Wissenschaft und Tierschutz
In Linz beginnt heute der Kongress über Alternativen zu Tierversuchen. Einer der wissenschaftlichen Leiter der Tagung ist Prof. Walter Pfaller vom Institut für Physiologie der Medizinischen Universität Innsbruck. Schwerpunkte sind unter anderem Tierversuche und Alternativmethoden im Bereich der Ökotoxikologie, Pharmakotoxikologie in vitro und die künftige EU-Kosmetik- und Chemiepolitik.
Das Thema Tierversuche hat über die letzten Jahre hinweg nichts an Aktualität eingebüßt. Tierversuche gehören nach wie vor zu den umstrittensten Themen unserer Gesellschaft. Das österreichische Zentrum für Ersatz- und Ergänzungsmethoden zu Tierversuchen (zet) setzt sich seit seiner Gründung 1995 für die Entwicklung, Anerkennung und Verbreitung von Methoden ein, die Tierversuche ersetzen oder zumindest die Anzahl der Versuchstiere und deren Leiden reduzieren können. An diesem Wochenende findet in Linz der 12. Kongress über Alternativen zu Tierversuchen an der Universität Linz statt. Rund 200 Teilnehmer diskutieren den aktuellen Stand der Forschung und Entwicklung. Die Linzer Kongresse sind mittlerweile abgesehen von den alle drei Jahre stattfindenden Weltkongressen die wichtigste Veranstaltung zu diesem Thema. Die Besonderheit des Linzer Kongresses liegt nicht zuletzt darin, dass hier Mediziner, Biologen, Zoologen und auch Juristen und Ethiker zusammenkommen. Linz hat sich zudem den Ruf des neutralen Bodens erworben, auf dem Vertreter der Industrie, der Universitäten, der Behörden und auch des Tierschutzes gemeinsam diskutieren.
Alternativen zu Tierversuchen
In verschiedenen Forschungsprojekten versucht das zet Alternativen für Tierversuche voranzutreiben. Der Umstieg auf Zellkulturen reduziert zwar die Zahl der Tierversuche, doch kommen auch hier Nährmedien zum Einsatz, die mit einem Serum ergänzt werden, das aus dem Blut fötaler Kälber gewonnen wird. In einer umfangreichen Studie wurden alle weltweit verfügbaren Informationen zusammengetragen, die den Umstieg auf serumfreie Medien erleichtern sollen. Schon seit längerem wird das bebrütete Hühnerei mit seiner Chorioallantoismembran als Alternativmethode zum Tierversuch eingesetzt. Viele Wissenschaftler dehnen neuerdings jedoch Experimente bis auf den Bebrütungstag 14 aus, also deutlich nach Neuralrohrschluss des Embryos. Damit stellt sich die Frage, ob diese Experimente noch als Ersatzmethode zum Tierversuch eingestuft werden können oder nicht. Ziel einer Studie des zet ist der experimentelle Nachweis, dass ein früherer Testabbruch bereits am Bebrütungstag 10 zu vergleichbaren und reproduzierbaren Daten führt. Unter Leitung von Prof. Walter Pfaller starteten Physiologen und Nephrologen der Medizinischen Universität Innsbruck vor kurzem ein EU-Projekt zur Risikoabschätzung der toxischen Langzeitwirkung von Medikamenten und Chemikalien. Ziel des Projekts ist die Etablierung von Zellkultursystemen humanen Ursprungs für Leber und Niere, die Tierexperimente ersetzen können.
Große wirtschaftspolitische Bedeutung
Die Situation bei der Förderung der Erforschung und Entwicklung von Alternativmethoden zu Tierversuchen bezeichnen die Kongressorganisatoren als trist. Es stehen nicht nur zuwenig finanzielle Mittel zur Verfügung. Die Bundesregierung und die Ministerien ließen auch eine entsprechende aufeinander abgestimmt Forschungsstrategie völlig vermissen. Der Ersatz von Tierversuchen durch Alternativmethoden hat nicht nur eine wissenschaftliche und gesellschaftspolitische Relevanz. Die wirtschaftspolitische Bedeutung wird völlig außer Acht gelassen. Anerkannte Alternativmethoden sind nicht nur aussagekräftiger sondern auch schneller und kostengünstiger als Tierversuche. Österreich verliert zunehmend den internationalen Anschluss bei der Entwicklung und dem Einsatz von Alternativen zu Tierversuchen.