeräten, die auf Vorarbeiten aus der Neurologischen Universitätsklinik in Würzburg mit Mittelhirn-Ultraschall bei Parkinson basieren, förderten weitere Eigentümlichkeiten zutage: Die Forschungsgruppe um Prof. Poewe konnte zeigen, dass RLS-PatientInnen im Gegensatz zu PS-PatientInnen ein vermindertes Echo im Mittelhirn haben. Echoveränderungen im Mittelhirn werden bei der Gehirnparenchym-Ultraschalluntersuchung als Zeichen von Eisenkonzentration gewertet. Die RLS-Befunde der Innsbrucker Forschergruppe zeigen ein vermindertes Echo, was mit Hirngewebebefunden von RLS-PatientInnen übereinstimmt, die ebenfalls eine geringere Eisenkonzentration feststellten. Sowohl die verminderte als auch die bei PS erhöhte Eisenkonzentration im Hirngewebe dürfte auf einen gestörten Eisentransport in den Zellen zurückgehen.
Das Innsbrucker Neurologenteam arbeitet eng mit der Arbeitsgruppe von Prof. Jaschke zusammen. Mit den Radiologen Prof. Schocke und Dr. Seppi wurden hier mithilfe diffusionsgewichteter Kernspintomografie neue Befunde erarbeitet. Es gelang ihnen, Molekülbewegungen abzubilden, die PS klar von Varianten wie der Multisystematrophie (MSA) unterscheiden. Außerdem entwickelten Prof. Wenning und Frau Dr. Stephanova zusammen mit der LMU München ein erstklassiges, transgenes Tiermodell für MSA.
Aufschlussreiche Schlafstörungen
RLS wird traditionell in Schlafambulanzen behandelt. Das von Prof. Birgit Högl geleitete Schlaflabor in Innsbruck gehört zu den größten und am besten ausgestatteten im deutschsprachigen Raum. Mithilfe einer hier entwickelten Software lassen sich die riesigen Datenmengen zu Gehirn- und Muskelaktivität, Atmung, Herzfunktion, sowie die Nachtvideos analysieren und vergleichen. Derzeit untersucht eine finnische Traumforscherin Trauminhalte bei Störungen der REM-Atonie. Bei gesunden Menschen sind während des REM-Schlafes die Muskeln praktisch gelähmt, sie träumen unter Umständen lebhaft, führen aber keinerlei entsprechende Bewegungen aus. Bei Menschen, die an PS oder MSA leiden, ist diese Atonie gestört, sie tun tatsächlich, was sie träumen, und es gibt Hinweise auf eine zunehmende Aggressivität in den Träumen.
Internationaler Datenvergleich
Beim Innsbrucker Beitrag zum gerade zu Ende gehenden EuroPa Projekt ging es ebenfalls um riesige Datenmengen. Prof. Poewe brachte in diese Arbeit seine Erfahrungen in Chicago mit der Evidenzbasisanalyse verschiedener PS-Therapien aus seiner Zeit als Präsident der International Society for Movement Disorders ein. Er und sein Team haben eine Forschungsinfrastruktur aufgebaut, die Daten über eindeutig definierte PS-PatientInnen aus 11 Ländern so weit harmonisiert, dass man sie vergleichen und analysieren kann, zumindest theoretisch. In der Praxis sind dafür noch etliche rechtliche Details zu klären, doch die Mühe lohnt sich, denn der internationale Vergleich könnte interessante Aufschlüsse über zahlreiche diagnostische, therapeutische und gesundheitspolitische Aspekte der Krankheit liefern.