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Dünn sein ist keine Antwort!

Essstörungen nehmen insbesondere bei Mädchen und jungen Frauen zu, aber auch ältere Menschen und Männer sind betroffen und die therapeutische Versorgung in Österreich ist nach wie vor ungenügend. Heute beginnt in Alpbach der größte deutschsprachige Kongress zum Thema Essstörungen mit führenden internationalen Expertinnen und Experten.

Die Behandlungsmöglichkeiten bei den verschiedenen Ausprägungen von Essstörungen in der Bevölkerung und deren Erfolg stehen im Mittelpunkt der Tagung. "Bei der Bulimie liegen wissenschaftlich gesicherte Behandlungsformen vor, die allerdings auch angewendet werden sollten. Bei der Magersucht (Anorexia nervosa) ist die Therapie noch immer nicht so erfolgreich, wie wir uns das wünschen; die Gefahr einen Rückfall zu erleiden ist sehr groß", erklärt Prof. Günther Rathner von der Universitätsklinik für Medizinische Psychologie und Psychotherapie der Medizinischen Universität Innsbruck, der auch Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Essstörungen ist.

Besser etwas zu dick als zu dünn!

Zu Essstörungen zählen nicht nur Magersucht, sondern auch Bulimie (Ess-Brech-Sucht) und die Störung mit Essanfällen (Binge-Eating-Disorder) bei Normalgewicht oder höherem Gewicht. Psychotherapie ist hier die Methode der Wahl; unterstützend können bei Bulimie auch Medikamente hilfreich sein. „Bei Essstörungen ist in den Medien eine merkwürdige Mischung von Verherrlichung (berühmte Essgestörte) und Ausgrenzung (wie bei allen seelischen Problemen) zu beobachten“, so Prof Rathner. „Eigentlich wäre die Botschaft ganz einfach: Besser etwas zu dick als zu dünn!“

Ein weiterer Schwerpunkt beim Kongress ist das "zuviel an Gewicht": Die Fettleibigkeit (Adipositas) ist zwar keine Essstörung, aber die Betroffenen leiden ebenso unter dem Außenseiterdasein, da sie mit ihrem Gewicht vom gesellschaftlichen Schlankheitswahn stark abweichen. Kurzfristig ist bei Adipositas auch mit der ungesündesten Diät eine Gewichtsabnahme zu erreichen. Was zählt, ist aber das langfristige Halten des erreichten Gewichts. Das wird mit diesen so genannten Behandlungen aber nicht erreicht, im Gegenteil ist das Gewicht nach ein paar Jahren oft noch höher als früher. Selbst ein Minimalziel, die Verhinderung eines weiteren Gewichtsanstiegs ist oft sehr schwierig. Darüber hinaus können chirurgische Maßnahmen (z.B. Magenband) auch eine Essstörung auslösen.

Behandlungsstrategien überdenken

"Es gibt genug Gründe, die Behandlungsstrategien bei Essstörungen und bei Adipositas neu zu überdenken", betont Prof. Rathner. „Sicher ist, dass der sitzende Lebensstil und zu kalorienreiche Ernährung (z.B. Fast Food) an der Gewichtszunahme der Bevölkerung beteiligt sind. In der Vorbeugung sollte also weniger an den Einzelnen appelliert als vielmehr gesellschaftliche Maßnahmen getroffen werden. Die Einschränkung der Anzahl der Turnstunden ist beispielsweise kontraproduktiv. Magersucht und Adipositas sind wie zwei Seiten einer Medaille in unserer industrialisierten Gesellschaft“, so Rathner abschließend. Die Tagung in Alpbach findet unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Rathner statt und wird gemeinsam vom Innsbrucker Netzwerk Essstörungen und der Österreichischen Gesellschaft für Essstörungen (ÖGES) veranstaltet. Im kommenden Jahr wird in Innsbruck der Europäische Kongress für Essstörungen stattfinden.