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Medizinstudium im Umbruch

Die Berliner Charité entlässt dieser Tage die ersten Absolventinnen und Absolventen des Reformstudiengangs. Andere Unis in Deutschland und der Schweiz reformieren ihre Medizinstudien ebenso. Auch an der Medizinischen Universität Innsbruck wurde die Lehre grundlegend umgestaltet. Im Mittelpunkt der Reformen stehen Praxisorientierung, Interdisziplinarität und Kleingruppenunterricht.

Die Reform der Medizinerausbildung sorgt derzeit in den deutschen Medien für Schlagzeilen. Die Berliner Charité startete 1999 einen Modellversuch. Die ersten Absolventen werden nun in die Praxis entlassen und sowohl Praktiker als auch Studierende zeigen sich erfreut: „Das Studium war ein Volltreffer.“ Sie habe es als „großes Privileg“ empfunden, in geschützter Umgebung ärztliche Praxis zu üben, erklärt eine Absolventin gegenüber der deutschen Zeitschrift Spiegel. Auch an der Medizinischen Universität Innsbruck wurden im Oktober 2002 neue Studienpläne für die Diplomstudien und das Doktoratsstudium eingeführt, die sich an den Erfahrungen ausländischer Reformhochschulen orientieren und Praxisnähe, Interdisziplinarität und Kleingruppenunterricht in den Vordergrund rücken. Die ersten Evaluationen zeigen, dass auch die Innsbrucker Studierenden mit der praxisnahen Ausbildung ab dem ersten Semester sehr zufrieden sind. „Zunächst war ich sehr skeptisch, als meine Tochter mit dem neuen Studium begann“, erzählt ein Vater, der selbst einmal Medizin studiert hat. „Nach zwei Jahren stelle ich aber fest, dass sie schon jetzt mehr praktisch Orientiertes gelernt und angewendet hat, als ich in meinem gesamten Studium.“

Medizinstudium neu

Bereits in der Eingangsphase haben die Studierenden den ersten Kontakt mit dem Patienten. Nach einer ersten Prüfung folgt das erste Praktikum in der Klinik. Parallel dazu werden die wesentlichen theoretischen Grundlagen, d.h. die Bausteine des Lebens, vermittelt, Praktika im Sezieren und Präparieren sowie in der Histologie absolviert. Ab dem vierten Semester folgen die so genannten Organmodule, in denen eine Mischung aus theoretischen und klinischen Inhalten vermittelt wird. Im problemorientierten Kleingruppenunterricht (POL) wird das selbständige Lösen von Problemfällen erlernt. Ebenfalls in kleinen Gruppen üben die Studierenden die ärztliche Gesprächsführung. Zum Abschluss des Diplomstudiums folgen die klinischen Semester und das klinisch-praktische Jahr. Auch die Prüfungen wurden grundlegend umgestaltet. Anstatt mündlicher Rigorosen finden nun schriftliche integrierte Gesamtprüfungen statt, die mittels Multiple-Choice-Methode durchgeführt werden und somit die Kriterien der Objektivität, Reliabilität und Validität erfüllen.

Reger Austausch

Modellstudien, wie jenes der Charité, bleiben in Deutschland Einzelfälle. In der im letzten Jahr eingeführten Approbationsordnung wird Praxisnähe allerdings verbindlich vorgeschrieben. Auch in anderen Ländern gibt es Reformstudien. Als großes Vorbild gilt die Universität in Maastricht. Hier wird das Konzept des problemorientierten Lernens, das heute zum Kernstück jedes Reformstudiums zählt, seit Jahren erfolgreich eingesetzt. Das Curriculum wird in Blöcken nach Themen organisiert, innerhalb derer die Vertreter der verschiedenen Fachrichtungen ihre Beiträge leisten. „Untersuchungen zeigen, dass POL-AbsolventInnen bei den methodischen Kompetenzen und den kommunikativen und sozialen Fähigkeiten deutlich besser abschneiden als AbsolventInnen herkömmlicher Lehre“, erklärt Dr. Olivier Binet vom Ressort Lehre der Universität Basel. „Die Erfahrung aus dem Austausch mit den Universitäten in Köln, Berlin und Maastricht sind in unsere Reform eingeflossen. Wir importieren hier wertvolles Know-how externer Experten und adaptieren dieses Wissen auf unsere eigene Situation“, erklärt Prof. Helga Fritsch, Vizerektorin für Lehre und Studienangelegenheiten. Auch in der Aus- und Weiterbildung der Lehrenden und der BetreuerInnen des Kleingruppenunterrichts werden die guten Kontakte zu den Reformuniversitäten genutzt und stetig ausgebaut.